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Jubiläum: Stadt München unterstützt KyivPride zum fünften Mal!

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Trotz des eingeschlagenen EU-Kurses wachsen Homo- und Transphobie in der Ukraine. Im Kampf um Menschenrechte will die Kyiwer Community deshalb auch in diesem Jahr wieder für gleiche Rechte auf die Straße gehen. Die Partnerstadt München unterstützt sie dabei. Vom 6. bis 13. Juni lädt das International Forum KyivPride 2016 die gesamte LSBTI-Community des Landes nach Kyiw ein. Eine Woche lang gibt es politische, kulturelle und fachwissenschaftliche Veranstaltungen. Für Sonntag, den 12. Juni, ist die große, öffentliche Demonstration geplant. Die Landeshauptstadt erklärt sich solidarisch.

Stadträtin Lydia Dietrich (Bündnis 90/Die Grünen) fährt mit nach Kiew – und zwar einmal mehr in Vertretung von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). „Nach fünf Jahren großen Engagements seitens unserer Kyiwer Freundinnen und Freunde und der Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer erhoffe ich bei meiner nun fünften Teilnahme am Marsch der Gleichheit in Kiew einen friedlichen und menschenrechtswürdigen Verlauf. Ich erwarte zudem endlich eine deutliche Positionierung der Stadtspitze in Kyiw, die sich bisher ignorant bis ablehnend gegenüber LSBTI-Menschenrechtsaktivist*innen in ihrer Stadt verhalten hat.“
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Tatsächlich könnte in diesem Jahr vieles anders werden, denn die Stadtverwaltung in Kyiw verhält sich kooperativer als sonst. Die Organisierenden möchten ihren Marsch im offenen Format abhalten, sodass jede und jeder einfach dazukommen kann, ohne sich vorher zu registrieren. Die Polizei sollte die Veranstaltung dennoch von allen Seiten her schützen, und auch Zu- und Abgänge kontrollieren. Soweit die Idee.

Den Marsch der Gleichheit stellen die Veranstaltenden 2016 unter das Motto Sicherheit („Безпека людини – розвиток країни“, etwa: „Die Sicherheit der Menschen dient der Entwicklung des Landes“). Das Leben eines Menschen zu schützen, seine Gesundheit und Würde zu wahren, sei das wichtigste Gut der Verfassung. „In der Ukraine aber herrscht Krieg“, sagt Stanislav Mishchenko, der für den KyivPride spricht. „Und unsere Staatsautoritäten erlauben sich, ihre Pflicht zu vernachlässigen. In unserer Gesellschaft wird Gewalt verherrlicht, die Positionen radikalisieren und verhärten sich, wir werden manipuliert. In dieser Atmosphäre der Angst wollen wir ein Zeichen setzen. Denn keine Gruppe hat das Recht, ihre Interessen über Menschenrechte zu setzen und unsere Demokratie durch aggressives Verhalten zu beschädigen.“ Im vergangenen Jahr ist genau das passiert. Eine Gruppe Rechtsradikaler hat den Marsch der Gleichheit, an dem neben Lydia Dietrich auch viele Aktivistinnen und Aktivisten aus München teilgenommen haben, im Juni 2015 mit Messern, Schraubenziehern und präparierten Feuerwerkskörpern attackiert. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, zum Teil schwer.
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Die Veranstalterinnen und Veranstalter des KyivPride haben vom 6. bis inklusive 13. Juni ein umfangreiches Rahmenprogramm (Pride Week) für die LSBTI-Community organisiert mit Workshops für Aktivist*innen, Empfängen, mit Debatten, Filmen und Partys, zu der auch die Münchner Delegation ihren Teil beiträgt. Sie bringt zwei Ausstellungen nach Kiew mit – und zwar Martina Schradis Comicserie „Ach, so ist das?!“, die in humorvoller Weise das Leben und die Alltagsprobleme von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen schildert. Außerdem präsentieren die deutschen Gäste die Fotoausstellung „Suburbia, me!“ von Ivan Kisil über das Dasein eines ungeouteten schwulen Lehrers in der Kyiwer Vorstadt.

Die Filmemacher Lorenz Kloska und Alexander Vinogradov zeigen in Kyiw ihren Dokumentarfilm „Rein ins Leben“, der das Leben von Lesben, Schwulen und Transgender in der Ukraine zeigt. Er hatte in München bereits Premiere. Und schließlich präsentieren wir in Kyiw erstmals auch die Online-Videokampagne „Parallelen – LSBTI-Aktivismus in Kyiw und München“, die die Berliner Menschenrechtsaktivistin Ania Shapiro auf- und umgesetzt hat. Sie stellt das Wirken von Pionieren der Lesben- und Schwulenbewegung in München der Arbeit von Aktivist*innen in Kyiw heute gegenüber, um zu zeigen, dass sich der Kampf für eine bessere Zukunft lohnt. Die Deutsche Botschaft richtet in diesem Jahr den Empfang zur Eröffnung der Pride Week aus.

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Die ukrainische LSBTI-Community setzt ihren Kampf trotz der erschwerten politischen Bedingungen im Land fort. Jahrzehnte lang hat der Staat die sexuellen Minderheiten im Land ignoriert, sogar versucht, wie in Russland ihre „Propaganda“ gesetzlich zu unterbinden. In jüngster Zeit entdeckt die Regierung ihr Herz für Lesben, Schwule und Transgender. Das Parlament hat auf Initiative der Regierungskoalition Ende 2015 einen Diskriminierungsschutz für sexuelle Minderheiten am Arbeitsplatz gesetzlich verankert. Menschenrechtsaktivist*innen werten dies als Wendepunkt in der traditionell homophoben Politik des ehemaligen Sowjetstaates. Bis 2020, so sieht es ein Aktionsplan der Regierung vor, sollen in der Ukraine sogar gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften eingeführt werden.

Doch darf nicht vergessen werden, dass diese LSBTI-freundliche Politik vor allem pragmatische Gründe hat. Zum einen macht die Europäische Union Druck, von der sich die Ukraine finanzielle Hilfen, visafreies Reisen und im Zuge der Assoziierung eine weitere Annäherung erhofft. Zum anderen will sich die Regierung in Kiew von Russland abgrenzen, das Teile des Landes besetzt hat. In der Bevölkerung allerdings verfängt die neue Politik nicht, Homo- und Transphobie nehmen zu, wie Studien zeigen.

Trotz EU-Kurs: Homo- und Transphobie in der Ukraine wachsen

Jahrzehnte lang hat der ukrainische Staat die sexuellen Minderheiten im Land ignoriert, sogar versucht, wie in Russland ihre „Propaganda“ gesetzlich zu unterbinden, auch wenn das unter dem zunehmenden Druck einer agilen LGBT*-Community in den vergangenen Jahren gescheitert ist. In jüngster Zeit entdeckt die Regierung ihr Herz für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender. Präsident Petro Poroschenko wird zum Fürsprecher in erster Reihe. Das Parlament hat auf Initiative der Regierungskoalition Ende 2015 einen Diskriminierungsschutz für sexuelle Minderheiten am Arbeitsplatz gesetzlich verankert. Menschenrechtsaktivist*innen werten dies als Wendepunkt in der traditionell homophoben Politik des ehemaligen Sowjetstaates. Bis 2020, so sieht es ein Aktionsplan der Regierung vor, sollen in der Ukraine sogar gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften eingeführt werden. Doch darf nicht vergessen werden, dass diese LGBT-freundliche Politik vor allem pragmatische Gründe hat. Zum einen macht die Europäische Union Druck, von der sich die Ukraine finanzielle Hilfen, visafreies Reisen und im Zuge der Assoziierung eine weitere Annäherung erhofft. Zum anderen will sich die Regierung in Kiew von Russland abgrenzen, das Teile des Landes besetzt hat. In der Bevölkerung allerdings verfängt die neue Politik nicht, Homo- und Transphobie nehmen zu. Rechtsradikale gehen offensiv gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender vor.

