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Blog aus Odesa – Kriegstagebuch

13.05.2022 | cb — Keine Kommentare
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Am 23. Februar 2022 kontaktierte Stephanie Hügler, Mitfrau von Munich Kyiv Queer, ihre Freundin Zhenya, eine LGBTIQ*-Aktivistin aus Odesa, das erste Mal, um sie zu fragen, wie es ihr geht. Es gab Gerüchte über einen bevorstehenden Krieg.

Einen Tag später wurde Odesa von der russischen Armee angegriffen. Zhenya und Stephanie blieben über WhatsApp in Kontakt.

Dies sind die Nachrichten, die Zhenya seitdem geschickt hat. Im Laufe der Zeit wurde daraus eine Art Kriegstagebuch. Wir aktualisieren laufend. Die Fotos stammen aus der Zeit vor dem Krieg, als Steffi mit Münchens queerem Chor Monadessa zu Besuch in der Stadt war. Es sind Bilder, die heute unwirklich friedlich wirken.

15. Juni 2022

Ich habe jetzt viel mit den Reisevorbereitungen zu tun, Tickets kaufen, die Route planen. Ich freue mich sehr darauf, euch endlich alle zu treffen, euch alle zu umarmen und mich einmal ein wenig entspannen zu können.

Heute war der erste Tag, an dem ich ins Büro zurück bin. Endlich kann ich an meinem gewohnten Platz arbeiten. Ich freue mich, einige Kolleg*innen wiederzusehen, die in Odesa geblieben sind – einige sind auch bereits zurückgekehrt. Ich habe die Büroatmosphäre wirklich vermisst. Obwohl der Standort des Büros nicht sehr sicher ist. Wir haben einen separaten Schutzraum für Luftalarm, auch das Queer Home ist nur 15 Minuten zu Fuß entfernt.

Odesa bei Nacht. Foto: Geio Tischler / Unsplash

Heute musste ich direkt vom Büro aus Essenspakete verteilen. Ich bin froh, dass meine Kolleg*innen das akzeptieren und sie nicht nachfragen. Die LGBTIQ*-Organisation, bei der ich ehrenamtlich arbeite, nenne ich natürlich nicht .

Es ist jetzt ruhiger in Odesa. Ich hoffe, dass das so bleibt, solange ich hier bin, und dass es auch ruhig sein wird, wenn ich verreise und dass ich mir keine Sorgen um meine Familie und Kolleg*innen machen muss, die in Odesa bleiben.

Mit herzliche Umarmung.

31. Mai 2022

Wir erleben einige ruhige Tage in Odesa, wir können sogar Pläne machen, aber wir wissen, woran es liegt – die Kämpfe im Donbas werden heftiger. Unsere Gedanken sind jetzt dort. Alles hängt davon ab, wie der Krieg im Donbas geführt wird. Wir hören von zahllosen Opfern und Zerstörungen. Dutzende von Städten und Dörfern sind dem Erdboden gleichgemacht.

Garten in Odesa. Julia Rekamie / Unsplash

Ich habe es geschafft, mir mehrere Tage freizunehmen, ohne mich outen zu müssen. Ich bin zum Pride nach Deutschland eingeladen wie viele meiner Freund*innen. Wir vermissen uns alle schrecklich, viele sind ins Ausland gegangen und wir haben keine Ahnung, ob wir uns je wiedersehen werden. Ich hoffe auf eine produktive, sichere Reise, lang erwartete Begegnungen und neue Verbindungen für Odesa.

Ich freue mich auf Euch in München. Liebe Grüße und Umarmungen aus Odesa.

26. Mai 2022

Wir beobachten die Krise bei Getreide und Salz hier sehr genau. In Odesa ist alles Salz aus den Regalen der Supermärkte verschwunden. Wir wissen, dass es neue Lieferungen geben wird. Wir wissen aber auch, dass die Preise dafür nicht nur in der Ukraine, sondern auch in vielen anderen Ländern auf dem Globus um ein Vielfaches steigen werden.

Ich habe einmal für ein Exportunternehmen gearbeitet und war schockiert, als ich erfuhr, wie viel die Ukraine ins Ausland verkauft. Offenbar war uns allen selbst nie bewusst, wie einflussreich, wie wichtig wir für die ganze Welt sind, und wie sehr sich Probleme in der Ukraine auf die ganze Welt auswirken können.

Russland nimmt den Ukrainer*innen Dinge weg, von denen wir dachten, dass sie definitiv uns gehören und über die Menschen normalerweise nicht einmal nachdenken. Lebensmittel, die Möglichkeit zu arbeiten, Geld zu verdienen, zu reisen und Pläne fürs Leben zu schmieden.

Die Russen haben vielen ihre Träume genommen. Sie verwehren den Odessit*innen die Möglichkeit , aufs Meer zu fahren, gen Himmel zu blicken und sich vorzustellen, diese Wolke da sehe aus wie ein Tier und nicht wie ein Stück Eisen, das töten kann. Viele Menschen in der Ukraine hatten zuletzt nicht einmal die Chance, Sonnenlicht zu sehen, weil sie wochenlang in Unterführungen, Kellern und Bunkern leben mussten. Wir waren so reich, wie sich jetzt herausstellt, so sorglos. Ich weiß nicht, ob wir das je wiedererlangen können.

18. Mai 2022

Die Menschen kehren allmählich nach Odesa zurück, obwohl die Region noch immer jeden Tag beschossen wird. Just in diesem Moment, da ich den Blog schreibe, höre ich Sirenen. Wir wissen schon jetzt, dass der Strand im Sommer abgesperrt sein wird. Selbst wenn der Krieg morgen zu Ende ist wird die Entminung Monate dauern.

Gestern haben die Russen einen Fahrer getötet, der einen Mann aus den besetzten Gebieten holen sollte. Er hatte sich an uns gewandt mit der Bitte um Hilfe. Mehrere Autos mit Freiwilligen, die aus dem Süden in die freie Ukraine fahren wollten, wurden angegriffen. Die meisten von ihnen sind jetzt tot. Wir geben die Hoffnung nicht auf, eine andere Möglichkeit für diesen Mann zu finden, aber es ist schwer. Manchmal verzweifeln wir. Gestern saß ich nur da und weinte. Heute war ich dafür wieder im Stadtzentrum, um denen Lebensmittel zu schicken, die wir noch erreichen können. Wir dürfen diejenigen, die Hilfe brauchen, nicht aufgeben.

