Aktuelles

Ausstellung: Bevor die Sonne aufgeht. Augenzeug*innenberichte queerer Menschen über den Krieg in der Ukraine

30 Geschichten, 30 Schicksale. Die Künstlerin Stasya Samar aus Odesa hat queere Menschen aus der Südkukraine portraitiert, die von ihren Erfahrungen mit dem Krieg erzählen. Ausstellung im LeZ vom 24. Mai bis 16. Juni; Vernissage am 24. Mai.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat einen Krieg ausgelöst, wie es ihn in Europa seit 1945 nicht mehr gegeben hat. Er hat die Ideen von Menschenrechten und kollektiver Sicherheit in Frage gestellt, auf denen unser modernes Verständnis von Gerechtigkeit und Gleichheit beruht.

In der Ukraine sind die Menschen zusammengerückt, um ihr Heimatland zu verteidigen. Inmitten der Kämpfe trat alles andere in den Hintergrund.

Krieg bringt nicht nur Tod und zerstörte Städte. Er führt auch zu einer Radikalisierung der Gesellschaft und erhöht den Druck auf vulnerable Bevölkerungsgruppen wie LGBTIQ*.

Leben im Angesicht der Katastrophe

Unsere Antwort auf diese Herausforderungen ist diese Ausstellung: Für „Bevor die Sonne aufgeht“ haben wir Geschichten von 30 queeren Menschen aus der Südukraine gesammelt, die das Kampfgeschehen aus nächster Nähe erleb(t)en.

Wir wollten ihnen eine Plattform bieten, um über ihre Erfahrungen, ihre Ängste und Hoffnungen zu sprechen. Sie sollten berichten über ihre Identität als Teil einer Community, selbst in Situationen, in denen einige von ihnen im Angesicht der Katastrophe völlig auf sich allein gestellt waren.

Die Künstlerin Stasya Samar hat diese Menschen portraitiert. Berichte der Betroffenen in Text und Audio begleiten ihre Zeichnungen. Samars Kunst macht Kommunikation möglich, wo LGBTIQ* als vulnerable Gruppe häufig lieber schweigen.

Es gibt ein „Vorher“ und ein „Nachher“

Mit unserer Arbeit wollen wir die Aufmerksamkeit auf ein Ereignis lenken, das das Leben von Millionen von Ukrainer*innen auf der ganzen Welt in ein „Vorher“ und ein „Nachher“ geteilt hat. Es ist der Morgen des 24. Februar 2022, der alles verändert hat, an dem sie so vieles für immer verloren ging. Der Morgen vor Sonnenaufang.

Sämtliche Geschichten stehen auf dieser Website zum Lesen und Hören bereit (Englisch, Ukrainisch)

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Bevor die Sonne aufgeht. Augenzeug*innenberichte queerer Menschen über den Krieg in der Ukraine
Wann 24. Mai bis 16. Juni im Lesbisch-Queeren Zentrum LeZ, Müllerstraße 26
Vernissage 24. Mai, 19 Uhr, mit der Künstlerin Stasya Samar und der Kuratorin Evhenija Kvasnevska von der Gay Alliance Ukraine, Kyjiw/Odesa
Veranstaltende Munich Kyiv Queer, Gay Alliance Ukraine, CSD München, Kulturreferat München  

So könnt Ihr helfen


EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer die Menschen in der Ukraine, die in Not oder auf der Flucht sind. Denn nicht alle sind an ukrainische LGBTIQ*-Organisationen (s.u.) angebunden. Die Hilfe ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr auf PayPal die Option „Für Freunde und Familie“ wählt. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, Sprecher Munich Kyiv Queer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken.

Wir helfen unsere Freund*innen und Partnern. Alle Gesuche aus der Community werden in Zusammenarbeit mit unseren queeren Partner-Organisationen in der Ukraine akribisch geprüft. Können sie selbst helfen, übernehmen sie. Übersteigen die Anfragen die (finanziellen und/oder materiellen) Möglichkeiten der LGBTIQ*-Organisationen, sind wir gefragt.

HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschand an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort wie der Gay Alliance Ukraine, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen wie im Falle der Portraitierten. Spendet hier

Fragen? www.MunichKyivQueer.org/helfen

Brief von der Front

Petro Zherukha, ein 27-jähriger, bisexueller cis Mann, erzählt von seinem Leben als Soldat. Trotz aller Gefahren stellt sich Petro mutig seiner Identität und trägt stolz ein Regenbogen-Emblem auf seiner Uniform, um Akzeptanz in den eigenen Reihen zu finden. Unsere Kolumnistin Iryna Hanenkova hat seine Geschichte aufgeschrieben.

Mit Beginn der Invasion ging ich zur Armee. In diesen Tagen schien alles seine Bedeutung zu verlieren, mit Ausnahme des Sieges, der als einziges Moment direkt mit einer vermeintlichen Zukunft verbunden war.

Eine Zeit lang hatte ich das Gefühl, dass wir alle gar keine Zukunft mehr haben, weil wir und unsere Erinnerungen abgeschlachtet wurden. Aber ich verstand bald, dass die Liebe zu allem und der Glaube daran stärker waren als jede Angst vor dem Tod.

In der Armee diene ich in der Versorgungseinheit und kümmere mich um alles, was mit Transport zu tun hat. Meine Militäreinheit kam im Winter 2022 schnell an die Front; wir hatten wenig Erfahrung. Jeder Zweifel, jeder Fehler konnte unser Ende bedeuten.

Unser Logistikteam arbeitete fast rund um die Uhr. Wir diskutierten darüber, ob wir bei Alarm oder Explosionen in Deckung gehen sollten. Wir beschlossen, dass wir bis zum Schluss arbeiten würden. Wenn eine Rakete das Gebäude, in dem wir arbeiteten, treffen und wir sterben sollten, dann war das eben so. Und wenn nicht – dann explodiert sie irgendwo in der Nähe, wir brauchen uns keine Sorgen machen und können unsere Arbeit erst recht fortsetzen. Wir konnten uns keine Verzögerung bei der Arbeit leisten, da dies direkt Auswirkungen auf die Versorgung unserer Kämpfer*innen in den Stellungen haben würde.

Die Armee stellt dich als queerer Mensch vor Herausforderungen

Die Armee war nie die sicherste Umgebung für mich oder irgendjemanden im Allgemeinen. Der Dienst ist eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe. Das heißt, wenn man treu dient.