Einleitung

Die Abstimmung trug Züge eines Kulturkampfes. Immer wieder musste Parlamentssprecher Volodymyr Hroysman die Abgeordneten zur Disziplin aufrufen, bis schließlich – nach vier Runden und über mehrere Tage – eine knappe Mehrheit in der Verchowna Rada für die Vorlage der Regierung stimmte. So fügten die Parlamentarier am 12. November 2015 dem Arbeitsgesetz (no. 3442) einen Passus hinzu, nach dem nun künftig auch Menschen am Arbeitsplatz vor Diskriminierung geschützt werden, die sich einer bestimmten sexuellen Orientierung oder Gender-Identität verbunden fühlen. Im Vorfeld hatte Hroysman die traditionellen Familienwerte beschworen. „Das ukrainische Parlament wird niemals gleichgeschlechtliche Ehen unterstützen. Gott bewahre“, sagte er vor der Rada. Jetzt aber gehe es um visafreies Reisen in die Europäische Union. So hat er den Zusatz im Gesetz schließlich durchgesetzt.

Auf dem Weg der Ukraine zu einem visafreien Reiseregime hat das Land schon viele Reformvorhaben umgesetzt, der Diskriminierungsschutz sexueller Minderheiten am Arbeitsplatz war nur eines davon, wenn auch das umstrittenste. Dass sich das Parlament dazu durchringen konnte, grenzt an ein Wunder. Die Demonstrantinnen und Demonstranten vor der Verchowna Rada, neben den LGBT- auch zahlreiche Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, brachen in Jubel aus. Stundenlang hatten sie an diesem Tag im November vor dem Parlament im Regen ausgeharrt.

Das neue Antidiskriminierungsgesetz soll im Job für eine Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer sorgen, unabhängig von Religion, Hautfarbe, politischer Überzeugung und jetzt auch – sexueller Orientierung/Gender-Identität. Arbeitgeber, die dagegen verstoßen, müssen mit Sanktionen rechnen.

Beobachter werten das Gesetz als historischen Wendepunkt. Nie zuvor in der noch jungen Geschichte der unabhängigen Ukraine hat sich das Land in seinen Gesetzen explizit zur Existenz von LGBT und deren Rechten bekannt, seit im Jahr 1991 der einvernehmliche Sex unter Männern legalisiert wurde – übrigens in der Ukraine als erstem Land der ehemaligen Sowjetunion. Und das könnte nun ein Neuanfang sein. Die offizielle Politik des Landes gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender hat sich seit der Revolution der Würde vor zwei Jahren, dem Maidan, radikal verändert – allerdings nur auf den ersten Blick. Denn die Menschen in der Ukraine stehen der gleichgeschlechtlichen Liebe feindselig gegenüber.

Blick durch die rosa Brille?

Im Aktionsplan der Regierung zur Umsetzung der nationalen Menschenrechtsstrategie bis 2020 vom 23. November 2015 stellt die Ukraine den sexuellen Minderheiten im Land weitreichende Rechte in Aussicht, etwa

  • den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung / Gender-Identität in allen Aspekten des Lebens, die das Gesetz regelt,
  • eine eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare,
  • eine neue Gesetzgebung für Transgender, die ihr Geschlecht anpassen wollen,
  • eine Berücksichtigung von Hassmotiven als erschwerende Umstände im Strafgesetzbuch und
  • ein Ende des Adoptionsverbots für Transgender.

Freilich ist der Aktionsplan lediglich ein Plan. Die Regierung muss die entsprechenden Gesetzesentwürfe ins Parlament einbringen. In der Volksvertretung, wie sie jetzt besteht, dürften die Vorlagen keine Chance haben. LGBT-Aktivist*innen rechnen sich aber für die nächste Legislaturperiode durchaus Möglichkeiten aus, wenn noch mehr Politikerinnen und Politiker einer neuen Generation die alten, von Oligarcheninteressen geleiteten Abgeordneten ablösen sollten.

Eine dunkle Historie

Wie radikal sich die Politik der Ukraine gegenüber ihren sexuellen Minderheiten verändert hat, macht erst der Vergleich mit der Vergangenheit deutlich. Die Errungenschaften des vergangenen Jahres – die Ergänzung des bestehenden Arbeitsrechts und der Aktionsplan für Menschenrechte bis 2020 – folgen auf eine Zeit mit Parlamentsinitiativen, die völlig gegensätzliche Ziele verfolgten. So sollte noch 2012 nach russischem Vorbild ein Anti-Gay-Propagandagesetz eingeführt werden. Das ist wenige Jahre her, dazwischen lagen Wahlen, vor allem aber eine Revolution.

Damals hatten alle Parteien, ob in Regierungsverantwortung oder in der Opposition, für ein Gesetz gegen so genannte Gay-Propaganda (no. 8711; ab 12.12.2012 no. 0945, ergänzt durch das Gesetz no. 1155) gestimmt. Der Entwurf sah ein Verbot jedweder positiver Information über Homosexualität vor, sei es in der Öffentlichkeit oder in den Medien, und sollte ein Zuwiderhandeln mit bis zu fünf Jahren Haft bestrafen. In Russland ist ein ähnliches Gesetz in Kraft; es führt zu einer staatlicherseits geförderten Homo- und Transphobie und es gilt auch auf der annektierten Krim. In den Gebieten der so genannten Volksrepubliken im Osten der Ukraine ist Homosexualität sogar wieder verboten.

Eine homo- und transphobe Ukraine

Die Gesellschaft selbst hat die „Europäisierung“ auf staatlicher Ebene bislang wenig verändert – das Gegenteil ist der Fall. Bis heute könnte sich eine Politik wie oben beschrieben auf eine in der Bevölkerung weit verbreitete Ablehnung gegenüber LGBT stützen. Denn die ukrainische Gesellschaft war und ist – wie viele postsowjetische Länder – zutiefst lesben-, schwulen- und transfeindlich. Aktuellen Umfragen der LGBT-Organisation Nash Mir zufolge, die sie anlässlich der Konferenz „LGBT Issues and the European Integration of Ukraine“ am 15. und 16. März dieses Jahres in Kiew erhoben hat, sind die Menschen in der Ukraine nicht bereit, ihren Mitbürger*innen die gleichen Rechte zuzugestehen, wenn sie lesbisch, schwul, bisexuell oder transident sind. Nur 33,4 Prozent sagen, das sei nötig. 2002 waren es noch 43 Prozent. 69 Prozent sind außerdem dagegen, eine Homo-Ehe einzuführen. 2002 waren es nur 54 Prozent.