Und als ich nach Hause kam, fing es an zu regnen, und ein Regenbogen erschien am Horizont. Obwohl der IDAHOBIT gestern war, habe ich heute meine Glückwünsche dafür erhalten.

15. Mai 2022

Im Moment erleben wir wahrscheinlich die ruhigste Zeit seit Kriegsbeginn – wir bekommen überhaupt keine Spenden mehr. Da die meistens von Einzelpersonen kommen, handelt es sich um eher kleinere Beträge und die sind schnell aufgebraucht. Wir tun einiges, veröffentlichen Beiträge, machen in den sozialen Medien auf unser Anliegen aufmerksam.

Gestern war ein ziemlich arbeitsreicher Tag: Ich habe Lebensmittelpakete an die Geflüchteten verteilt und auch einige per Post an diejenigen verschickt, die in den südlichen Regionen leben. Gestern gab es ein Treffen mit Freiwilligen, da die Pakete ziemlich schwer sind und wir zum Packen und Tragen viele Hände brauchen. Ich bin froh, dass es in Odesa noch Leute gibt, an die man sich wenden kann, und dass nicht alle in andere Städte oder Länder geflohen sind.

Gläser mit Eingelegtem. Foto: Stephanie Hügler

Alle sind des Kriegs müde, das ist klar. Wir alle würden den Krieg gerne vergessen, eines Morgens aufwachen und verstehen, dass das alles nur ein Alptraum war, dass nicht Tausende von Menschen gestorben sind und keine einzige Stadt dem Erdboden gleichgemacht wurde. Aber im Moment wachen wir eben jeden Morgen mit Explosionen, Sirenen oder Meldungen von Menschen auf, die Hilfe bei der Evakuierung, mit Lebensmitteln oder einen Unterschlupf brauchen.

Ich danke euch für eure Fürsorge und euren Wunsch, zu helfen. Es ist wichtig für uns, die Unterstützung unserer Lieben zu spüren, wo immer sie sind, und zu wissen, dass wir mit den täglich wachsenden Herausforderungen nicht alleine gelassen werden. Meine herzliche Umarmung. Ich hoffe, dich bald zu sehen.

13. Mai 2022

Morgen werde ich noch mehr Lebensmittel verschicken und einige auch persönlich überreichen. Leider hat die Post das Paket für den Mann, von dem ich dir letztes Mal erzählt habe, nicht angenommen. Sie fahren nicht mehr in die besetzten Gebiete.

Opernhaus Odesa. Foto: Stephanie Hügler

Wir suchen nach einer neuen Möglichkeit, Waren zu verschicken, aber wir haben noch keine gefunden. Es gibt nur wenige Fahrer, die die Frontlinie überqueren, und die werden sorgfältig kontrolliert; sie brauchen eine Menge Dokumente. Und manchmal werden sie auch gefangen genommen oder getötet. Dies ist ein gefährlicher Job. Und bis jetzt haben wir noch niemanden ausfindig gemacht, der bereit wäre, das zu übernehmen.

12. Mai 2022

Trotz der Angriffe bleibt Odesa eine Region, die Flüchtlinge aufnimmt. Heute werde ich einem Mann, der in der Region Cherson lebt, ein Paket mit Lebensmitteln schicken.

Die Russen haben sein Dorf besetzt, sie nehmen dort Männer mit, die für Russland kämpfen sollen. Sie nehmen sie einfach auf der Straße fest. Der Mann, von dem ich spreche, muss sich also verstecken, er kann nicht weg, weil er erst die Frontlinie überqueren müsste.

Die Russen nehmen Lebensmittel aus den besetzten Gebieten mit, sie stehlen sie aus den Geschäften und Lagerhäusern, um einen Teil davon an die russischen Soldaten zu „verfüttern“ und einen anderen nach Russland zu schicken.

Hafen von Odesa. Foto: Dimitry Anikin / Unsplash

Sie wollen das Szenario von 1932 wiederholen, als das ukrainische Volk im Holodomor verhungerte. Damals stahlen die Russen das gesamte Getreide und nahmen den Menschen alles weg, was sie angebaut hatten.

Wir hoffen, dass die Lebensmittel ankommen und der Mann noch ein paar Wochen überbrücken kann, während er versucht, in die Ukraine zu kommen. Es ist gut, dass wir dank der Spenden aus einer Sammelaktion von der Gay Alliance Ukraine Menschen helfen können.

Leider gehen unsere Vorräte zur Neige. Im Moment kommen fast keine neuen Spenden, und ich weiß nicht, was wir tun werden, wenn sie komplett versiegen. Wir alle machen hier weiter, wir bitten Freund*innen und andere Organisationen, uns zu helfen, denn jeder Beitrag ist wichtig. Die Zahl der Anfragen hat dramatisch zugenommen.

10. Mai 2022

Diese Nacht war schrecklich. Eine der stärksten russischen Bombenangriffe, gegen die die Luftabwehr machtlos ist, schlug drei Kilometer von meiner Wohnung entfernt ein. Das Gebäude wackelte, als wäre es ein Kartenhaus.

In den Häusern in der Nähe sind keine Fenster mehr. Es gibt dort Verletzte und Tote. Ein Einkaufszentrum ist beschädigt und zwei Geschäfte, die nicht aufhören wollten, in Russland Geschäfte zu machen. Jetzt werden sie ihre Geschäfte in Odesa einstellen müssen, weil die von ihnen selbst finanzierte Bombe ihre Lager und Verkaufsräume zerstört hat.

Hafen von Odesa. Foto: Dimitry Anikin / Unsplash

Seit gestern sind hier Flugzeuge zu hören. Es ist nie klar, ob es unsere sind oder russische.

Es gibt Gerüchte, dass Putin am 9. Mai eine Generalmobilmachung in Russland ankündigen oder eine Atombombe zünden will. Wir haben Angst, aber wir leben. Und wir setzen große Hoffnungen auf die Hilfe aus Amerika, die Biden uns gestern versprochen hat.