Wir bemühen uns, gute Soldat*innen zu sein, setz*en all unsere Energie, unsere Prinzipien, unseren persönlichen Freiraum, unsere Mittel, unsere Fähigkeiten, unser Wissen und sogar einige grundlegende Menschenrechte ein, nur um den Sieg näher zu bringen. Wir wissen, dass dieses System uns niemals danken wird, also akzeptieren wir die Tatsache, dass wir anonyme Wohltäter*innen sind und geben alles, was wir haben, um diesen Krieg zu gewinnen.

Ich kämpfte aber lange um meine Persönlichkeit und meine Identität dort. Ich habe gesehen, wie Menschen an der Front ihre Persönlichkeit verändert haben. Ich merke, dass auch ich mich anders fühle und vieles von dem verloren habe, was ich einst war.

Als ich meinen Freund*innen von der Idee erzählte, dass ich mich vielleicht outen sollte, pfiffen sie mich zurück. Ich bin sicher: Sie hatten Angst vor dem Unbekannten. Nach dem Sieg, sagten sie. Jetzt ist nicht die Zeit. Ein Spruch, der unsere Gesellschaft nur allzu deutlich beschreibt: Wir entscheiden uns, den Wunsch, jetzt glücklich zu sein, aufzuschieben. Und ich habe zunächst gehorcht.

Ich habe einen Freund, der sich für das Gesetz für eingetragene Lebenspartnerschaften eingesetzt, es mitformuliert hat. Als ich erfuhr, was er da für Menschen wie mich getan hat, beschloss ich, meine sexuelle Orientierung nicht mehr zu unterdrücken, keine Angst mehr vor den Reaktionen zu haben und offen über Diskriminierung zu sprechen, wenn sie passiert. Und so öffnete ich mich, vielleicht unter den gefährlichsten Bedingungen, die man sich vorstellen kann. Ihr werdet verstehen, dass dies in einem Kriegsgebiet geschah zwischen Brüdern und Schwestern, die seit mehr als einem Jahr kämpfen, die müde, erschöpft, verwundet, verloren sind. Meine Vorgesetzten hatten Angst, ich könne erschossen werden. Ich habe das nie geglaubt.

Als ich ein Abzeichen mit einer Regenbogenflagge an meiner Uniform anbrachte, wurde mir regelmäßig „geraten“, es abzunehmen, und ich glaube, dass sie einfach Angst hatten, es komme zu Aggressionen mir gegenüber. Einer fühlte sich unwohl, ein anderer diskriminierte mich passiv, und wieder jemand anders dachte, ich würde ihn selbst diskriminieren.

Ich will so akzeptiert werden, wie ich bin

Aber ich habe es akzeptiert: Ich bin für viele eine Zumutung. Deshalb diene ich mit einem Regenbogenabzeichen, damit mein Militär mich so nimmt, wie ich bin. Ich bin stolz, dass mir das gelungen ist, und ich habe das Gefühl, dass ich mich auf diese Weise dafür entscheide, gerade jetzt glücklich zu sein.

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„Der Krieg hat mich dem Tod gegenüber gleichgültig gemacht“

Diana kann sich noch gut an den 24. Februar 2022 erinnern, weil sie schlicht nicht mitbekommen hat, wie der Krieg in ihr Land kam. Sie arbeitet in einer Kyjiwer Apotheke und versuchte an dem Tag der Kundschaft Herr zu werden, die ohne Unterlass Verbandsmaterial, Jod und Erste-Hilfe-Kästen kaufte. Erst nach ihrer Schicht begriff sie: Es ist Krieg. Seitdem ist Diana im Überlebensmodus. Sie bleibt, sie arbeitet, sie kämpft, aber sie spürt sich nicht mehr. Unsere Kolumnistin Iryna Hanenkova hat ihre Geschichte aufgeschrieben.

Der erste Tag der russischen Invasion begann für mich wie immer: Ich wachte auf, machte mich für die Arbeit fertig (ich arbeite in einer Apotheke), fuhr in die Stadt, öffnete den Laden und wartete auf Kund*innen. Bis zehn kommen normalerweise so gut wie keine Leute. Ich hatte damals keine Chat-Gruppen auf dem Handy; und Nachrichten habe ich nicht gelesen.

24. Februar, 8 Uhr – alle sind verrückt geworden

Ich stehe also hinter der Theke, und schon um acht kommen plötzlich Kund:innen rein. Das war natürlich seltsam, und ich dachte: Da haben sich wohl ein paar Leute auf dem Weg zur Arbeit hierher verirrt. Plötzlich verliere ich das Zeitgefühl, denn draußen stehen die Leute Schlange, und alle kaufen Verbände, Jod, klauen Erste-Hilfe-Kästen, und ich verstehe nicht warum. Gegen Mittag reicht die Schlange bereits über die Straße, die Apotheke war zu einem Drittel leergeräumt.

Klar haben meine Familie und Freund*innen versucht, mich anzurufen, aber ich konnte nicht antworten, weil ich hin- und herrannte, Bestellungen aufnahm und nicht verstand, warum plötzlich alle verrückt geworden waren.

Gegen fünf Uhr abends kam ein Mann, ganz ruhig war der, im Gegensatz zu all den anderen und er sagte: ‚Stopp, atme mal durch, du rennst so viel herum, dass du ohnmächtig wirst.‘ Ich hörte auf ihn, die Schlange wurde ohnehin etwas kürzer. Ich konnte eine Pause gebrauchen, denn ich hatte noch nicht einmal gefrühstückt oder Wasser getrunken, geschweige denn zu Mittag gegessen.

Ich fragte ihn, warum denn so viele Leute in die Apotheke kamen, und er sagte : ‚Der Krieg hat begonnen‘. Ich verstand seine Worte nicht. Es war doch ein ganz normaler Tag. Am Ende meiner Schicht war die Apotheke weniger als ein Viertel voll, ich konnte Wasser trinken und einen Snack essen.

Allmählich begriff ich…

Dann habe ich endlich den Anruf meines besten Freundes entgegengenommen:

  • Wo bist du? Warum hast du nicht geantwortet?
  • Ich bin bei der Arbeit. Stell dir vor, so viele Leute, und einer sagt: Der Krieg hat begonnen!
  • Die Russen haben angegriffen, lass uns gehen, ich lasse dich nicht hier!

Er meinte es ernst.