Homosexualität gilt vielen nach wie vor als Krankheit, Perversion, als westliche Mode. In einer von Wirtschaftskrisen, Krieg und Propaganda gezeichneten Gesellschaft erscheinen LGBT-Rechte wie ein Luxus, den sich das Land nicht leisten kann und will. Die Gesellschaft wirkt zunehmend polarisiert: Die einen streiten für vermeintlich liberale, europäische Werte, die anderen für traditionelle, ukrainische, ohne genau zu wissen, was das eigentlich bedeutet. Eine Diskussion um Menschen- und Bürgerrechte für alle findet nicht statt. Dabei hat sich der Maidan ja vor allem auf sie als Grundlage einer neuen Ukraine berufen. Vielleicht steht dahinter auch ein Generationenproblem: Immerhin kann sich heute zumindest jeder zweite junge Mensch in der Ukraine zwischen 14 und 35 Jahren schon vorstellen, Tür an Tür mit einem Homosexuellen zu leben („Youth of Ukraine – 2015“, GfK Ukraine) – freilich lehnt das die andere Hälfte ab.

Wie ist das zu erklären? Wo doch viele der etablierten Politiker*innen – mit Ausnahme der Rechtsradikalen vom Rechten Sektor und Svoboda – heute differenziertere Sichtweisen auf das Thema einnehmen. Auch die Medien berichten inzwischen neutral, wie die Studie „The Ice is broken“ von Nash Mir zur Situation von LGBT in der Ukraine 2015 zeigt.

Tatsächlich hat sich die Einstellung der politischen Klasse über Nacht nicht nachhaltig verändert. Sie handelt – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen – aus Kalkül. Die Ukraine hat sich nach der Revolution der Würde einem Westkurs verschrieben und kann nicht, wie noch vor dem Maidan, zwischen Russland und dem Westen hin- und herlavieren. Von der EU erwarten die Regierenden Finanz- und Wirtschaftshilfe, Visafreiheit, eine Perspektive für einen zukünftigen Beitritt. Die Union kann ihre Bedingungen diktieren. Russland und die russisches Welt stellen auf absehbare Zeit keine Alternative dar. Außer dem Präsidenten des Landes, Petro Poroshenko, der die Ukraine dezidiert gegen ein Europa Putin’schen Zuschnitts positioniert, machen sich nur wenige Politikerinnen und Politiker explizit für LGBT stark. Ausnahmen sind etwa Svetlana Zalishchuk und Serhiy Leschenko, beide Abgeordnete des Blocks Poroshenko, die 2015 beim KyivPride mitgelaufen sind. Die Politik verurteilt die Gewalt rechtsradikaler Gruppen gegen sexuelle Minderheiten nicht und lässt die Rechten gewähren. Denn, so ihr Argument, als Patrioten kämpften sie an der Front, Lesben und Schwule täten das nicht. Die Behauptung ist zwar falsch, sie beweist aber, wie tief die Vorurteile sitzen. Den Schutz der eigenen Bevölkerung überlässt der Staat damit der Europäischen Union, die für Diskriminierungsschutz eintritt. Ihre Forderungen gilt es zu erfüllen, wohl oder übel.

Ein großes Problem sind die Kirchen aller Konfessionen. Sie fürchten um Moral, traditionelle Familienwerte und die ukrainische Identität, sobald es um LGBT-Rechte geht. Die Kirchen sind sehr einflussreich in ihren Hassreden, ihrer Ablehnung und ihren Vorurteilen gegenüber Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender. Sie haben in den vergangenen Jahren stets gegen einen Diskriminierungsschutz gekämpft. Auch eine eingetragene Lebenspartnerschaft lehnen sie ab.

Ohne die EU keine Bewegung

Es ist deshalb aus Sicht vieler LGBT-Aktivist*innen auch in Zukunft entscheidend, dass die Europäische Union die Ukraine nicht aufgibt. „Ohne Europa keine LGBT-Bewegung“, sagt etwa Bogdan Globa, einer der profiliertesten LGBT-Aktivisten des Landes. Er hat sich 2013 als erster Homosexueller vor dem ukrainischen Parlament geoutet. Globa leitet die LGBT-Organisation Fulcrum/Tochka Opori in Kiew, der mit Tergo auch eine Elterninitiative angehört. (Doch steht das Engagement der EU nun in Frage, da die Niederländer im Referendum vom 6. April eine engere Assoziierung ihres Landes mit der Ukraine abgelehnt haben.)

Allerdings darf man die Rolle der Zivilgesellschaft nicht unterschätzen. Den Menschenrechts- und LGBT-Organisationen ist es zu verdanken, dass die Regierung den genannten Aktionsplan für Menschenrechte in der dargestellten Form verabschiedet hat. Hinter der ukrainischen LGBT-Bewegung steht eine gut organisierte, hochmotivierte Community, die für ihre Rechte einsteht. Allein in Kiew gibt es acht große LGBT-Organisationen, in den Regionen kommen weitere hinzu: An ihnen kommt die Politik nicht vorbei, zumal sie mit anderen Menschenrechtsorganisationen auf nationaler wie internationaler Ebene bestens vernetzt sind.

Die Community hat in den vergangenen Jahren mit spektakulären Events im ganzen Land auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht und für Diskussionen in ihrem Sinne gesorgt. Seit dem Maidan ist sie noch sichtbarer geworden, sie treibt den politische Diskurs, weil sie verstanden hat, LGBT-Rechte in den Kontext allgemeiner Menschenrechtsarbeit zu setzen. Zu ihrem größten Erfolg zählte 2015 der KyivPride in Kiew. Am „Marsch der Gleichheit“ in Kiew, einer Demonstration für gleiche Rechte für alle, nahmen in der ukrainischen Hauptstadt am 6. Juni 2015 Hunderte Menschen teil. Es war der erste Pride nach dem Sturz des Yanukovych-Regimes, unter dem noch 2013 ein allererster Marsch stattgefunden hatte. Die Polizei wollte den KyivPride 2015 erst schützen, als sich der Präsident des Landes, Petro Poroshenko, vor die Veranstaltenden stellte. Eine Reporterin fragte ihn am Rande einer Pressekonferenz, ob er beim „Marsch der Gleichheit“ mitlaufen werde. Poroshenko antwortete: „Ich betrachte den Marsch der Gleichheit als ein christlicher und ein europäischer Präsident. Beide Dinge sind kompatibel. Ich nehme nicht teil, aber ich sehe keinen Grund ihn in Frage zu stellen, denn es ist das verfassungsmäßige Recht jedes ukrainischen Bürgers.“ Die Polizei hat dieses verfassungsmäßige Recht dann auch gegen Angreifer verteidigt. Rechtsradikale haben den Marsch attackiert. Im Nachgang sind viele verletzt worden, darunter auch Polizisten, einer von ihnen schwer.

Nie zuvor in der Geschichte des Landes hat sich ein ukrainischer Präsident derart dezidiert für LGBT-Rechte ausgesprochen. Auf der Sicherheitskonferenz in München im Februar 2016 legte Poroshenko noch einmal nach und forderte die Europäer auf, sich geeint gegen Russland zu stellen, das für ein Europa unter anderem der Homophobie stehe. Der Schutz sexueller Minderheiten wird damit zu einer Art Staatsräson im Sinne europäischer Werte, für die es sich zu kämpfen lohnt. Die LGBT-Community hat die Äußerungen Poroshenkos dankbar aufgenommen und wird ihren Präsidenten daran messen, solange der im Amt ist.