8. Mai 2022

In den letzten Tagen hat sich der Beschuss verstärkt. Morgen ist eine Ausgangssperre in Odesa. Ich werde in meiner Wohnung bleiben, denn mein Luftschutzkeller ist nah genug.

Gestern war ich bei meinen Eltern, wir hörten die Flugabwehr ihre Arbeit machen, dann schlugen mehrere Raketen auf beiden Seiten des Hauses ein.

Sie sagen, es waren 4 oder 6. Es heißt, dass niemand getötet wurde, aber in neun Wohnhäusern gingen Fensterscheiben zu Bruch. Die russische Armee ist im Süden der Ukraine erfolglos, beschießt uns aber von ihrem Gebiet aus und schüchtert weiterhin Transnistrien ein. Einigen Gerüchten zufolge könnte Russland bald die Republik Moldau angreifen. Dies dürfte ein großes Problem werden.

30. April 2022

Jetzt schießen die Russen fast jeden Tag. Zum Glück werden die meisten Angriffe abgewehrt, aber es gibt auch traurige Nachrichten. Heute war ich auf dem Markt, um Gemüse zu kaufen, und habe mich auf eine Bank in der Nähe des Hauses gesetzt, um die Sonne zu genießen.

Das Wetter ist jetzt so schön in Odesa, dass man gar nicht mehr ins Haus gehen möchte. Und dann habe ich drei Explosionen gehört. Sehr laut, man konnte sie in der ganzen Stadt hören. Die Sirenen und die Schreie der Menschen, die in ihre Häuser rannten. Ich ging auch in meine Wohnung und habe durchs Fenster Rauch am Himmel gesehen, aber es gab kein Feuer. Heute haben sie die Landebahn des Flughafens getroffen. Das ist sehr schade. Sie wurde erst letzten Sommer eröffnet, und es war ein teures und lang erwartetes Projekt. Aber glücklicherweise wurde niemand verletzt.

Markt in Odesa. Foto: Stephanie Hügler

Am 2. Mai wird es in Odesa verboten sein, ins Freie zu gehen. Grund dafür ist die erhebliche Gefahr von Provokationen und Anschlägen. Gestern hat die Polizei eine Gruppe festgenommen, die für den 2. Mai Massenunruhen plante, aber möglicherweise gibt es noch Komplizen. Von Sonntagabend bis Dienstagmorgen werden wir also zu Hause bleiben und das Beste hoffen.

24. April 2022

Orthodoxes Osterfest. Gestern war es furchtbar: Ich habe eine Rakete über mir fliegen sehen und ein Pfeifen gehört. Die Zerstörung war weit weg von mir, aber in einem Bezirk, in dem ich normalerweise viel Zeit verbringe. N. und ich wohnten in der Nähe, eine Meile vom Haus meiner Eltern entfernt. In der Nacht feuerten die Russen zwei Raketen ab auf ein Werk mit großen Ammoniakreserven. Glücklicherweise wurden sie von unserer Luftabwehr abgeschossen, aber die Bedrohung bleibt bestehen.

In dem Haus, das getroffen wurde, lebt die Familie, deren Mann in meinem Lieblingscafé arbeitet, und die Frau holte am Freitag Wasser für Mykolajiw. Das ist die Stadt in der Nähe von Odesa, in der es seit dem 12. April wegen des Raketenbeschusses kein Wasser mehr gibt. Sie können das Wasserversorgungssystem nicht reparieren, weil ständig geschossen wird.

Szenen einer Stadt. Foto: Stephanie Hügler

Im Januar haben sie ein Baby bekommen. Gestern ging der Mann zum Einkaufen, und als er zurückkam, waren seine Frau, seine Schwiegermutter und seine Tochter tot. Das ist Odesa, hier kennt jeder jeden. Und das krieg ich nicht in meinen Kopf.

Trotz des Rauchs und der Explosion in der Nähe hat meine Mutter weiter Osterkuchen gebacken. Gestern wurde in vielen Chats geschrieben, dass die russische Armee skrupellos ist. Die Leute backen Osterkuchen am Samstag.

Die Ruinen der beschossenen Häuser werden immer noch abgetragen, und es ist nicht bekannt, wie viele Menschen sich darunter befinden.

18. April 2022

Ostermontag in Deutschland: In Odesa ist es jetzt ruhig, dank unserer Luftabwehr. Im Stadtzentrum hat die Regierung einige Sperren und „Igel“ entfernt, sie werden nach Mykolajiw geschickt, wo Angriffe stattfinden. Niemand entspannt sich, die Kampfbereitschaft bleibt bestehen. Fast jeden Tag fliegt etwas vorbei, unser Luftabwehrsystem trifft etwas, und irgendwo sind Explosionen zu hören.

Eine große Erleichterung war das Versenken des Kreuzers „Moskau“. Das ist derselbe Kreuzer, der zu Beginn des Krieges sprichwörtlich zum Teufel geschickt wurde. Es scheint, dass unser Militär weiß, wie man feindliche Schiffe kontrolliert. Es gibt noch viele Schiffe in Russland, aber das war das größte und wichtigste.

Funikular. Foto: Stephanie Hügler

Danke für die Anregung zum Blog! Ich bin mir meiner Fähigkeiten nicht gewiss, aber ich bin froh, dass du mir das zutraust. Glücklicherweise ist es in Odesa nicht so dramatisch wie in anderen Städte, aber wenn du meinst, dass etwas von dem, was ich geschrieben habe, interessant sein könnte, habe ich nichts dagegen, es für die Website zu verwenden – vielleicht könnte ich es überarbeiten und einige Punkte hinzufügen.

Danke, dass du so fürsorglich bist! Es ist rührend und wichtig für mich. Viele Odesa-Umarmungen, viel Liebe!

12. April 2022

Ich sehe es als notwendig an, meine Erfahrungen vom Krieg aufzuzeichnen, auch wenn ich selbst nicht kämpfe. Wir dürfen das alles nicht vergessen, wir müssen die Erinnerung daran weitergeben.