  • Wohin gehst du denn? Ich gehe nirgendwohin, ich habe hier einen Job und Eltern.
  • Du kommst mit mir, ich will nicht ohne dich gehen, ich kann dich nicht hier lassen, wir wissen nicht, was passieren wird, Kyjiw wird bombardiert, Panzer rücken in Kolonnen an!
  • Ich werde nicht gehen. Mach dich fertig, pass auf dich auf

Danach beendete ich meinen Nachmittag, las die Nachrichten. Allmählich begriff ich…

Dann griffen sie meine Heimatstadt Lwiw an

Die folgenden Tage verliefen wie immer: nach Hause, zur Arbeit, nach Hause. Aber das volle Bewusstsein kam, als ich von den ersten Explosionen in Lwiw hörte. Dort bin ich aufgewachsen. Das war der Moment, in dem der Krieg für mich real wurde.

Ich hatte damals keine Angst. Ich habe heute noch keine Angst. Mein Gehirn hat beschlossen, ein Kind zu wecken, das an allem interessiert ist, und nicht einen Erwachsenen, der Angst hat, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben.

Wenn ich Schaheds in der Nähe meines Hauses fliegen sehe, betrachte ich sie wie Idioten auf Motorrädern, die zum Spaß raus in die Sperrstunde fahren. Wenn ich Explosionen höre, bleibe ich ruhig. Aber ich mache mir Sorgen um meine Eltern und Freund*innen, deshalb bringe ich sie im Falle des Falles in den Schutzraum. Ich selbst gehe nicht hin. Ich warte, bis ich etwas höre, um mich noch mehr zu beruhigen. Ich glaube, es ist schon ein Trauma.

Mir tun alle leid, die für unsere Freiheit sterben, aber der Krieg hat mich dem Tod gegenüber gleichgültig gemacht. Vielleicht wirkt die Trennung von meiner Ex noch nach, ich fühlte mich allein gelassen.

Ich wünschte, ich könnte die Rakete sehen

Es ist schade, dass sie gestorben sind, aber es ist Krieg, es ist normal, es ist wahrscheinlich normal. Es ist traurig, aber ich spüre keine Verzweiflung. Es tut weh, aber ich habe keine Tränen. Wenn ich plötzlich unter Beschuss geriete, würde ich meinen eigenen Tod gelassen hinnehmen. Es ist schwer, über den Tod nachzudenken, wenn über deinem Kopf eine Flugabwehrrakete explodiert. Man denkt nicht darüber nach, wo der nächste Schutzraum ist, sondern man denkt: ‚Ich wünschte, ich könnte ein Stück der Rakete sehen‘.

Es muss Hunderte, wenn nicht Tausende von Menschen wie mich geben. Der Krieg hat alle verändert, und wir leiden jetzt alle gleichermaßen, auch wenn wir es nicht alle zeigen.

Nichts wird mehr so sein wie es war

Von Zeit zu Zeit überkommen mich dann doch Verzweiflung und Angst, und der Schmerz in meiner Brust breitet sich in meinen ganzen Körper aus. Solche Momente sind unerträglich.

Es schmerzt mich für unser Land und unser Volk, es schmerzt wegen der Verkommenheit der Welt um uns herum. Irgendwo tief in meiner Seele hoffe ich, dass wir gewinnen und das Sterben aufhört, aber irgendetwas sagt mir, dass nichts mehr so sein wird, wie es war, ganz gleich, wie dieser Krieg ausgeht.

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Zwei Jahre Krieg! Die Bilanz

Munich Kyiv Queer hat seit Kriegsbeginn über 200.000 Euro Spenden für queere Kriegsopfer in der Ukraine gesammelt und Geflüchteten geholfen, in München anzukommen. Die Einzelfallsoforthilfe kommt Menschen zugute, die ihren Job, ihre Heimat, Familie und Freund*innen verloren haben und/oder auf der Flucht sind. Queere Geflüchtete unterstützt Munich Kyiv Queer bei Integration und Unterkunft.

Die Solidarität mit der Ukraine ist ungebrochen – jedenfalls in München. Seit dem 24. Februar 2022 bitten wir, die sich seit 2012 im Namen der Landeshauptstadt für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen (englisch: LGBTIQ*) in Münchens Partnerstadt Kyjiw und darüber hinaus einsetzen, immer wieder um Spenden. Exakt 228.938,78 Euro sind bis heute zusammengekommen.

Was auf den ersten Blick nach viel Geld aussieht, entpuppte sich schnell als knappe Ressource. 200 Euro pro Person gibt die Initiative Munich Kyiv Queer bisher im Schnitt als Nothilfe einmalig an Einzelpersonen weiter. Das entspricht knapp einem halben durchschnittlichen Monatseinkommen in der Ukraine. Eine private Spendenaktion erlaubt schnelles, gebührenfreies und unbürokratisches Handeln. Und weil die Not groß ist, sind derzeit nur noch 27.682,63 Euro übrig (Stichtag: 21. Februar 2024).

Munich Kyiv Queer bei der Münchner Demo gegen Rechts im Januar 2024. Foto: Conrad Breyer

Das Geld bekommen queere Menschen in Not, die ihren Job verloren haben, die ausgebombt wurden, krank sind, fliehen mussten. Als besonders vulnerable Gruppe stehen LGBTIQ* bei so etwas oft besonders alleine da, denn sie können sich nicht immer auf stabile Familienstrukturen verlassen und ihre Freundeskreise, oft die Wahlfamilie, sind im Zuge der Fluchtbewegungen häufig auseinandergerissen worden.

Dank an die Spender*innen und das Team

Conrad Breyer, Sprecher von Munich Kyiv Queer, freut sich über die ungebrochene Solidarität. „Wir sind so unendlich dankbar für die Hilfe!“ Sie kommt aus Münchens Community, ihren vielen engagierten Menschen und Organisationen; sie kommt aus der Münchner Zivilgesellschaft und häufig von Künstler*innen, insbesondere der Drag-Szene, die Munich Kyiv Queer eine Plattform für Spenden- und Hilfsaktionen bieten. Hilfe erreicht die Münchner*innen aber auch immer wieder von außerhalb der Stadt, aus Deutschland und sogar aus dem Ausland.