Daneben hat sich die Community wie folgt hervorgetan:

  • Im April 2015 hat die Elterninitiative Tergo von Fulcrum/Tochka Opori, in der sich Mütter für die Rechte ihrer homosexuellen Kinder einsetzen, im Hotel Ukraina in Kiew eine internationale Konferenz organisiert, die ohne größere Sicherheitsvorkehrungen auskam. Vertreterinnen und Vertreter aus zehn Ländern waren angereist. Es war die erste ihrer Art.
  • In Odessa fand im August 2015 erstmals ein OdesaPride statt, organisiert von der Gay Alliance Ukraine. Die Gay Alliance Ukraine ist die größte LGBT-Organisation des Landes. In Odessa betreibt sie wie in sechs weiteren ukrainischen Städten seit zwei Jahren ein Queer Home, eine Art Kultur- und Kommunikationszentrum für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender. Die Stadt hat den „Marsch für Gleichheit“ und sämtliche Veranstaltungen rund um die geplante Demonstration allerdings von einem Gericht verbieten lassen, nachdem rechte Gruppen und die Kirche gegen den Pride mobil gemacht hatten. Die Aktivistinnen und Aktivisten haben stattdessen mit kreativen Flashmobs auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Das Queer Home der Gay Alliance Ukraine haben in der Woche des OdesaPride Rechtsradikale von Svoboda angegriffen.
  • Im September 2015 hat die LGBT-Organisation LIGA in Mykolaiv die „Days of Equality and Pride“ organisiert, „Tage der Gleichheit und des Stolzes“, die – ähnlich wie die Pride Week in Kiew und Odessa – mit kulturellen, gesellschaftlichen und Sport-Events Gäste anziehen sollte.
  • Im Sommer und Herbst hat die LGBT-Organisation Gender Z aus Zaporizhzhya eine Billboard-kampagne lanciert, die um Toleranz für LGBT warb („Liebe siegt über Hass“). In den vergangenen Jahren hat auch die Gay Alliance Ukraine immer wieder recht erfolgreich Plakatkampagnen im ganzen Land eingesetzt, zum Beispiel um Toleranz und eine diskriminierungsfreie Sprache („Sag gay, nicht Schwuchtel“) zu fördern.
  • Im Oktober 2015 lud die Organisation Insight (LGBT, Transgender) rund um die bekannte LGBT-Aktivistin Olena Shevchenko zur internationalen Konferenz „Transgender im sozialen und medizinischen Kontext“. Nie zuvor hat es eine solche gegeben. Im Dezember folgte das „Equality Festival“ in Kiew mit vielen Kultur-Events, das ebenfalls Insight verantwortet. Insight ist es auch, die sich in der Ukraine als LGBT-Organisation um die Binnenflüchtlinge aus den besetzten Gebieten auf der Krim und im Donbas kümmert. Sie betreibt eigene LGBT-Unterkünfte. Zusammen mit der Trans-Organisation T-ema aus Kiew kämpft Insight auch dafür, im parlamentarischen Prozess eine Verbesserung der gesetzlichen Lage, der medizinischen Versorgung und das Adoptionsrecht für Transgender in der Ukraine zu erreichen.

Gefahr durch radikale Kräfte

Das alles zeigt, wie wendig und ausdifferenziert die ukrainische LGBT-Community inzwischen ist, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, in welch schwierigem Umfeld ihre Organisationen und Gruppen arbeiten. Zunächst einmal ziehen sich internationale Geldgeber aus der HIV-Prävention im Land zurück, wie der Global Fund. Dieses Geld fehlt den LGBT-Organisationen, die ihre Mittel nun fallweise besorgen müssen, wenn es um konkrete Projekte geht. Hier sind vor allem die EU-Botschaften in Kiew oder auch die Swedish International Development Agency SIDA gefragte Partner. So finanzierten 2015 beispielsweise die norwegische Botschaft und SIDA über die Gay Alliance Ukraine indirekt den KyivPride mit.

Ein weiteres Problem ist die Mobilisierung. Die meisten LGBT-Aktivist*innen leben vom Geld, das sie bei internationalen Gebern beschaffen. Das Ehrenamt setzt sich erst langsam durch. Langfristige gesellschaftliche Veränderungen aber kann nicht Berufsaktivist*innen überlassen werden, sondern ist eine Sache der Grassroot-Bewegung. Die Gay Alliance Ukraine hat das erkannt und schult zusammen mit ihren Partnern in München – Kiew und München sind Partnerstädte – seit einiger Zeit gezielt Ehrenamtliche für den Job in der Ukraine am Beispiel der Szene in der bayerischen Landeshauptstadt. In Deutschland tragen ja vor allem Ehrenamtliche die Community-Arbeit.

Und schließlich ist LGBT-Aktivismus in der Ukraine nach wie kein ungefährlicher Job. Mag die Akzeptanz in den Medien in den vergangenen Jahren zugenommen haben, so sind radikale Minderheiten in der Ukraine bereit, offensiv und mit Gewalt gegen Einrichtungen der LGBT-Community sowie Einzelpersonen vorzugehen. Im Herbst 2014 haben Rechtsradikale das Kino Zhowten in Brand gesteckt, als dort im Rahmen des Filmfestivals Molodist ein französischer Film über Drag Queens lief. 2015 wurden neben dem KyivPride die Queer Homes in Odessa und Kryvyi Rih angegriffen sowie eine Bar in Odessa. Die Organisation Nash Mir in Kiew, die sich auch als Dokumentationsstelle einen Namen gemacht hat, zählt für 2015 genau 71 Diskriminierungsfälle und Hassverbrechen auf, die aufgrund von Homo- oder Transphobie geschehen. Im Vorjahr waren es 54. Darunter sind immer auch Morde. Über die einschlägigen Dating-Portale werden vor allem schwule Männer in Fallen gelockt, überfallen, verprügelt, nicht selten umgebracht. Die Polizei interessiert sich nicht für diese Fälle.

Im März dieses Jahr konnte in Lviv aufgrund von Protesten Rechtsradikaler das von Insight geplante „Equality Festival“ nicht stattfinden, das derzeit durch die Ukraine tourt. Nach einer Bombendrohung am Austragungsort brachen die Veranstaltenden das Event ab. Vor dem Hotel bewarfen Protestierende die etwa 70 Teilnehmer*innen mit Rauchgranaten, Steinen, Feuerwerkskörpern und grüner Farbe. Die Stadt und die Polizei weigerten sich, für die Sicherheit der Teilnehmer*innen zu garantieren. Lvivs Bürgermeister Andriy Sadovy sitzt der europafreundlichen Partei Samopomich vor, die bis vor Kurzem der Regierungskoalition in Kyiw angehörte.

Es ist deshalb kein Wunder, dass trotz aller auch positiver Entwicklungen viele LGBT-Aktivist*innen der älteren Generation ausgewandert sind, die explizit Bedrohungen ausgesetzt waren. Bekanntestes Beispiel war 2015 sicher Taras Karasiichuk, Ex-Chef der Gay Alliance Ukraine, der sich im Sommer nach New York absetzte, um dort politisches Asyl zu beantragen. Er war Opfer von Überfällen und Morddrohungen. Mit ihm verließ einer der profiliertesten LGBT-Aktivisten der Ukraine das Land. Karasiichuk war es, der 2012 die Pride-Bewegung überhaupt erst ins Leben gerufen hat. Seit 2015 führt Volodymyr Naumenko die Gay Alliance Ukraine. Immerhin konnte sich die Bewegung so insgesamt erneuern. Menschen mit frischen Ideen stehen bereit und machen sich an die Arbeit.