Wir hatten sehr unruhige Tage. Zum Beispiel war es fast eineinhalb Tage lang verboten, am Wochenende das Haus zu verlassen. Die ständige Bedrohung durch Schiffe im Schwarzen Meer. Es ist nicht bekannt, wohin die Truppen aus dem Norden der Ukraine gehen werden. Alle sind sich einig, dass sie sich nach Osten orientieren, aber es wird auch über Odesa gesprochen.

Kürzlich haben die Russen eine Militäreinheit in der Nähe von Odessa angegriffen, wobei viele Soldaten starben. Wir sehen ihre Fotos und lesen ihre Biographien, die meisten von ihnen waren zwischen 18 und 20 Jahren alt.

Außerdem scheint es, dass Russland heute Nacht in Mariupol chemische Waffen eingesetzt hat. Ich konnte fast die ganze Nacht nicht schlafen (normalerweise wegen des Luftalarms, aber heute wegen der Gedanken). Die Informationen müssen noch bestätigt werden, aber ich hoffe, dass keine Menschen getötet wurden und dass die internationale Gemeinschaft endlich reagieren wird. Einigen Schätzungen zufolge sind in Mariupol bis zu 20.000 Menschen gestorben. Es ist nicht bekannt, wie viele Opfer der Angriff mit chemischen Waffen hatte.

Häuserfassaden und die Oper von innen. Foto: Stephanie Hügler.

Ich habe mich gefreut, Fotos von Eurem Treffen im Sub mit Menschen aus Odesa zu sehen. Es freut mich, dass sie Unterstützung erhalten haben und an einem queer-freundlichen Ort sicher sein können.

Flüchtlinge aus Mykolajiw kommen jetzt nach und nach in Odesa an. Das ist die nächstgelegene Großstadt, die jetzt besonders stark unter Angriffen leidet. Am Wochenende habe ich einem Mann, der geflohen ist, als eine Granate das Haus seines Nachbarn traf, Lebensmittel geschenkt. Ich bin froh, dass wir im Queer Home in Odesa einen kleinen Vorrat an humanitärer Hilfe angelegt haben.

Allerdings spenden die Leute nicht mehr so fleißig wie vorher, so dass es schwierig ist, sich vorzustellen, was wir tun werden, wenn der Vorrat aufgebraucht ist. Deshalb sind wir jetzt froh über jede Spende, die uns erreicht.

5. April 2022

Hallo! Vielen Dank für den Link! Und für alles, was du für die Ukraine und für mich tust.

Oh, die Nacht war nicht so ruhig, die Russen haben zweimal versucht anzugreifen, aber sie hatten keinen Erfolg dank unserer Flugabwehr. Aber es war trotzdem eine sehr laute Angelegenheit. Die meisten Ukrainer, die hier geblieben sind, haben jetzt ihr persönliches „Kriegs-Shazam“ (Anm.: Shazam, eine App, um Musik zu erkennen). Sie erkennen die Art des Angriffs und prüfen, ob sie sich in die Schutzräume begeben müssen. Unser System ist noch nicht so gut, aber wir lernen schnell.

Potemkinsche Treppe. Foto: Stephanie Hügler

Vielen Dank, ich brauche im Moment nichts, wirklich nicht. Und ich weiß, dass ich mich an dich wenden kann, wenn ich etwas brauche, das weiß ich wirklich zu schätzen.

4. April 2022

Ich habe die Nacht in meinem Badezimmer verbracht, die Russen haben heute Nacht wieder angegriffen. Wir sind alle schockiert über die Geschichten und Bilder aus Bucha und Irpin. Die Regierung sagt, dass eine andere Stadt, Borodianka, noch schlimmer betroffen ist. Ich kann meinen Augen nicht trauen. Es gibt kein internationales Recht mehr, keine Regeln oder Konventionen.

3. April 2022

In der Nacht konnte ich nicht schlafen, erst gegen 6 Uhr schlief ich ein. Die erste Explosion war wie ein Donnerschlag, gestern hat es geregnet, ich dachte, es wäre nur ein Gewitter. Und dann fing mein Tisch an zu wackeln.

Also sprang ich aus meinem Bett zum Fenster. Ich stand da und sah zu, wie Raketen flogen, erst Feuerblitze und dann laute Explosionen. Soweit ich weiß, sind alle Menschen am Leben und unverletzt. Aber das Feuer brennt immer noch. Es gibt viel Rauch, das Atmen fällt schwer in der Stadt. Vor einer Stunde war der Himmel noch so dicht bedeckt, dass es dunkel wie am Abend war.

2. April 2022

Wir hatten einen etwas lauten Abend, es gab drei Bomben in der Nähe von Odesa von der Krim aus. Jemand wurde verletzt, aber soweit ich weiß, ist das eigentliche Ziel der Russen für uns in Odesa noch wichtiger, also hätte es schlimmer kommen können.

Auch in Transnistrien, dem besetzten Gebiet in Moldawien, gibt es einige Bewegungen. Aber ich versuche, den Experten zu glauben, die sagen, dass Transnistrien so arm ist, dass es nur drei Eimer hat, um Lärm zu machen. Trotzdem sind die Nachrichten nicht so gut. Die Russen verlassen die Region Kyjiw, es scheint, als ob sie nach neuen Abenteuern oder eher nach einem Platz zum Sterben suchen.

Blick aufs Meer. Foto: Stephanie Hügler

Es ist so richtig, jetzt zu feiern und die Zeit zu genießen! Manchmal vermisse ich die Zeiten, in denen sich all meine Probleme nicht um Bomben, Verhandlungen, Flüchtlinge und das ganze Kriegspersonal drehten. Unsere seelischen Ressourcen sind auch für die Ukraine wichtig. Es ist so wichtig, sie zu erhalten und aufzubauen.

23. März 2022

Meine Eltern gehören zu den ruhigsten Menschen, die ich kenne, trotz der Probleme mit der Arbeit – die Abteilung meines Vaters stellte ihre Arbeit ein, als der Krieg begann, und meine Mutter wird ab April auch nicht mehr arbeiten, wie ihr das Krankenhaus mitgeteilt hat. Die Regierung sagt, dass die Angestellten ihr Gehalt bekommen werden, wie es ihnen zusteht, aber es gibt keine Garantie. Meine Großmutter ist wirklich wütend und aufgebracht, denn sie hat nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder einen Krieg erwartet. Niemand wird das Land verlassen, solange wir ein Haus haben. Außerdem ist es meinem Vater nicht erlaubt, die Ukraine zu verlassen.