Für eine kleine, ehrenamtliche Gruppe wie Munich Kyiv Queer mit nur knapp einem Dutzend Mitglieder sei es schon eine herausragende Leistung, so viel Geld eingesammelt zu haben, sagt Conrad. „Viele von uns sind seit Jahren, insbesondere aber seit Kriegsbeginn ununterbrochen im Einsatz, um Unterstützung für unsere Partner-Organisationen und Freund*innen in der Ukraine zu organisieren.“

Wie Munich Kyiv Queer hilft

Und das Engagement betrifft bei Weitem nicht nur Spenden. Munich Kyiv Queer kümmert sich auch um Menschen, die nach München gekommen sind: Wir helfen bei Behördengängen und der Bürokratie, vermitteln bei der Wohnungssuche, kümmern uns über ein Mentoring-Programm um die Integration der Geflüchteten in Stadtgesellschaft und Community.

Die Münchner Community zeigt sich solidarisch bei einem Queeren Vernetzungstreffen 2023. Foto MKQ

Mit den Spendengeldern konnte Munich Kyiv Queer bislang rund 1000 Einzelpersonen helfen, die die Mittel für Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung, (HIV-)Medikamente, Operationen, Hormone, Miete, Flucht, Dokumente, auch Beerdigungen benötigen. Es fehlt an allem!

Im vergangenen halben Jahr gingen die Zuwendungen etwa an Menschen (Namen geändert) wie:

  • Vitalyna und Masha, zwei lesbische Frauen mit Kindern, die kürzlich aus dem besetzten Mariupol evakuiert wurden. Sie brauchten Geld für Miete, Papiere und Lebensmittel
  • Lina, eine trans* Frau aus Charkiw. Sie verdient derzeit nicht genug, um ihre Miete und andere Bedürfnisse komplett zu decken
  • Dmytro, ein schwuler Mann aus Pavlohrad. Er wurde verprügelt und brauchte Geld für eine Operation.

„Diese Hilfe ist für unsere Community wirklich von unschätzbarem Wert. Allein zu spüren, dass wir in diesem Krieg nicht alleingelassen werden und wir uns auf Freund*innen in München verlassen können, bedeutet uns alles“, sagt Stanislav Mishchenko, Board Member des KyivPride in Kyjiw. Auch Stas ist Mitglied von Munich Kyiv Queer.

Jede Hilfsanfrage wird in Zusammenarbeit mit den queeren Partner-Organisationen von Munich Kyiv Queer in der Ukraine auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft. Können die LGBTIQ*-Organisationen in der Ukraine selbst unterstützen, etwa durch das Ausstellen von Gutscheinen für Essen, Medikamente und Hygieneartikel, übernehmen sie gleich selbst. In allen anderen Fällen springt Munich Kyiv Queer ein.

Teil der Queeren Nothilfe Ukraine

Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass Munich Kyiv Queer mit etwa 40 anderen deutschen LGBTIQ*-Organisationen Teil des Bündnisses Queere Nothilfe Ukraine ist, das sie im Februar 2022 selbst mitgegründet hat. Die Queere Nothilfe Ukraine unterstützt dezidiert ukrainische LGBTIQ*-Organisationen. Sie hat seit dem 24. Februar über eine Million Euro eingenommen. Ukrainische LGBTIQ*-Organisationen verwenden das Geld für ihre eigenen Hilfsprogramme und für Schutzunterkünfte. Aber nicht alle queeren Menschen sind an diese Organisationen angebunden oder kennen sie; deswegen ergänzt Munich Kyiv Queer das Angebot mit seiner Einzelfallhilfe.

Ukrainische Delegation beim CSD in München 2023. Foto: MKQ

Der Krieg geht jetzt in sein drittes Jahr; ein Ende ist nicht absehbar. Wer weiterhin helfen möchte, kann das HIER tun. Auf der Seite www.MunichKyivQuer.org/helfen führen wir auch auf, wie die Spendengelder geholfen haben und wie aktuell die Lage für LGBTIQ* in der Ukraine ist. Außerdem finden sich dort Informationen über aktuell laufende Projekte.

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„Wir müssen die Militärhilfe für die Ukraine erhöhen!“


Sascha ist eine queere Aktivistin und Künstlerin aus Kyjiw, die dieses Jahr 20 Jahre alt wird. Als ihre Eltern nach der russischen Invasion beschlossen, aus dem Land zu fliehen, war sie noch ein Teenager. Bald wurde ihr klar, dass die Ukraine und ihre queere Bewegung Hilfe brauchen, um zu überleben. Dies ist ihre Geschichte, protokolliert von unserer Kolumnistin Iryna Hanenkova.

Ich lebe derzeit in Vancouver und studiere Kunst an der University of British Columbia (UBC), wobei ich mich für Schauspiel, Psychologie und internationale Beziehungen interessiere. Seit ich die Ukraine verlassen habe, habe ich mein Land bei Demonstrationen in Warschau, New York und Vancouver vertreten.

Bevor ich im Juli 2022 nach Kanada zog, um mein Studium zu beginnen, lebte ich sechs Monate lang mit meiner Familie in New York. Als Teenager wusste ich damals nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich war ja auf all das, auf den Krieg und seine Folgen, nicht vorbereitet worden.

Wie kann man die Ukraine aus dem Ausland unterstützen?

Für alle, die damals in der Region Kyjiw lebten, war der 24. Februar 2022 der schrecklichste Tag ihres Lebens, da die russische Armee die Region ständig beschoss und schnell vorrückte. Um meine engsten Familienangehörigen wiederzusehen, die sich zu dieser Zeit im Ausland aufhielten, verließen wir die Heimat ohne konkreten Plan und zogen schließlich über Warschau nach New York.

Ich verbrachte ein halbes Jahr damit, mich in New York für die Ukraine einzusetzen, und versuchte herauszufinden, was ich mit meinem Leben anfangen und wie ich meine Fähigkeiten als im Ausland lebende Ukrainerin am besten einsetzen sollte. Ich engagierte mich ehrenamtlich bei „Razom For Ukraine“, nahm an jeder ukrainischen Demo teil und lief im Juni 2022 bei der New Yorker Pride-Parade mit, um die ukrainische LGBTIQ*-Community zu vertreten.

Die Teilnahme an Pride-Veranstaltungen war mir schon immer wichtig, seit ich angefangen habe, mich für die Rechte von Frauen einzusetzen und meine Sexualität zu erforschen. Die erste Pride-Parade, an der ich war, war der vom KyivPride organisierte „Equality March“ im September 2021, fünf Monate vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.