Fazit und Ausblick

Der Kampf um die Rechte sexueller Minderheiten in der Ukraine bleibt auf absehbare Zeit schwierig. Erst wenn es gelingt, Frieden im Land zu schaffen und die nötigen Wirtschaftsreformen umzusetzen, dürfte für die Menschenrechtsarbeit ein günstigeres Umfeld entstehen. Dafür braucht die Ukraine idealerweise eine europäische Perspektive, die den Menschen Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die Härten des laufenden Reformkurses erträglich macht. Nur so werden die LGBT-Organisationen des Landes mehr Verständnis für ihre Belange erwarten können. Für die Community selbst sind Lobbying, Mobilisierung vor allem von Ehrenamtlichen, Dialog und Sichtbarkeit wichtig, idealerweise zusammen mit einer politischen Kraft wie dem Block Petro Poroshenko, der einzigen einigermaßen LGBT-freundlichen Partei im Parlament. Gemeinsam sollten sie versuchen, das Land aus der künstlichen Wertedebatte Europa versus Ukraine zu führen; beides widerspricht sich nicht. Die Ukraine gehört zu Europa, Menschen- und Bürgerrechte gelten für alle. Politik und Zivilgesellschaft müssen deutlich Stellung beziehen, wenn es um die Gewalt rechtsradikaler Kräfte im Land geht. So könnten in den kommenden zehn Jahren entscheidende Veränderungen erlangt werden, vergleichbar etwa mit den Entwicklungen, die die EU-Beitrittskandidaten Osteuropas erlebt haben, als sie 2004 zur Europäischen Union kamen. Ob das alles tatsächlich so kommt, ist fraglich, zumal es in der Ukraine am politischen Willen fehlt, das Land tiefgreifend zu verändern. Auch der Faktor Russland bleibt unkalkulierbar. Es wird von den Aktivist*innen und den ausländischen Partnern noch viel Geduld fordern, das Land auf seinem Weg nach Europa zu begleiten.

Über den Autoren:

Conrad Breyer koordiniert von München aus für die CSD München GmbH die Partnerschaft zwischen KyivPride und dem CSD München. Er ist außerdem Mitglied der Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer, die die Zusammenarbeit zwischen den LGBT-Communitys in Kiew und München koordiniert, und Pressereferent des Münchner Schwulenzentrums Sub. Hauptberuflich arbeitet Conrad Breyer als Redakteur und freier Journalist.

Lesetipps:

[Ukraine-Analysen 166]

MonGay präsentiert: Rein ins Leben!

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Das lesbischwule-Trans*-Kino im Atelier MonGay zeigt einen Dokumentarfilm von Lorenz Kloska und Sascha Vinogradov. Die Münchner Filmemacher erzählen vom Leben ukrainischer LGBT-Aktivist*innen inmitten von Krieg, Verfolgung und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Deutschlandpremiere hat der Film am 11. Januar 2016 um 21.15 Uhr im Arthousekino Atelier der City-Filmtheater in der Sonnenstraße 12. Die Filmemacher sind anwesend und stellen sich den Fragen des Publikums.

Für Lorenz Kloska ist „Rein ins Leben“ nicht nur ein Film; der Münchner Filmemacher kämpft seit vielen Jahren für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (englisch: LGBT) in Osteuropa. Für ihn ist die Dokumentation ein Mittel der Aufklärung. Die Ukraine hat es Kloska und seinem Filmpartner Vinogradov angetan, insbesondere seit sich vor zwei Jahren in der Hauptstadt Kiew der Maidan formierte. Nach der „Revolution der Würde“ wandte sich der ehemalige Sowjetstaat dem Westen zu. Auch die Lesben und Schwulen des Landes, die Bisexuellen und Transgender, hoffen seitdem auf eine Verbesserung ihrer Lage in einem Land, das im Osten Krieg führt und in dem Übergriffe gegen sexuelle Minderheiten zum Alltag gehören. Menschenrechtsorganisationen listen allein für das vergangene Jahr 112 Hassverbrechen auf, die sich speziell gegen Homosexuelle richten. Staat und Polizei schützen sie nicht.

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Kloska und Vinogradov haben 2014 schon einmal einen Dokumentarfilm über LGBT-Aktivist*innen der Ukraine gedreht. Wie schon „Raus aus dem Schatten“ (66 min., 2014) beschäftigt sich auch „Rein ins Leben“ mit dem Kampf der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender. Doch hat sich die Perspektive geändert: Bezog sich die erste Dokumentation auf die Situation der Protagonisten, steht der Titel des neuen Films für die Intention der Autoren. „Wir wollten unter anderem wissen, wie die LGBT-Community zum Krieg steht, ob sich in Sachen Homophobie im Alltag etwas geändert hat. Kurz: Wie ist es in der Ukraine möglich, mit einer so genannten nicht traditionellen sexuellen Orientierung ein selbstbewusstes Leben zu führen“,  so Kloska.

In der Manier des Direct Cinema dringen die Filmemacher in verschiedene Lebensbereiche der Menschen ein. Die Protagonisten aus Charkov, Zhitomir und Kiev haben sie mit offenen Armen aufgenommen, sie erzählen von ihrem Leben und ihrem Kampf gegen die anhaltende Diskriminierung. Maxim aus Zhitomir zum Beispiel beschäftigt die Ermordung eines langjährigen Freundes. Wir nehmen aber auch teil an einer Party im Queer Home der Stadt. Dort lernen wir Juri kennen, der von seinem Engagement für die freiwilligen Bataillone in der Ostukraine berichtet. Mascha aus Kiew spricht von ihrer Tätigkeit als Luftaufklärerin und Yura verurteilt die Diskriminierungen, denen er als Transsexueller ausgesetzt ist.

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Der Film findet seinen dramatischen Höhepunkt im KyivPride March 2015, der überschattet wird von gewalttätigen Szenen: Erst fliegen Feuerwerkskörper und Splitterbomben, die einen Polizisten schwer verletzten, dann jagen Ultra-Rechte die etwa 250 Teilnehmer durch die Straßen. In 104 Minuten entsteht ein vielschichtiges Bild zur aktuellen Lage der LGBT-Community in der Ukraine, die sich über die eigenen Belange hinaus für Menschenrechte im Allgemeinen einsetzt. „Rein ins Leben“ entstand in Kooperation mit dem CSD München, Munich Kyiv Queer und der freundlichen Unterstützung des Kulturreferats der Stadt München. Nach der Deutschland- steht bald eine Premiere in Münchens Partnerstadt Kiew an.

Rein ins Leben – Ein Film von Lorenz Kloska und Sascha Vinogradov
104 Min., BRD 2015
Premiere: MonGay, 11. Januar 2016, 21.15 Uhr, Kino Atelier, Sonnenstraße 12. Die Filmemacher sind anwesend! Eintritt: 7,50 Euro

Lesbenkulturtage: Lesbisch-feministisches Theaterstück aus der Ukraine hat Deutschlandpremiere

Vom 29. Oktober bis 7. November finden in München die Lesbenkulturtage statt. Zwölf Veranstaltungen voll mit Kultur rund um das lesbische (Er-)Leben und Begehren. Die Veranstalterinnen bieten Musik, Tanz, Theater, Lesungen, Workshops und Partys an. Am Freitag, 6. November, hat das Theaterstück „Der Gesang, das Gedenken, die Zwiesprache, das Gebet“ Deutschlandpremiere. Lesben aus der Ukraine erzählen aus ihrem Leben.