Am Hafen. Foto: Stpehanie Hügler

Ich entschuldige mich für die Verspätung, die Tage waren sehr arbeitsreich und einige Nächte davor zu laut, um zu schlafen. Die Russen greifen vom Meer aus an, aber jetzt sind es eher pschylogische Angriffe – sie demonstrieren, wie weit sie schießen können.

Vielen Dank für all die Unterstützung, die ihr leistet. Die Lage in Kyjiw wird immer schwieriger, deshalb brauchen wir immer mehr Unterstützung. Die Gay Alliance Ukraine hilft auch, insbesondere Menschen in den am stärksten betroffenen Städten. Ihre Geschichten sind schockierend. Aber ich bin stolz darauf, Teil einer solchen Initiative und eines so tapferen und glorreichen Landes zu sein.

15. März 2022

Heute habe ich zum ersten Mal die Sirenen des Luftalarms gehört. Jemand in meiner Gegend hat den Lautsprecher ein paar Tage vor dem Krieg kaputt gemacht. Ich bin sicher, das geschah mit Absicht, und natürlich werden wir nie erfahren, wer es war.

Hier erfährt man normalerweise über Telegram-Kanäle vom Alarm, es gibt auch spezielle Anwendungen für das Telefon. Normalerweise überhöre ich die Sirenen. Das ist schlecht, denn jeder Angriff kann tödlich sein. Aber die Strategie der Russen besteht jetzt darin, ihre Aufklärungsflugzeuge nachts zu schicken, so dass wir nachts nicht länger als drei Stunden schlafen können.

Ich habe diesen Tag im Büro der Gay Alliance Ukraine verbracht, ein paar Einkäufe für Lebensmittel gemacht, wir haben schon ein paar fertige Kits, aber einige Produkte müssen noch besorgt werden..

Rondell am Meer. Foto: Stephanie Hügler

Heute wurden zwei Kampfflugzeuge in der Nähe von Odessa abgeschossen, ihre Besatzung ist jetzt Fischfutter. Es ist ein beliebter Witz, dass wir nach dem Sieg sehr fette und große Fische und Muscheln im Schwarzen Meer haben werden.

Russische Schiffe beschossen auch die Region Odessa. Soweit ich weiß, wurde niemand getötet, aber Zivilisten wurden verletzt und Gebäude beschädigt.

Unser ganzes schönes Stadtzentrum ist jetzt mit Befestigungen, Panzersperren und Zäunen versehen. Vor ein paar Tagen nahm ich mir ein Taxi, und durch die blockierten Straßen mussten wir um viele Häuserblocks fahren, es war wie eine Stadtrundfahrt. Ich schaute aus dem Fenster und versuchte, mir Odesa einzuprägen, wie es jetzt ist.

Schließlich schämen sich die russischen Bomben nicht, alte architektonische Meisterwerke oder einfache Wohnhäuser mit schlafenden Kindern zu zerstören. Es ist so absurd, so abscheulich, dass es dafür keine Worte gibt.

14. März

Die Nachricht, dass Deutschland und Polen bereits von ukrainischen Flüchtlingen überschwemmt werden, beunruhigt mich. Ich hoffe, dass diese Menschen bald die Möglichkeit haben werden, nach Hause zurückzukehren, und dass sie höflich und nett zu den Menschen sind, die ihnen ihre Türen öffnen.

Ich bin heute Morgen um 6 Uhr aufgewacht, weil ich Explosionen hörte. Keine Ahnung, was das war, aber zum Glück gibt es keine Nachrichten, dass jemand in Odesa getötet oder verletzt wurde.

Straßencafé in Odesa. Foto: Stephanie Hügler

Gestern haben die Russen eine Einrichtung in 20 Kilometern Entfernung von der NATO-Grenze angegriffen. Ich hoffe, die NATO wird reagieren, denn es ist für uns hier ziemlich offensichtlich, dass Putin, wenn wir in diesem Krieg fallen, als nächstes ein anderes europäisches Land angreifen wird. Es scheint, als sei er verrückt genug.

Ich habe mein Wochenende damit verbracht, Lebensmittelpakete fürs Queer Home zu sammeln, wir bereiten uns auf ein Szenario mit leeren Geschäften vor. Es ist schon eine Herausforderung – Lieferungen funktionieren nicht mehr, einige Geschäfte verkaufen Lebensmittel nicht mehr in größeren Mengen, sodass wir mehrmals einkaufen gehen mussten, um 20 Flaschen Öl zu bekommen

11. März 2022

Entschuldigung für die Verspätung, ich hatte einige arbeitsreiche Tage.
Vielen Dank für eure Fürsorge. Ich glaube nicht, dass ich jetzt etwas brauche, aber eure Unterstützung macht mich jeden Tag stärker.

Es ist jetzt ruhig in Odesa, aber manchmal sehen wir russische Schiffe oder Flugzeuge. Die Nachrichten sind nicht gut, aber wir hoffen auch, dass einige von ihnen russische Lügen sind. Ich werde mein Bestes tun, um öfter zu antworten!

Nochmals vielen Dank. Liebe Grüße aus Odesa

9. März 2022

Es ist noch relativ ruhig hier, aber wir hören jeden Tag die Nachricht, dass wir die nächsten sind. Ich scheine mich schon ein bisschen an die Geräusche gewöhnt zu haben.

(Queere) Bars in Odesa. Foto: Stephanie Hügler

Ich habe MKQ-Posts auf Instagram gesehen und bin wirklich froh, dass jetzt Informationen über die Ukraine weit verbreitet werden. Wir können nicht zulassen, dass die Menschen in der EU und den USA uns vergessen, während die Russen unsere Städte bombardieren, unsere Soldaten, Bürger und Kinder töten und unsere Atomkraftwerke besetzen, das Personal foltern und die schlimmste Umweltkatastrophe des Jahrhunderts verursachen.