Aktivismus war der wichtigste Antrieb in meinem Leben, seit ich mir der Menschen- und Tierrechtsproblematik in der Ukraine bewusst wurde. Der Krieg beschleunigt jetzt viele soziale Veränderungen und führte kürzlich zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention, zum Entwurf eines Gesetzes über gleichgeschlechtliche Partnerschaften, zur Legalisierung von medizinischem Cannabis vielleicht usw.

Auf den Prides wollte ich mit westlichen Klischees brechen…

Um mehr Unterstützung für die ukrainische Sache zu gewinnen, nahm ich auch am Pride in Seattle im Juni 2023 teil und half bei der Betreuung der ukrainischen Delegation in Vancouver im August 2023. Ich glaube, dass Pride-Paraden im Ausland eine großartige Gelegenheit sind, die Welt daran zu erinnern, dass ukrainische Queers immer noch Unterstützung brauchen, um den russischen Imperialismus zu besiegen, und um das westliche Klischee zu durchbrechen, dass es in der Ukraine keine queere Bewegung gibt.

Seit ich im Juni 2022 nach Vancouver gezogen bin, um an der UBC zu studieren, hat mein Leben an Sicherheit gewonnen, und ich konnte mich stärker auf mein Engagement für die Ukraine konzentrieren. Als ich mich immatrikuliert habe, trat ich der Ukrainian Student Union alias USU bei. Gemeinsam mit dem Team organisieren wir Veranstaltungen und Spendenaktionen auf und außerhalb des Campus, um die ukrainische Kultur und Geschichte zu fördern.

Als Teil der USU organisiere ich auch den Beitrag der „LGBTIQ* Ukrainians“ für den diesjährigen Vancouver Pride. Unser Ziel als Studentenclub ist es, mehr Unterstützung für die Ukraine an der Universität und in der Stadt zu bekommen, weil ein Großteil der lokalen Bevölkerung leider pro-russischer und kommunistischer Propaganda ausgesetzt ist.

… und mich für Militärhilfe stark machen

In diesem Jahr möchte ich mich verstärkt für ukrainische Projekte einsetzen, die den bestehenden Support für die Ukraine aufrechterhalten und so viele neue Menschen wie möglich für unsere Mission gewinnen. Ich hoffe, dass diese Arbeit die Entscheidungsträger*innen dazu bewegen wird, ihre Militärhilfe für die Ukraine zu erhöhen, da das der einzige Weg ist, den ukrainischen Sieg zu beschleunigen.

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„Ich will nicht weg hier aus der Ukraine“

Das ist die Geschichte von Manila Boss, einer Drag Queen aus der Ukraine. Die 28-Jährige erzählt, wie sie den Ausbruch des Krieges erlebt hat. Manila teilt ihre bewegende Reise, die Momente der Angst, des Überlebenswillens und der Solidarität, die ihr halfen, inmitten des Chaos die Hoffnung nicht zu verlieren. Unsere Kolumnistin Iryna Hanenkova hat Manila getroffen und ihre Story notiert.

Wie ich den Krieg kennenlernte? Unter der Bettdecke. Etwa eine Woche vor Ausbruch hatte ich so meine Vorahnungen, aber im 21. Jahrhundert schien ein großer Krieg weit entfernt. Ich saß zuhause und dachte, dass solche Dinge heute nicht mehr passieren. Doch das Schicksal hatte andere Pläne für uns.

Mein Freund ist Soldat, und am 23. Februar abends verkündete er mir, ich solle nachts vorsichtig sein, sonst könnte mir etwas passieren. Als dann am 24. Februar um sechs Uhr morgens meine Mutter anrief, war mir schnell klar, was er gemeint hatte: Sie sagte: „Sohn, der Krieg hat begonnen. Steh auf, pack ein paar Dokumente und sei bereit.“ Meine Mutter wusste nicht, was sie mir raten sollte, denn wir leben in verschiedenen Städten.

Ich legte den Hörer auf und während ich noch auf dem Bett saß, hörte ich die ersten heftigen Explosionen. Das Chaos begann. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wohin ich gehen oder wo ich mich verstecken sollte. Die Angst überwältigte mich und ich fühlte mich hilflos.

Die Flucht vor den Raketen

In diesem Moment erreichte mich der Anruf eines Freundes. Er sagte mir, ich solle zu ihm in die WG kommen, wir müssten zusammenbleiben. Ohne zu zögern, schnappte ich meine Dokumente und einige Kleidungsstücke, rief ein Taxi und machte mich auf den Weg. Die Explosionen in der Ferne begleiteten mich; ich wusste nicht, ob ich sicher ankommen würde.

Überraschenderweise kam das Taxi schnell, ich fuhr unter den Explosionen zu meinen Freund*innen und wusste nicht, ob ich dort ankommen würde…

Während der ersten drei Wochen lebte ich in dieser Wohngemeinschaft. Bei jedem Luftangriff rannten wir, suchten Deckung, oft im Gelände eines Nachtclubs, in dem ich früher aufgetreten war. Der Club lag unterirdisch und schien relativ sicher.

Dann, als die Situation im Land klarer wurde, kehrte ich alleine nach Hause zurück. Ich fand mich in einem neuen Leben wieder. Der Club, in dem ich aufgetreten war, hatte seine Türen geschlossen – klar.

Hoffnung inmitten des Chaos

Gott sei Dank hatte und habe ich noch einen anderen Job, der mich über Wasser gehalten hat. Ich arbeite für die Jugendorganisation Partner. Unsere Zielgruppe sind LGBTIQ*.

Vor dem Krieg führten wir Tests auf STI durch und verteilten Verhütungsmittel. Nach Kriegsbeginn begannen wir, Binnenvertriebenen zu helfen, die aus den nahe gelegenen Städten Cherson und Mykolajiw geflohen waren.

Wir versorgten sie mit Lebensmitteln und humanitären Hilfsgütern, und für trans* Personen begannen wir, kostenlose Hormonersatztherapien anzubieten. Das machen wir bis heute…

Die Ukraine wird triumphieren

Anderthalb Jahre lang trat ich nicht auf einer Bühne vor Publikum auf. Ich wusste nicht, ob ich je wieder auftreten würde. Ich wusste nicht, ob irgendjemand das jetzt brauchte. Aber – Wunder! – vor Kurzem rief mich der Direktor des Clubs an, in dem ich früher auf der Bühne stand, und sagte: Manila, wir arbeiten wieder!