Die Geschichten sind wahr; in Szene setzen sie aber Schauspielerinnen des dokumentarischen Theaters Zhiva Ja. Der Name geht zurück auf die altslawische Göttin der Lebenskraft, Liebe und Weisheit, Zhiva, während das russische „Ja“ auf Deutsch „Ich“ bedeutet. Svitlana Hryhoriants und Anastasiia Kyrychenko werfen einen Blick auf Genderrollen und Weiblichkeit. Dabei nehmen sie verschiedene Perspektiven ein immer mit der Idee, die innere Homophobie von Lesben gegen sich selbst zu überwinden und neue Freiräume zu schaffen. Zhiva Ja ist inspirierend und bezaubernd, offen und manchmal traurig.

Wer sich aktiv beteiligen möchte, kann im Anschluss an das Stück als Teil der Inszenierung mit den sozialen Rollen, die Svitlana Hryhoriants und Anastasiia Kyrychenko auf der Bühne verkörpern, sprechen und diskutieren. Übersetzerinnen sind vor Ort. Das Theaterstück begleiten die Veranstalterinnen mit Musik und einer Fotoausstellung. Die Bilder geben den Frauen in der Inszenierung ein Gesicht. Am Ende laden wir zu ukrainischen Häppchen. Alle Gender willkommen!

Eine Veranstaltung von CSD München, Zhiva Ja, LesKult und Munich Kyiv Queer. Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats der Stadt München.

Lesbisch-feministisches Theaters Zhiva Ja aus der Ukraine

„Der Gesang, das Gedenken, die Zwiesprache, das Gebet“
Beginn: 20 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr
Dauer: 90 Minuten, russisch mit deutschen Obertiteln
Ort: Eine-Welt-Haus, Schwanthalerstr. 80 RGB, 80336 München, Großer Saal E01
Eintritt: 8/6 Euro

Neuer Kettlebells-Workshop beginnt im Oktober

6408-01Seit zwei Jahren schon bietet Munich Kyiv Queer gemeinsam mit Team München Kettlebells-Workshops für die Community an. Im Oktober beginnen wir wieder eine Serie von Trainingseinheiten für Kraft, Ausdauer, Flexibilität, Schönheit, Sexualität und Hirn-Fitness. Der Kettlebells-Sport kommt ursprünglich aus der Ukraine und die Trainerin Olena Semenova aus Kiew macht speziell für die Münchner Szene Trainings. Sie helfen uns, gesünder zu werden und vielleicht auch glücklicher.

Wieso Kettlebells? Die Kettlebell ist eine Kugel mit einem Durchmesser von etwa 20 bis 30 Zentimetern und einem festen Griff. Für das Training benützen man oder frau Kettlebells mit einem Gewicht von 6, 8, 10, 12 oder 16 Kilogramm. Kettlebells sprechen nicht isoliert Muskeln an, sondern Muskelgruppen im ganzen Körper – jede Übung ist zugleich auch eine Koordinationsaufgabe. Das Ziel beim Training mit der Kugelhantel ist es vor allem, Kraft und Stabilität aufzubauen und das Herz-Kreislauf-System sowie Sehnen und Bänder zu stärken. Gleichzeitig liefern die Kugeln eine Rundum-Fitness. Wir arbeiten an Durchhaltekraft, Flexibilität, Koordination und Körperbeherrschung. Zudem ist die Kugelhantel mobil und benötigt nur wenig Platz.

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Mit Kettlebells können wir also im ganzen Körper Kraft, Ausdauer und Flexibilität entwickeln. Olena Semenovas Kettlebells-Workshops für die Münchner LGBT-Community hat aber noch ganz andere Vorteile! „Das Training mit Kettlebells macht uns schöner“, sagt die Trainerin, Ärztin und Weltmeisterin von 2010. „Alle Muskelgruppen, die gleichzeitig arbeiten, zwingen uns, mit der Kettlebell zu tanzen, als ob sie ein Teil unseres Körpers wäre. Wir lernen, alle Körperteile zu koordinieren und zu führen, und damit entsteht ein besonderes Gefühl von großer Harmonie mit dem eigenem Körper.“ Interessant ist übrigens auch, dass wir mit dem Kettlebell-Training dieselben Muskeln stärken, die Frauen und Männer beim Sex nutzen! So können wir am Ende auch diese Seite des Lebens mehr genießen und fühlen uns insgesamt selbstbewusster und wohler.

Aber natürlich müssen wir erst üben (Video). Ein Training mit Kettlebells ist eine Kunst, für die wir unseren Verstand brauchen. Kettlebells helfen uns, unserem Körper zuzuhören, mit ihm zu kommunizieren und in Harmonie mit ihm zu leben. Die Kurse finden statt jeweils an Samstagen und zwar am 10., 17., 24. und 31. Oktober 2015 in der Sporthalle der Stielerschule, Stielerstraße 6. Anmeldung hier. Und mehr Informationen finden sich auf unserem Flyer.

[Olena Semenova, Naomi Lawrence]

Kunst und Musik: Der Sex der Kettlebells

Mit einer Reihe von Kunst- und Sport-Veranstaltungen will Munich Kyiv Queer die Münchner Community fit für den Winter machen. Der Höhepunkt kommt im Oktober. Ab Samstag, den 10. des Monats, beginnt Olena Semenovas neue Workshop-Serie. Die bekannte Trainerin aus Kiew gibt Kettlebells-Kurse für Anfänger*innen und Fortgeschrittene unter der Ägide von Team München, Münchens lesbischwulen Dachsportverband. Beratung und Anmeldung hier. Das Ganze läuft in der Sporthalle der Stielerschule, Stielerstraße 6.

Bis es soweit ist, überbrückt eine Party die Wartezeit. Die Kettlebells Kick Off Party am Samstag, 26. September, findet ab 21 Uhr im 8 below in der Schützenstr. 8 statt. Naomi Lawrence eröffnet die Feier mit einer Sneak Preview ihrer nächsten Ausstellung Learn to love hills, die ab Sonntag, den 4. Oktober auch im Sub in der Müllerstraße 14 hängt. Die Münchner Künstlerin gestaltet das gesamte Wochenende. Um 21 Uhr kostet das 8below noch keinen Eintritt. Ab 22 Uhr können die Gäste regulär tanzen. Die Dance Performance von Olena Semenova um 23 Uhr sollten weder frau noch man verpassen. Anlass zur Party? Team München nimmt Kettlebells offiziell als Sparte ins Portfolio auf. Es ist ein Geben und Nehmen zwischen München und Kiew: München bekommt Kettlebells.

Am Tag darauf, Sonntag, 27. September, schließt das Wochenende um 19.30 Uhr recht wissenschaftlich mit einem Vortrag von Olena Semenova im Sub, Müllerstraße 14, zum Thema: „Kettlebells could stimulate your sexlife. Oder warum Kettlebells unser Sexleben verbessern“. „Das ist kein Wunschdenken, sondern wahr“, sagt Lawrence. Im Gespräch mit dem Moderatoren Phil Hinchliffe von Munich Kyiv Queer wird Semenova, die auch Ärztin ist, die Sache aus medizinischer Warte erklären. Nach der Sause die Regeneration: Wir wünschen allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel Spaß! Mehr Infos gibt es hier.