7. März 2022

Russland hat das Dorf, das etwa zehn Kilometer von meinem Haus entfernt liegt, angegriffen. Anscheinend gab es keine Toten oder Verletzten, aber das Geräusch war furchtbar. Es waren mehrere Bomben, ich habe zwei Explosionen gehört. Die Bomben hört man nicht nur mit den Ohren. Man spürt sie vom Boden aus, mit den Zehen.

Die nächstgelegene Stadt Odesas wird seit drei Tagen angegriffen, aber unsere Armee schlägt die Russen ziemlich erfolgreich. Ich hoffe, dass sie es weiterhin gut machen.

Wir warten jetzt auch auf die Verhandlungsergebnisse, aber, wie man in diesen Tagen hier zu sagen pflegt – es gibt keinen Gott außer unsere Armee.

6. März 2022

Die Menschen halten in den besetzten Städten große Kundgebungen ab, um die Russen aus den lokalen Verwaltungen herauszuhalten. Manchmal gehen sie mit bloßen Händen, nur mit Fahnen und mit großer Wut gegen Panzer und Maschinengewehre vor. In einigen Städten gelingt es den Einheimischen, die russischen Eindringlinge zu vertreiben, aber es gibt viele Opfer unter der lokalen Bevölkerung.

Es gibt Nachrichten, dass die Russen Schlafplätze, zivile Autos und humanitäre Korridore beschießen, die erst vor wenigen Tagen in den Gesprächen vereinbart wurden. Heute sagte Präsident Zelensky, dass sie bald Odesa angreifen würden. Es ist noch nicht bekannt, ob das wahr ist und wenn ja, wann es geschehen wird, aber gestern und heute wurden bereits vier feindliche Flugzeuge über Odesa abgeschossen.

Ich bin ein wenig verwirrt, aber ich versuche, nicht in Panik zu geraten und an unsere Armee zu glauben.

Schwarzmeerküste. Foto: Stephanie Hügler

Zum Glück ist unser Haus recht stabil und sicher, aber auch das derzeitige Büro der Gay Alliance Ukraine in Odessa eignet sich gut als Versteck für ein paar Leute, die dort jetzt leben. Natürlich gibt es jetzt keine Garantien, aber ich kann auf ein paar Orte in Odesa hoffen, wo es relativ sicher ist.

Die Eltern haben beschlossen, zu Hause zu bleiben. Meine Großmutter ist gerade 85 Jahre alt geworden und jede Bewegung fällt ihr schwer. Sie haben versucht, mich zu überreden, zu ihnen zu ziehen, aber ich habe mich geweigert, bis dafür dringender Bedarf besteht.

Als ich im Haus meiner Eltern war, wurde ein Flugzeug direkt über Odesa abgeschossen, und ich spürte, wie das Haus bebte. Dort ist es noch gefährlicher als in meinem Wohnhaus. Außerdem gibt es kein Internet, und es wäre äußerst schwierig, von dort aus zu arbeiten. Im Moment bleibe ich also zu Hause, aber ich überlege mir ein paar Optionen, je nachdem, wie sich die Dinge entwickeln.

Vielen Dank für deine Einladung und Fürsorge. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass ich nicht allein bin.

5. März 2022

Ich besuche heute meine Eltern und bereite mich auf ein schwieriges Gespräch vor. Aber ich weiß nicht, wann ich sie das nächste Mal sehen kann.

Über der Potemkinschen Brücke. Foto: Maksym Pozniak-Haraburda / Unsplash

Die Nacht in Odesa war ruhig, aber die Russen haben ein kleines Dorf in der Nähe der Stadt angegriffen. Zum Glück sind alle am Leben.

Ich hoffe, dass ich eines Tages euer Konzert besuchen kann – es klingt fantastisch!

Viele Grüße aus Odesa. Herzlichen Dank.

4. März 2022

Habe gerade eine What’sApp bekommen. Drei mir nahestehende Personen sind heute abgereist. Die Nachrichten über Odesa werden immer beunruhigender. Es scheint, dass der Feind seine Ressourcen in unsere Richtung konzentriert. Ich versuche, nicht in Panik zu geraten, aber ich bin die Nachrichten und die ständige Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, leid.

Ich bin euch so dankbar für die Unterstützung, für eure Spendensammlung und die Verbreitung wahrer Informationen über die Ukraine. Die Welt muss die Wahrheit erfahren.

3. März 2022

Die Situation ist jetzt recht ruhig, aber trotzdem beunruhigend. Ich entschuldige mich noch einmal für die verspätete Antwort – es gibt viel zu tun. Ich versuche, meinen Kopf mit etwas zu füllen, um mich von der Unruhe und dem ständigen Surfen durch die Nachrichten abzulenken.

Die russische Armee nähert sich Odesa – die Analytiker sind optimistisch, aber heute haben die Russen ein estnisches Schiff versenkt. Ich hoffe, dass die NATO darauf irgendwie zu reagieren gedenkt. Unsere Luftabwehrsysteme haben heute ein Flugzeug und eine sehr große und gefährliche Bombe abgeschossen. Mehrere Dörfer in der Region Odesa wurden bombardiert.

Odesa. Fotos: Rostislav Artov (l.), Rostislav Artov (r.) / Unsplash

Es ist besser, jetzt die Gay Alliance Ukraine in Kyjiw um Stellungnahmen zu bitten – sie haben Informationen über die Regionen. Außerdem haben sie kürzlich eine Website für Spendenaktionen eingerichtet. In Kyjiw haben sie einen Shelter für Menschen eingerichtet, die nirgendwo wohnen können und nichts zu essen haben. In Odesa sammeln wir Anfragen für eine solche Hilfe, aber bisher ist die Eröffnung eines solchen Unterschlupfes hier nicht sinnvoll. Wenn sich der Bedarf ergibt, werde ich die Rolle der Koordinatorin übernehmen.

Danke für die Nachricht über Olga. Jetzt freue ich mich für all die Menschen, die in Sicherheit sind. Nastja und ich werden uns morgen sehen – sie wird mir die Schlüssel für ihre Wohnung geben, damit ich das, was dort noch vorhanden ist, an die Armee und die Freiwilligen weitergeben kann. Dazu gehören insbesondere Lebensmittel, Kleidung, ihr Laptop usw.