Von den ersten Tagen des Krieges an war ich auf dem Territorium meines Landes!!! Und ich wollte und will nicht weg von dort! Ich bin zu Hause!!! In der Ukraine!

Während ich diese Zeilen schreibe, geht der Krieg unvermindert weiter. Doch ich glaube fest daran, dass die Ukraine siegen wird. Ich bin stolz auf unsere ukrainischen Streitkräfte und auf unser Volk. Alles wird gut werden, denn am Ende wird die Ukraine triumphieren.

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„Der Krieg hat alles verändert!“

Dmitry ist eine Drag Queen. In seinem Blog beschreibt der junge Ukrainer, wie er den Kriegsausbruch erlebt hat und wo ihn der Angriff Russlands schließlich hingeführt hat. Er musste seine Heimatstadt verlassen, seine Familie ist geflohen, ständig hat er neue Jobs finden müssen. Einziger Lichtblick: Die Liebe! Vor Kurzem hat Dmitry jemanden kennengelernt. Unsere Kolumnistin Iryna Hanenkova hat seine Geschichte für uns aufgeschrieben.

Es ist der 24. Februar 2022. Zwischen 7:30 und 7:35 Uhr morgens, so ungefähr. Das Telefon klingelt – meine Großmutter aus Saporischschja ruft an. Ich lebe zu der Zeit in Charkiw.

  • Hallo, Dima, was ist los bei Euch?
  • Was soll denn los sein?, frage ich.
  • Ist es laut? Bombardieren sie?
  • Wovon redest du? Ich muss gleich los, zur Arbeit. Was bombardieren sie?
  • Der Krieg hat begonnen.
  • Ich rufe zurück.

Der Krieg hat begonnen. Diese Worte sind wie ein Schock. Ich rufe die Nachrichten auf und lese, was los ist. Der Krieg hat in der Tat begonnen. Ich springe aus dem Bett, zieh mich an, wecke meinen Mitbewohner und sage ihm, er solle seine Sachen packen. Vorsorglich.

Ich würde die nächste Woche in Charkiw verbringen, zum allerletzten Mal.

Wir packen alles Notwendige ein, Dokumente, Lebensmittel. Wie vorausschauend war es gewesen, dass wir ein paar Tage zuvor genug für zu Hause eingekauft hatten. Am späten Nachmittag kommt ein Freund zu Besuch, der allein lebt. Ich wollte ihn mit all dem nicht allein lassen. Eine Woche lang schlafen wir im selben Bett – bei offenem Fenster, damit wir mitkriegen, was draußen vor sich geht. Wir haben keinen Hunger, essen nichts. Wir vergessen sogar zu duschen. Wir haben Angst davor.

Am 28. Februar gehen wir das erste Mal raus, weil uns die Zigaretten ausgegangen sind und wir vor lauter Nervosität wieder das Rauchen angefangen haben. Es ist der vierte Kriegstag. Wir sehen uns im Viertel um. Überall stehen sie Schlange. Nirgendwo Zigaretten oder die Läden sind zu. Am Ende der Straße finden wir schließlich einen Shop, der auf hat.

Die Russen beschießen wahllos das Zentrum

Es ist kalt draußen, der Himmel bedeckt, wir können nichts sehen. Wir stehen zwei, zweieinhalb Stunden an. Als nur noch zwei Leute vor uns sind, hören wir herannahende Flugzeuge und Explosionen. Nie im Leben hatte ich mehr Angst. Die Flugzeuge bombardieren das Stadtzentrum. Alle rennen, wohin sie können, weil man die Flugzeuge hinter den Wolken nicht sehen kann. Es ist sehr beängstigend. Diese Gefühl werde ich wohl nie vergessen.

Charkiw im Dezember 2022. Foto: Sibylle von Tiedemann

Ich hasse die Mistkerle, die in diesen Flugzeugen sitzen. Den Abschaum, der die Rakete gebaut hat, die gerade auf mich zufliegt. Sie ist nur 10 bis 20 Meter entfernt. Ich kann sie sehen. An diesem Tag schlägt sie in der Nähe in einer Gruppe von Menschen ein, die an einer Tierhandlung anstehen. Einer Frau werden die Beine zerfetzt; sie stirbt später im Krankenhaus an den Folgen ihrer Verletzung.

Wir geben die Suche nach Zigaretten auf und gehen nach Hause. Die Straße ist mit Raketen übersät – Blindgänger.

Ich schlafe erschöpft auf dem kalten Boden ein

Am Abend wieder. Sie bombardieren das Zentrum von Charkiw mit Flugzeugen. Die City, wo ganz normale Menschen leben. An diesem Abend schlafe ich auf dem Korridor auf dem kalten Boden ein, weil ich so erschöpft bin.

In all den Tagen darauf komme ich kaum zur Ruhe. Der Beschus dauert in der Regel bis nachts um zehn, elf, und dann geht es gegen sechs, sieben Uhr morgens wieder los. Die beiden Jungs schlafen schneller ein als ich, weil ich immer auf die Geräusche achte.

Mir wird bald klar, dass ich den Verstand verliere, wenn ich hier bleibe. Am 2. März beschließe ich, die Stadt, in der ich zwei Jahre lang gelebt habe, zu verlassen. Für lange Zeit.

In Friedenszeiten brauche ich zehn Minuten und zwischen 60 bis 70 Hrywnja, um zum Bahnhof zu kommen. Jetzt kostet ein Taxi zwischen 3000 und 5000 Hrywnja. So viel Geld habe ich nicht. Ein Junge und sein Vater erklären sich bereit, mich für 1000 Hrywnja mitzunehmen. Sie holen mich in der Nähe meines Hauses ab. Ich trage einen Koffer mit mir, aus dem ich noch sechs Monate lang leben sollte. Wir fahren durch eine leere, zerstörte Stadt, über der russische Flugzeuge kreisen.

Der Bahnhof ist voller Menschen

Ich bin diesen Menschen überaus dankbar, dass sie mich rausholen. Meine Freund*innen aus Dnipro haben mich überredet, zu ihnen in die Stadt zu kommen. Und so warte auf den Evakuierungs-Zug nach Dnipro – einen ganzen Tag.