Fotoausstellung: Suburbia, me!

Ivan Kisil
Das Münchner Schwulenzentrum Sub eröffnet die Ausstellungssaison am 6. September mit Fotografien von Ivan Kisil. Der Künstler reist zur Vernissage an. Kisil kommt aus Kyiw. Er ist Lehrer, als schwuler Mann aber nicht geoutet. Mit seinen Bildern erzählt er von Ivan, der sich nicht traut, und dessen Alter Ego, Brutt, der zu seiner Sexualität steht und sie auch lebt. Die zwölf Fotografien hängen bis zum 26. September in der Müllerstraße 14.

Ivan Kisil lebt in Kiew. Weit weg von den malerischen Straßen und Parks im Zentrum seiner Heimatstadt liegt sein Viertel – inmitten von Betonblocks. Der Lehrer teilt sich eine Wohnung mit seiner Mutter. Niemand weiß, dass er schwul ist. Um allein zu sein, geht er raus und macht Fotos. Mit der Kamera vor dem Auge blickt Kisil auf Szenen, die sein Leben ausmachen – das Vorstadtleben. Seine Fotografien erzählen von Ivan, manchmal aber auch vom Leben seines Alter Ego, Brutt. Unter diesem Pseudonym, dem Namen seiner Lieblingsschokolade, veröffentlicht Kisil regelmäßig in einem Blog. Er schreibt dort offen, aber anonym, was er denkt und fühlt. Für seine Fotoausstellung nutzt der Künstler die Figur: Brutt kann das Leben leben, das Ivan als schwulem Mann in seiner Heimatstadt Kiew verwehrt bleibt. Ivan beobachtet nur, erzählt nach.

Der Fotograf Ivan Kisil, der seine Ausstellung am Sonntag, 6. September, ab 19.30 Uhr in der Müllerstraße 14 eröffnet, ist schon selbst zum Opfer von Mobbing und homophober Gewalt in der Ukraine geworden. Unter einer seiner Fotografien heißt es: „Hier gibt es kein Schwul. Hier gibt’s nur Felder, Wind und endloses Land. Auch mich gibt es hier nicht. Aber meine Augen sehen alles.“ Kisils Geschichten gehen unter die Haut. Sie sind von einer Poesie, die berührt und zugleich schockiert.

Er ist kein Schwuler

Ivan Kisil ist Gast der Münchner Szene. Kiew und München kooperieren seit 2012 im LGBT-Bereich, um die Menschenrechtslage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in der Ukraine, aber auch in Deutschland zu verbessern. Die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer koordiniert diese Zusammenarbeit. Parallel existiert eine Pride-Partnerschaft zwischen München (CSD) und Kyiw (KyivPride). Im Kultur- und fachwissenschaftlichen Bereich entstehen übers Jahr zahlreiche Projekte wie nun Suburbia, me! Die Ausstellung soll auf die Lage schwuler Männer in der Ukraine aufmerksam machen, aber auch dem Künstler selbst eine Plattform bieten, sich mit seinen Projekten auszudrücken und neu inspirieren zu lassen.

Seine Bilder hängen bis zum 26. September. Eine Veranstaltung von CSD München, Sub und Munich Kyiv Queer. Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats.

ODESSABLOG Die LGBT-Community kann das Role Model für die ganze Ukraine sein

Jeden Tag berichtet Naomi Lawrence von Munich Kiev Queer über ihre Zeit in der Stadt am Schwarzen Meer. Unsere Gruppe unterstützt den OdessaPride der Gay Alliance Ukraine vom 14. bis 16. August 2015. Vor Ort sind neben Naomi Lawrence auch Barbara Grabski und Marco Schneider, alle beide gehören ebenfalls Munich Kyiv Queer an. Die Münchner Künstlerin Naomi Lawrence lädt in Odessa zur Ausstellung “Wonder Woman” und sie gibt einen Workhop zum Thema “Kreativer Protest”. Die Aktionen unterstützen der CSD München und das Kulturreferat der Landeshauptstadt.

„Es ist kurz nach 5 Uhr und angenehm ruhig und kühl in der Stadt. Sascha fährt mich zum Flughafen. Er gehört zum Organisationsteam des Pride und hat folglich in den letzten Tagen kaum geschlafen. Dass er mich trotzdem zum Flughafen fährt, ist also eine kleine Heldentat. Ich frage ihn nach seinem Resümee zum Pride. „Das erste Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl einer LGBT-Community gehabt. Wir haben zusammen gearbeitet, obwohl wir oft unterschiedlicher Meinung waren.“

Das bringt mein Gefühl auf den Punkt: Irgendetwas ist hier in Odessa anders gewesen. Ich habe zum ersten mal diesen Funken gespürt. Diesen gemeinsamen Willen, sich trotz aller Widerstände nicht unterkriegen zu lassen und dieses Gefühl von unterstützender Gemeinschaft. Natürlich, es gab dieselben Grabenkämpfe zwischen Aktivist*innen und vor allem LGBT-Organisationen wie sonst auch vor, während und nach einem Pride. Das Organisationsteam des KyivPride kennt diese traurige Tradition genauso gut wie jetzt das Team in Odessa. (Das erinnert mich im Übrigen auch an die sehr verletzenden Auseinandersetzungen vor ein paar Jahren in München wegen des ‚Christina Street Day‘.)

Es ist nicht neu, dass Minderheiten sich gegenseitig zerfleischen anstatt Unterschiede zu überwinden und sich solidarisch zu unterstützen. Diese Solidarität muss jede Minderheit lernen, denn sie hat sie nicht erfahren. Jede Minderheit ist schließlich das Produkt einer unsolidarischen Gesellschaft. Ich persönlich glaube, wenn es der LGBT-Community in der Ukraine gelingt, diese Solidarität zu entwickeln, könnte sie das demokratische ‚Role Model‘ für die ganze Nation werden. Denn die Art, wie sie friedlich, kreativ und beharrlich für ihre Rechte kämpft, ist sehr beeindruckend – nicht nur für ihre Freund*innen, sondern auch für ihre Gegner.“

ODESSABLOG Neue Flashmobs und ganz viel Stolz


Jeden Tag berichtet Naomi Lawrence von Munich Kyiv Queer über ihre Zeit in der Stadt am Schwarzen Meer. Unsere Gruppe unterstützt den OdessaPride der Gay Alliance Ukraine vom 14. bis 16. August 2015. Vor Ort sind neben Naomi Lawrence auch Barbara Grabski und Marco Schneider, alle beide gehören ebenfalls Munich Kyiv Queer an. Die Münchner Künstlerin Naomi Lawrence lädt in Odessa zur Ausstellung “Wonder Woman” und sie gibt einen Workhop zum Thema “Kreativer Protest”. Die Aktionen unterstützen der CSD München und das Kulturreferat der Landeshauptstadt.

„Die Regierung von Odessa bereut es inzwischen bestimmt, dass sie den Pride verboten hat. Nach einer Stunde wäre alles vorbei gewesen. Aber so halten wir sie seit Tagen auf Trab. Denn auch heute gibt es natürlich friedlichen und kreativen Protest. Inzwischen hat vor dem Queer Home dauerhaft ein Bus mit Miliz Stellung bezogen. Wir haben uns nicht nur daran gewöhnt, wir plaudern auch ganz entspannt mit den Polizisten. Auf beiden Seiten sind Vorurteile ‚abgerüstet‘ worden.