Seit heute weiß ich, dass ich hier bleiben werde. Aber mir ist klar, dass sich das jederzeit ändern kann. Die Gerüchte über Listen von Aktivist*innen, die als erstes getötet werden sollen, werden immer lauter. Vielleicht steht auch mein Name darauf. Vielleicht stehen dort auch die Namen von Menschen, die mir nahe sind.

Arcadia. Foto: Anna Koval / Unsplash

Vor allem aber glaube ich, dass wir uns nicht in der Besatzung wiederfinden werden, dass die Ukraine überleben und gewinnen wird. Obwohl wir natürlich unter großem Druck stehen – wir werden nicht nur physisch, sondern auch virtuell angegriffen. Heute zum Beispiel haben die Russen mehrere Websites in Kleinstädten gehackt und angekündigt, die Kapitulation der Ukraine zu verkünden.

Auch ein angeblicher Aufruf des Präsidenten, in dem er die Ukraine verrät, verbreitet sich im Netz. Wir glauben solche Informationen nicht, aber sie bereiten uns dennoch Schmerzen.

Nochmals vielen Dank für deine Unterstützung und den ständigen Kontakt. Ich versuche, so oft wie möglich zu antworten. Herzliche Umarmungen aus Odesa – der Heldenstadt.

2. März 2022

Heute haben russische Flugzeuge den Flughafen von Odessa angegriffen, und ihre Schiffe sind auf dem Weg zu unserer Küste. Unsere Truppen sind bereit, die Gäste zu empfangen. Es gibt Plakate und Graffiti mit dem bekannten Satz „Russisches Kriegsschiff, fick dich“. Ich hoffe, sie lesen und tun es.

Innenhof: Foto: Dmytro Kharytonov / Unsplash

Was das Zoom-Treffen betrifft, so arbeite ich jetzt bis sieben Uhr abends, manchmal auch später, bis zehn. Home Office bei geringer Konzentration erfordert mehr Zeit. Aber wenn ich weiß, dass ich einen freien Abend habe, sage ich dir gerne Bescheid. Ich würde mich freuen, dich auf Zoom zu sehen.

1. März 2022

Ein Militärstützpunkt in der Nähe von Odesa wurde nachts angegriffen. Ich habe gehört, dass jemand getötet wurde. Auch Kleinstädte in der Nähe werden angegriffen. Ich glaube, ich höre jetzt Explosionen. Es schneit hier. Ich hoffe, dass dies den Angreifern Schwierigkeiten bereiten wird.

Ich bin sehr froh, dass du uns in diesen Zeiten unterstützst. Manchmal scheint es, als hätten uns alle im Stich gelassen, als wären wir ganz allein in diesem Krieg, aber eure Unterstützung gibt uns Kraft und hilft uns, zu überleben. Der Feind will, dass wir Angst haben, in Panik geraten und aufgeben, aber diesen Gefallen werden wir ihm nicht tun.

Richtung Leman. Foto: Julia Rekamie / Unsplash

In Kyjiw ist es etwas ruhiger geworden, aber gestern Abend war der Beschuss schrecklich. Das Hauptziel ist jetzt Charkiw – dort werden Wohngebiete zerstört, es gibt viele Verletzte und Tote. In Odesa gibt es seit zwei Tagen Sturm und starken Wind…

Wenn du Telegram hast, kannst du auch diesen Kanal benutzen, es ist die offizielle Quelle: https://t.me/UkraineNowGerman

Später am Abend

Oh Gott, ich habe gerade angefangen, zu weinen. Ich war überrascht, dich und Kamil auf Instagram zu sehen. Entschuldige die Störung. Ich möchte mich auch dafür entschuldigen, wenn ich einige Infos von dir überspringe.

Es ist schwierig, sich auf etwas zu konzentrieren, genug Aufmerksamkeit zu schenken. Ich vermute, das liegt an der Informationsflut. Es fühlt sich so an, als hätten wir Long Covid, wenn die Leute kleine Dinge vergessen, wie „Was mache ich gerade?“ oder “ Hab ich überhaupt gefrühstückt?“

28. Februar 2022

Wir hatten gestern und heute Morgen mehrere Angriffe. Soweit ich weiß, war unsere Armee in allen Fällen erfolgreich. Es scheint, dass sich einige unserer Politiker heute mit den Russen zu Verhandlungen treffen werden. Einige von uns wollen sie, weil sie den Krieg beenden könnten, aber einige haben auch Angst, dass Städte wie Odesa oder Charkiw an Russland „verkauft“ werden könnten. Wir glauben immer noch an unsere Armee und an Präsident Zelensky.

Meine Mutter hat am Samstag gearbeitet und ihre nächste Schicht wird am Mittwoch sein, aber heute habe ich schon den Medikamentenaufruf für ihr Krankenhaus gesehen. Jetzt bleibt sie zu Hause bei meinem Vater und meiner Großmutter. Ich weiß, dass ihr Krankenhaus ziemlich gut befestigt ist und einen gut zugänglichen Bunker hat. Natürlich lassen sie alle nach Hause gehen, aber Kinder werden halt jederzeit geboren.

Atmosphärisches. Fotos: Mak Flex (l.) und Juliana Tanchak (r.) / Unsplash

Alle Krankenhäuser sind jetzt in höchster Alarmbereitschaft. Fast überall gibt es ausreichende Blutreserven. Aber bei den Medikamenten kann es zu Engpässen kommen. Einige Spenden werden von den Krankenhäusern gesammelt, andere direkt an die Soldaten geschickt, weil noch Winter ist. Die Soldaten, die gezwungen sind, die Nacht im Feld oder in Autos zu verbringen, erkälten sich.

Gestern hat unser Gesundheitsminister einen Appell an ausländische Ärzte veröffentlicht, in dem er sie dazu auffordert, zu kommen und uns zu helfen.