Der Bahnhof ist überfüllt mit Menschen. Es gibt zwei Züge mit Frauen und Kindern darin. Das Bahnhofspersonal und Freiwillige verteilen Milch, Wasser, Kekse. Ich habe nicht mal Wasser dabei, was ich noch bereuen werde. Mein Gehirn versucht zu verstehen, was um mich herum geschieht. Es ist absurd, es ist Irrsinn; es kann nicht sein. Aber es ist die Realität.

Endlich: Meine Eltern!

Der Zug nach Dnipro besteht aus drei Waggons. Nur drei Waggons für die Menschenmasse hier. Man könnte auch sagen: „Wie ein Hering im Glas“. Wir werden in den Zug gepfercht. In der Nähe hören wir Explosionen. Wir haben alle Angst, dass dieser Wagen zu unsem Sarg werden könnte. Als der Zug abfährt, atme ich auf. Der Albtraum hier ist vorbei. Aber die Ungewissheit, der Blick aus dem Fenster machen es nicht einfacher. Ich habe wahnsinnigen Durst und es gibt kein Wasser. Die nächsten sechs Stunden fahre ich halb bewusstlos nach Dnipro.

In Dnipro bleibe ich zwei Wochen bei meinen Freund*innen. Dann kann ich endlich nach Saporischschja zu meinen Eltern. Ich bleibe bis Anfang April.

Flucht nach Kyjiw

Zu Hause rumsitzen und nichts zu tun. Das ist das Schlimmste! Am 6. April verlasse ich Saporischschja wieder und fahre in die Hauptstadt.

Ich lebe jetzt seit eineinhalb Jahren in Kyjiw. Ich habe bereits fünf Mal den Job gewechselt, und derzeit mache ich eine Ausbildung zum Beauty-Berater. Ich arbeite gelegentlich als Drag Queen; da liegt das nahe.

Im Januar habe ich eine große Harry-Potter-Aufführung mit veranstaltet, denn ich habe schon immer viel mit Kindern gearbeitet. Ich verstehe besser als jeder andere, dass sie jetzt ein Märchen brauchen – wir alle eigentlich.

In Saporischschja hatte ich mein eigenes Club-Projekt, sechs Jahre lang. Seit Kriegsbeginn konnten wir nur zwei Partys dort veranstalten. Saporischschja ist Frontstadt. Es war so schön, endlich einmal wieder Gäste zu haben.

Alles ist anders

Der Krieg hat vieles verändert. Er hat mir die Familie genommen, die ich früher so oft gesehen habe. Meine Mutter und meine Schwester leben jetzt in England, mein Vater ist in Saporischschja geblieben, zusammen mit meiner Großmutter. Mir ist erst jetzt klar, wie wichtig meine Familie in meinem Leben immer war.

Der Krieg hat mir auch meine Lieblingsstadt genommen. Ich habe ein Jahr gebraucht, um mich vom Umzug aus Charkiw zu erholen. Ich vermisse mein blühendes, schönes und liebes Charkiw.

Immerhin habe ich endlich einen lieben Menschen kennengelernt. Ich war sechs Jahre lang allein, und irgendwie ist es passiert, dass es jetzt, vier Monate später, nicht mehr so ist. Das ist wahrscheinlich das Einzige, worüber ich glücklich bin.

Das Leben geht weiter

Ich mache Pläne und hoffe, dass bald alles vorbei ist und wir alle wieder zusammen sein können. Ich träume davon, eine weitere coole (Drag-)Produktion zu machen. Aber ich fühle mich nicht in der Lage, das Konzept dafür zu schreiben. Vielleicht werde ich es eines Tages tun, aber sicher bin ich mir nicht.

So könnt Ihr helfen


EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer die Menschen in der Ukraine, die in Not oder auf der Flucht sind. Denn nicht alle sind an ukrainische LGBTIQ*-Organisationen (s.u.) angebunden. Die Hilfe ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr auf PayPal die Option „Für Freunde und Familie“ wählt. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, Sprecher Munich Kyiv Queer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken.

Wir helfen unsere Freund*innen und Partnern. Alle Gesuche aus der Community werden in Zusammenarbeit mit unseren queeren Partner-Organisationen in der Ukraine akribisch geprüft. Können sie selbst helfen, übernehmen sie. Übersteigen die Anfragen die (finanziellen und/oder materiellen) Möglichkeiten der LGBTIQ*-Organisationen, sind wir gefragt.

HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschland an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier

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„Ich habe es geschafft, der russischen Besatzung zu entkommen“

Krieg und kein Ende. Munich Kyiv Queer sammelt deshalb weiter Geschichten von LGBTIQ* in der Ukraine. Wir fragen uns: Wie lebt Ihr mit diesem Krieg? Wie lebt Ihr in diesem Krieg? Wir wollen das Bewusstsein für das Schicksal queerer Menschen schärfen und um Spenden werben. Dies ist die Geschichte von Oleksandra.

Zwei Monate hat Oleksandra noch in Mariupol ausgeharrt, als die Stadt am Asowschen Meer von der russischen Armee bereits besetzt war. Dann hat sie es wie durch ein Wunder geschafft, aus Mariupol rauszukommen. Ihr Haus dort wurde vollständig zerstört. Nur wenigen ist die Flucht gelungen.

Mit ihrer Freundin ist Oleksandra Richtung Westen aufgebrochen. Heute leben sie in Ivano-Frankivsk. Das ist gut, auch einen Job hat sie gefunden. Allerdings deckt das Gehalt, das sie dort bekommt, gerade einmal die Miete ab. Und irgendwie seien sie beide nicht unterprivilegiert genug, um Mittel für Lebensmittel, Medikamente, Hygieneartikel und Kleidung zu bekommen. Da sei „You are not alone“ für die beiden tatsächlich die einzige Hilfe gewesen, für die sie sehr dankbar sind. Oleksandra und ihre Freundin hoffen, dass die LGBTIQ*-Community in der Ukraine weiterhin von uns unterstützt wird. VIDEO

„You are not alone“ wird vom Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mit finanziert, dem auch Munich Kyiv Queer angehört. Es sind Eure Spenden, die hier etwas bewirken.

Danke an alle Mitwirkenden!

Vielen Dank auch an Oleksandra Semenova, die uns bei diesem Videoprojekt geholfen hat. Danke an Matt und Stas für die Untertitel. Und Danke an Nikita für die ukrainische Übersetzung.

