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EHRENAMTLERBLOG Die Abenteuer sechser Ukrainer in München

16.05.2015 | cb — Keine Kommentare
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Unsere Freunde aus der Ukraine sind wieder in München! Am Samstag, 16. Mai, sind in der bayerischen Hauptstadt sechs LGBT-Aktivistinnen und -Aktivisten aus verschiedenen Städten der Ukraine angekommen, um an einem Projekt zur Ehrenamtler-Schulung und zum Community-Building teilzunehmen, das der Münchner CSD, die Gay Alliance Ukraine, das Schwulenzentrum Sub und Munich Kyiv Queer ins Leben gerufen haben. Die Frauen und Männer werden eine Woche voller neuer Erfahrungen und Emotionen in der Münchner Community erleben, die sie mit uns in ihren Blogs teilen. Wir hoffen sehr, dass Ihr mit Interesse den Abenteuern der Ukrainer in München folgt. Hier aber sind zunächst unsere Protagonist*innen selbst…

Svetlana Dubyna

Svetlana Dubyna
Ich bin Svetlana, 50 Jahre alt, aber es klingt lustig für mich, ich fühle das nicht, weil Alter für mich kein Maßstab ist. Jetzt bin ich die Vorstandsfrau der Menschenrechtsorganisation Informations- und Ausbildungszentrum VIS (dt. Achse)  in Winnyzja. Später werde ich über unsere Stadt im Blog erzählen.

Seit 2011, also seit dem Moment, in dem die Koalition gegen Diskriminierung in der Ukraine gegründet wurde, arbeite ich auch dort aktiv.  Als ich 2010 zum ersten Mal gelesen habe, dass es Menschen gibt, die für dieses Projekt Gleichgesinnte suchen, um solch eine Koalition zu gründen, habe ich sofort angerufen.

Hattest du jemals das Gefühl, dass das genau die Aktivität ist, auf die du gewartet hast, und die auf dich gewartet hat? Wenn ja, dann verstehst du, worüber ich schreibe. Seitdem ist der Widerstand gegen Diskriminierung nicht nur meine Lebenseinstellung geworden, sondern auch meine Arbeit.

Es gibt vieles hier, was mich persönlich betrifft: die Anerkennung der sexuellen Orientierung, die Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben, die eigene Würde und vieles mehr. Deshalb bedeutet die Arbeit als LGBT-Aktivistin – die jetzt für mich alltäglich geworden ist – für mich einfach mein Leben.

Die Kooperation mit der Gay Alliance Ukraine – auch hier bin ich engagiert – verbraucht und schenkt gleichzeitig viel Zeit und Kraft: Ich bin die regionale Koordinatorin einer Aufklärungskampagne. Für mich ist es wichtig, dass die ukrainische Gesellschaft nicht nur tolerant wird – ich mag dieses Wort nicht. Sie soll alle Leute anerkennen, so wie sie sind. Leider gibt es momentan Homophobie, Xenophobie und Hassreden. MEHR

Anna Leonova

Anna Leonova
Ich heiße Anna, ich bin 35 Jahre alt. Ich bin Archäologin und arbeite in der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine. Seit drei Jahren bin ich LGBT-Aktivistin. Ich habe am KyivPride 2013 teilgenommen. Das war eine wunderschöne Erfahrung! Heute koordiniere ich die Arbeit des Community-Zentrums Queer Home Odessa. Diese Aktivität nimmt bis zu 70 Prozent meiner Zeit ein. Ich habe viele Pläne und Erwartungen. Wir wollen die Welt verändern!

Mykola Maslov

Mykola Maslov

Liebe Grüße an alle! Ich heiße Mykola, bin 23 Jahre alt und studiere an der Universität in Odessa. Ich will Physiker werden. Ich bin in Odessa aufgewachsen, lebe im Moment aber in Kyiw. Ich arbeite als so genannter Community-Koordinator im Kyiwer Queer Home. (Das ist ein Kultur- und Freizeitzentrum für die LGBT-Community vor Ort, betrieben von der Gay Alliance Ukraine; Anm. d. Red.).

Meine Arbeit ist mein Haupthobby. Ich kann im Queer Home interessante Leute zusammenbringen, um ihnen zu helfen, ihr Selbstwertgefühl verbessern. In unserem Zentrum finden die Leute Freund*innen; sie entwickeln sich, sie machen etwas aus sich. Es ist wunderbar, wenn schüchterne, einsame, scheue Menschen stark und glücklich werden und sie bereit sind, zu kämpfen für die eigenen Rechte und die Rechte anderer, ja der ganzen Community. Das Verständnis, dass du diesen Mensch geholfen hast, ist der große Gewinn.

Mein Motto ist: „Wenn nicht wir, wer dann?“. Ich bin überzeugt, dass ein kleines, aber harmonisches Kollektiv ein großes Ziel erreichen kann, wenn es dieses Ziel nur erreichen will. Unser Glück liegt in unseren Händen. Nur wir entscheiden, wer wir sind und wen wir lieben.