Das Militärkrankenhaus von Odesa ist das größte und am besten ausgestattete im Süden der Ukraine. Seit Beginn des Krieges (vor 8 Jahren) hat es die meisten Schwerverwundeten aufgenommen. Obwohl es in Odesa keine aktiven Kampfhandlungen mehr gibt, retten unsere Ärzte jetzt die Verwundeten aus anderen Gebieten. Natürlich ist alles viel schwieriger als zu Beginn des Krieges, als die Verwundeten per Flugzeug transportiert wurden. Alle Flugzeuge sind jetzt verboten und Autos werden oft beschossen, auch Krankenwagen. Aber die Soldaten, die nach Odesa gebracht werden, erhalten von unseren Ärzten angemessene Hilfe und von den Freiwilligen vor Ort Kleidung, Lebensmittel und Medikamente.

Derzeit zielen die Kämpfe in Odesa vor allem darauf ab, Saboteure und Fallschirmjäger zu fangen und russische Flugzeuge abzuschießen. Es ist beängstigend, zu optimistisch zu sein, aber unser Luftabwehrsystem schlägt sich sehr gut. Natürlich werden wir später eine weitere große Aufgabe haben, das Meer von diesem Schrott zu säubern.

Stadtmitte. Foto: Ddddddarya / Unsplash

27. Februar 2022

Hallo! Die Nacht in Odesa war ruhig, aber in Kyjiw ist immer noch die Hölle los. Vielen Dank für die Info! Ich möchte immer noch in Odesa bleiben, aber das kann sich natürlich ändern. Aber nochmals vielen Dank für die Unterstützung!

26. Februar 2022

Morgens
m Moment stehe ich Schlange, um Blut zu spenden. Gestern haben hier fast 400 Leute gespendet. Diese Nacht war auch ruhig, nur ein Angriff um fast 6 Uhr morgens. Die Hauptkämpfe sind immer noch in Kyjiw. Vielen Dank für deine Unterstützung!

Später am Tag
Es gab einen Angriffsversuch auf Odesa, wir mussten beim Blutspenden in den Bunker. Zum Glück hatte das Krankenhaus einen guten Schutzraum, in dem genug Platz für alle war, und die Ärzte arbeiteten professionell, um allen zu helfen, die Hilfe brauchen.

Wir hörten, dass das Blutspendezentrum in Charkiw angegriffen wurde, und dass dort sogar Menschen starben. Nicht, dass mich die Verletzung der Genfer Konvention überrascht hätte, aber dass die Russen Krankenhäuser und Waisenhäuser angreifen, zeigt, dass diese Armee ihr Gewissen völlig verloren hat.

Küste. Foto: levi / Unsplash

Es gibt Probleme mit dem Verkehr, mit Apotheken und Supermärkten, aber ich weiß, dass es in Kyjiw noch viel schlimmer ist. Sie dürfen von 17 Uhr bis Montagmorgen nicht nach draußen gehen. Hier ist die Ausgangssperre von 19 bis 6 Uhr morgens. Die Menschen in Kijiw können zu Hause oder an einem sicheren Ort bleiben.

Sie können zu Hause oder an einem anderen sicheren Ort bleiben, wenn es einen Bunker gibt, können sie dort bleiben, aber sie haben dort sicherlich nicht genug Platz für alle Menschen.Die Regierung hat gesagt, dass jeder, der trotz Ausgangssperre das Haus verlässt, als Saboteur betrachtet wird. Man darf das Haus nur verlassen, um im Falle eines Luftalarms in den nächsten Schutzraum zu gehen. Das Mitführen von Ausweispapieren ist obligatorisch. Auch einige andere Personen haben Genehmigungen wie Polizei, Soldaten etc.

Reaktion auf ein Foto von der Ukraine-Demo am Stachus
Oh mein Gott, das ist der Ort, an dem ich mein allererstes Foto von München gemacht habe. Ich hoffe, ich sehe es wieder. Hoffe, dich wieder zu sehen und zu umarmen

25. Februar 2022

Hallo! Es tut mir wirklich leid, dass ich so spät antworte. Ich habe versucht, eine Klinik zu erreichen, um Blut für unsere Soldaten zu spenden. Es gab eine riesige Schlange, was natürlich gut ist. Das bedeutet, dass die Menschen in Odesa nicht bereit sind, aufzugeben, egal was passiert. Die Nacht war ruhig, in Kyjiw gibt es jetzt große Kämpfe, aber wir sind auf alles vorbereitet.

Passage. Foto: Anni Lonko / Unsplash

Die Bunker hier sind klein, die meisten sind geschlossen oder beschädigt, also werde ich mich bei mir zu Hause verstecken. Vielleicht werde ich zu meinen Eltern ziehen, wenn die Situation wirklich schwierig wird. Aber derzeit kann ich in meiner Wohnung bleiben, und ich habe einige Freunde, die in meiner Nähe wohnen, um sich gemeinsam zu verstecken und sich gegenseitig zu unterstützen.

Leider habe ich heute nicht gespendet, aber ich werde morgen früh wiederkommen. Viele Leute hier schließen sich der zivilen Territorialverteidigung an – wir nennen sie ‚Teroborona‘ , die Gebietswächter. Vielleicht schließe ich mich ihnen auch bald an.

24. Februar 2022

Der russische Angriff beginnt. Wie ich geschrieben habe, war es gestern noch ruhig. Heute Morgen hat der Krieg begonnen. Wir hören Explosionen, wir sehen Soldaten auf der Straße, das Internet und die mobile Kommunikation funktionieren schlecht, die Region Odesa wurde angegriffen. Wir bleiben ruhig, verstecken uns in den Häusern, ich werde remote arbeiten. Aber es ist wirklich beängstigend hier.

Odesa bei Nacht. Foto: Geio Tischler / Unsplash

Was den Pride betrifft: Im Jahr 2020 gab es einen Angriff und Opfer unter den Demonstrierenden. Im Jahr 2021 hat die Polizei den Angriff abgewehrt und die Rechtsradikalen haben ausschließlich mit der Polizei gekämpft.

Wir hören die Bomben, jetzt greifen sie militärische Einrichtungen, Flughäfen, Lagerhäuser usw. an. Aber auch die Häuser in der Nähe sind betroffen. Der erste Angriff vom Meer aus war für die Angreifer erfolglos.

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