Die Vorbereitung der Flashmobs zieht sich hin. Gegen Mittag geht es endlich los. Der erste Flashmob besteht nur aus ein paar Leuten. Sie ziehen mit vielen Luftballons los. Daran werden sie eine riesige Regenbogenfahne befestigen und sie von einem Dach steigen lassen. An dem zweiten Flashmob nehmen etwa 20 Leute teil. Sie verlassen in Kleingruppen in unterschiedlichen Richtungen das Queer Home. Der Plan geht auf: Alle Treffen nach zirka einer halben Stunde am vereinbarten Treffpunkt und ohne Polizei im Schlepptau ein.

Unsere Gruppe versammelt sich vor einem altehrwürdigen Haus und die Aktivist*innen streifen sich in Windeseile weiße T-Shirts über. Dann verschließen sie ihre Münder mit breitem Klebeband und Stellen sich nebeneinander auf (VIDEO). Auf jedem T-Shirt steht ein Buchstabe und alle zusammen ergeben HUMAN RIGHTS auf Ukrainisch geschrieben. Dann reißen sie sich die Klebebänder vom Mund und halten Sprechblasen mit Wörtern und Symbolen in die Luft. Friede, Liebe, Wahrheit und viele andere positive Begriffe und Zeichen sind dort zu erkennen. Wieder ein stummer Protest, denn laute Meinungsäußerung ist uns verboten.

Und schon ist alles wieder vorbei. Die T-Shirts werden eilig wieder ausgezogen und alle verschwinden in unterschiedliche Richtungen. Im Queer Home findet in der Zwischenzeit eine Diskussion über Feminismus statt. Im Anschluss zeige ich dann meine Ausstellung „The secret life of Wonder Woman“ und auch danach wird wieder diskutiert. Am Abend stehen schließlich noch Filme auf dem Programm. Zuletzt können wir endlich zusammen sitzen, lachen, reden, entspannen. Wie bei einem ganz normalen Pride.“

ODESSABLOG Angriff auf das Queer Home

Nicht versammeln, nichts sagen. Lesben und Schwule haben in Odessa nichts zu melden. Foto: Naomi Lawrence

Jeden Tag berichtet Naomi Lawrence von Munich Kyiv Queer über ihre Zeit in der Stadt am Schwarzen Meer. Unsere Gruppe unterstützt den OdessaPride der Gay Alliance Ukraine vom 14. bis 16. August 2015. Vor Ort sind neben Naomi Lawrence auch Barbara Grabski und Marco Schneider, alle beide gehören ebenfalls Munich Kyiv Queer an. Die Münchner Künstlerin Naomi Lawrence lädt in Odessa zur Ausstellung „Wonder Woman“ und sie gibt einen Workhop zum Thema „Kreativer Protest“. Die Aktionen unterstützen der CSD München und das Kulturreferat der Landeshauptstadt.

„Nach einer kurzen Nacht fängt der Tag hektisch an. Igor hat über einen Bekannten eine alternative Ausstellungsmöglichkeit auf der Comic-Art-Messe Comic Con für mich organisiert. Denn die eigentlich geplante Galerie hat ja, so wie alle anderen Veranstaltungsorte für den Pride, plötzlich abgesagt. Hektisch hängen wir meine Bilder an die freigeräumte Wand, denn gleich im Anschluss soll es einen Flashmob ganz in der Nähe geben.

Dieser Flashmob ist Igors Baby: Er hatte stellvertretend für zahllose andere zehn tödliche Übergriffe an Schwulen in der Ukraine recherchiert und deren Lebensläufe ausgedruckt. Zusammen mit der Kreativgruppe des Queer Home in Odessa kleben wir sie auf sebstgebastelte rote Herzen. Und diese roten Herzen sollen nun auf ein Brückengeländer im Zentrum der Stadt gehängt werden. Als wir am vereinbarten Ort eintreffen, sind Polizei, Miliz und Zivilpolizisten schon da, aber auch ein paar Leute von der OSZE. Versammlungen und verbale Meinungsäußerungen sind uns verboten worden, aber rote Herzen aufhängen? Die Polizei lässt uns verwirrt gewähren.

Bilder von Naomi Lawrence auf der Com Con

Nun wieder zurück zur Comic Con. Dort muss ich ja noch schnell meine Ausstellung eröffnen. Vor dem Eingang wartet eine Schlange mit Hunderten von Leuten. An dieser Stelle vielen Dank an die Macher der Comic Con für ihre Solidarität und Offenheit! Aber auch an die Polizei und die Regierung von Odessa. Durch ihre Verbote erreiche ich an einem viel größeren und öffentlicheren Ort viel mehr Leute!

Nach der improvisierten Eröffnung hetzen wir wieder die Potemkinsche Treppe hinauf. Oben ist das touristische Zentrum Odessass und hier soll auch der nächste Flashmob stattfinden. Wir warten dort auf weitere Leute und auf Plakate. Auch die Polizei wartet und beobachtet uns. Schließlich kommt das Kommando, getarnt als Heteropaare auf und ab zu flanieren. Dann geht es los: Sechs Aktivist*innen verteilen sich mit Schildern auf der Promenade. Sie stehen alleine und stumm, denn wir dürfen uns nicht versammeln und nicht unsere Meinung sagen.

Unsere Aufgabe ist es, die Aktivist*innen zu beobachten, aber immer mit genügend Abstand, damit aus uns nicht plötzlich eine ‚Demonstration‘ wird. Ich bewundere die Leute, wie sie da stehen, ernst und angespannt (VIDEO). Einige Passanten schauen, einige machen Fotos, wenige schimpfen. Die meisten gucken verstohlen im Vorbeigehen. Die Presse ist da – das ist gut, sie ist unser Schutzschild. Nach 20 Minuten gehen wir auseinander, wie wir gekommen sind, als Heteropaare.

Sechs Aktivistinnen und Aktivisten kämpfen schweigend für ihre Menschenrechte. Foto: Naomi Lawrence

Auf dem Rückweg fangen uns andere Aktivisten ab und wir erfahren, dass das Queer Home angegriffen wurde (VIDEO). Wir gehen alle sofort an einen sicheren Ort, ein Café. Nach vielen Telefonaten brechen wir unvermittelt ins Queer Home auf. Dort sehen wir zwei Busse mit Miliz und vor der Tür eine größere Anzahl Polizisten. Wir gehen eilig an ihnen vorbei ins Queer Home hinein.

Große Überraschung! Ein riesen Büffet und jede Menge fröhlicher Volunteers warten auf uns. Wir erfahren, dass zwölf Männer das Queer Home bei den Essensvorbereitungen überfallen und Sprengkörper hinein geworfen haben. Die waren aber zum Glück nicht gefährlich.

Nach dem Essen gibt es eine Befindlichkeitsrunde. Fast alle sind motiviert und positiv gestimmt ob der erfolgreichen Flashmobs. Nur einige der Überfallenen stehen noch etwas unter Schock. Danach geht es weiter mit dem geplanten Programm. Unsere Freund*innen hier lassen sich einfach nicht unterkriegen.“