Anna Sharyhina

Anna Sharyhina
Seit 2006 bin ich Vizepräsidentin des Charkiwer Vereins Spectrum, einer Organisation für Lesben, Frauen, Feministinnen. Einer unserer wichtigsten Grundsätze ist: Keine Führung, keine Hierarchie, wir treffen alle Entscheidungen gemeinsam. Wir haben bereits viele Projekte für die LB-Community und andere Frauen angeboten, anfangs schlicht deshalb, weil es für uns selbst interessant war. So haben wir uns gefragt, wie Homosexualität und Religion zusammenpassen, wie Lesben sich ausdrücken (außer in der Sexualität) oder wie sich die feministische Bewegung entwickelt hat. Wir alle hatten nebenbei andere Arbeitsstellen und haben uns mit den ehrenamtlichen Aktivitäten in unserer Freizeit beschäftigt. Schon 2011 waren wir alle ausgebrannt. Das kommt im Leben von Aktivistinnen nicht selten vor; wir haben zu viel zu tun.

Doch hat Spectrum nie aufgehört und mehrere tolle Projekte auf hohem Niveau durchgeführt: Wir haben Dokumentarfilme gedreht, wir haben zu Diskussionen über Feminismus, Macht, Widerstand gebeten. Wir haben führende Gender-Forscherinnen für Master-Klassen eingeladen. Unser jüngstes Projekt war die Woche der Frauen-Solidarität in Charkiw. Meine Kolleginnen und ich haben innerhalb von sechs Tagen mehr als zehn Veranstaltungen organisiert inklusive einer nächtlichen Demo, dem Art-Projekt „Borschtsch“, feministischer Vorträge und einer Studentenkonferenz.

Seit April 2015 habe ich die Ehre, als Geschäftsführerin den KyivPride 2015 mitzuorganisieren. Ich bin sehr stolz darauf, obwohl wir alle nicht wissen, ob es klappt. Doch wir haben wunderbare Leute, die für eine wichtige Idee arbeiten – das heißt, es muss einfach klappen! Außerdem öffnen wir nach dem KyivPride ein Queer Home in Charkiw, ein Ort, an dem alle queeren Leute interessante Sachen machen können! So habe auch ich wieder viele gute Gründe, optimistisch zu sein!

Oleksandr Vytvitskyi

Oleksandr Vytvitskyi
Ich heiße Alexander. Schon 2008 habe ich angefangen, mich als LGBT-Aktivist zu engagieren. Schrittweise sind wir zur Entscheidung gekommen, dass die Region Saporischschja eine LGBT-Organisation braucht, die die Bedürfnisse der Community zufrieden stellt. Im Jahre 2011 haben wir dann die Organisation Gender Z registriert, für die ich bis heute arbeite.

Unsere Mission ist es, das Leben von LGBT in einer toleranten Gesellschaft würdevoll zu gestalten. Ich bin Mitglied des Vorstands und Mitbegründer der Organisation. Wir kümmern uns um medizinische, soziale und psychologische Beratung für die Community. Wir bieten außerdem nützliche Freizeitveranstaltungen an; uns obliegt die Prävention von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Wir kämpfen gegen die Stigmatisierung und die Diskriminierung von LGBT in der Gesellschaft.

Die Reise nach München und der Erfahrungsaustausch mit den Leuten vor Ort, den ich mit dem Freiwilligenprogramm hoffentlich machen kann, ist für mich als Aktivist wichtig. Ich lerne so die besten Praktiken kennen und kann sie in meiner Region umsetzen.

Ich glaube, die Ehrenamtlichen-Bewegung unter LGBT könnte in der Ukraine besser sein. Wenn wir etwas verändern wollen in unserem Land, müssen wir uns alle beteiligen. Deshalb ist das ehrenamtliche Engagement sehr wichtig.

Alexander Yankoffsky

Alexander Yankoffsky
In Saporischschja im Süden der Ukraine berate ich für die LGBT-Organisation Gender Z jeden Tag Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender; ich bilde auch Aktivistinnen und Aktivisten aus. Das sind die wichtigsten Bereiche meiner Arbeit in dem Verein neben der Produktion und Verbreitung von Videos zu Themen, die für LGBT aktuell sind: Gesundheitsförderung, der Kampf gegen die Verbreitung von HIV, Hepatitis und anderer sexuell übertragbarer Infektionen, die Reduktion ihrer sozialen Folgen. Ich organisiere auch Events und setze mich insgesamt ein für den Schutz, die Rechte und Freiheiten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender.

Ich erwarte, dass ich nach der Reise nach München die professionellen und freundschaftlichen Kontakte mit den deutschen Kolleg*innen weiterführen, dass ich einmalige Erfahrungen gewinne und daraus lernen kann. Ich hoffe, dass ich die Werte und die Errungenschaften der deutschen LGBT-Organisationen kennen lerne. Ich würde auch gerne mehr wissen über den Schutz von Menschenrechten, um mich in der Ukraine für die Grundrechte von LGBT einzubringen. Die gewonnene Expertise wird meine Perspektiven erweitern und mir erlauben, aus der ukrainischen Realität herauszutreten. All das wird meine Arbeit in der Ukraine effektiver machen. In meiner Freizeit fotografiere ich gerne; ich mag Design und Werbung.

[BLOGPROJEKT: Stanislav Mishchenko; ÜBERSETZUNG: Olena Semenova]

 

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