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„Als der Beschuss begann, hatte ich wirklich Angst“

Pawel wurde eingezogen, noch bevor Russland seinen vollumfänglichen Krieg lostrat. Als der erste Schuss fiel, war Pawel dann bereits im Schützengraben. Seitdem kämpft er. Für ihn als schwulen Mann ist das doppelt schwer: Da ist die Angst vor dem Feind, die Panik vor dem Outing und die ständige Sorge um seinen Freund, der ebenfalls dient. Wie Pawels Kamerad:innen mit seiner sexuellen Orientierung umgehen, hat unsere Kolumnistin Iryna Hanenkova für uns protokolliert. Soviel sei vorweggenommen: Leicht hat es Pawel nicht.

Mein Name ist Pasha, ich bin 22 Jahre alt. Ich bin beim Militär, als Flugabwehrkanonier, und ich bin schwul.

Mein Dienst begann mit der Einberufung zum Wehrdienst. Als Russland seinen Krieg gegen die Ukraine entfesselte, wurden wir automatisch eingezogen. In der Armee wusste erst niemand etwas über mich, bis mich die Kamerad*innen beim Chatten erwischt haben. Der Chat war ziemlich eindeutig ;).

Nach und nach wussten alle Bescheid. Die Leute lästerten, manchmal bezog ich Prügel.

Niemand hatte an einen Krieg geglaubt

Als der Krieg losging, war das für mich schwierig. Ich war noch nie im Krieg und ich war auch nicht dafür ausgebildet.

Wir hatten nicht so recht daran geglaubt, dass es tatsächlich Krieg geben könnte. Man sagte uns, wir sollten gehen, also gingen wir, gruben Gräben und warteten einfach ab. Als dann der Beschuss kam, bekam ich wirklich Angst. Unsere Kommandanten haben es mit Witzen versucht, damit wir nicht in Panik gerieten.

Was meine Orientierung anging, war das vielen Leuten egal. Wir hatten eine Aufgabe, und die erfüllten wir. Wenn es ruhiger war, brachten die Jungs manchmal das Thema auf. Blödes Zeug, Witze, ohne etwas davon zu verstehen.

Manchmal hat es mich verletzt, manchmal haben wir gestritten. Aber im Allgemeinen bereitetet mir meine sexuelle Orientierung keine großen Schwierigkeiten. Die meisten Jungs akzeptieren die Tatsache, dass ich schwul bin.

Auch Freund Vlad kämpft an der Front

Was meinen Freund angeht: Eine Fernbeziehung zu führen, ist wirklich sehr schwierig, vor allem im Krieg. Als Vladyslav und ich zusammenkamen, war er noch ein Zivilist. Wir haben uns dann entschieden, dass auch er zum Militär gehen sollte. Er dient in der Region Volyn.

Anfangs war alles so romantisch. Als ich in Mykolajiw war, habe ich Vladyslav kennengelernt. Wir schrieben uns eine Woche lang SMS und riefen einander an. Danach kam er zu mir, und wir beschlossen, zu daten. Das ist lange her.

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Taras: „Ein Mann fing an, mich zu schlagen, weil er sich vor mir ekelte“

Die russische Invasion vor eineinhalb Jahren hat für Taras alles verändert. Nachdem er seinen Job verloren hatte, zog er aus Lwiw nach Kyjiw, um Arbeit zu finden, ein neues Leben zu beginnen. Doch hat ihn dort seine neue Liebe betrogen, im Job haben ihn Kolleg*innen gegängelt, er wurde verprügelt, krank; sein Cousin kam im Krieg um. Und doch hat Taras nicht aufgegeben. Unsere Kolumnistin Iryna Hanenkova hat seine Geschichte aufgeschrieben.

Hallo, mein Name ist Taras. Ich bin 20 Jahre alt, komme aus Kyjiw, aber ursprünglich aus Lemberg. Ich bin schwul.

Während der Invasion habe ich mit einem Freund in Lemberg zusammengelebt. Am 24. Februar 2022 kam er in mein Zimmer und erzählte mir, dass der Krieg ausgebrochen sei. Natürlich habe ich ihm nicht geglaubt, aber als ich zur Arbeit ging, schrieben meine Chefs, dass wir zuhause bleiben sollten. Es war der Tag, an dem wir unsere Gehälter bekommen hätten, und alle Mitarbeiter*innen standen ohne Geld da. Sie haben es uns freilich später gegeben.

Ich habe erlebt, wie in der Nähe eine Rakete einschlug; die ganze Stadt war in Rauch gehüllt, das war schrecklich. Die Organisation, für die ich arbeitete, stellte ihren Betrieb ein. Niemand wusste, wann sie wieder öffnen würde, und so stand ich ohne Arbeit da.

Schmerzhaftes Coming-out

Das war hart, denn ich war ohnehin ganz auf mich allein gestellt. Mit meiner Familie hatte ich seit meinem Coming-out keinen Kontakt mehr. Sie haben es anfangs gut aufgenommen, aber bald schon fingen die Streitigkeiten an. Sie sagten, dass ich krank sei, ich behandelt werden müsse und dass ich Priester bräuchte, die für mich beteten. Die Auseinandersetzung mit Menschen, die mir so nahe standen, war sehr schmerzhaft für mich.

Als es erneut einen schweren Raketenangriff auf unsere Stadt gab, nahmen mich meine Freund:innen mit zu sich nach Hause und ich zog zu ihnen. Wir halfen ehrenamtlich, brachten Sachen in die Notunterkunft für Menschen, die Kyjiw verlassen hatten, und nahmen Flüchtlinge für die Nacht auf, die später ins Ausland gingen. Ich habe auch in einem Theater mitgearbeitet, wo man Sachen und Lebensmittel aus anderen Ländern anlieferte. Wir haben sie sortiert und weitergegeben.

Eines Tages erhielt ich von einem Freund die Nachricht, dass in Kyjiw ein Husky ausgesetzt worden sei, und ich beschloss, ihn zu mir zu nehmen. Ich erinnere mich an den Moment, als es schneite, ich einen Lastwagen belud und die Hündin, die ich Bella nannte, neben mir herlief. Als mal wieder der Alarm losging, rannten wir in den Keller. Viele Menschen waren dort und Bella machte alle glücklich. Ich liebe sie sehr, ich fühlte mich ruhiger mit ihr. Ich hatte jemanden, um den ich mich kümmern konnte.

Abschied von Hündin Bella

Ich fand eine Stelle als Koch. Ich arbeitete viel und lange, der Hund litt sehr unter meiner Abwesenheit. So musste ich Bella zu einem Freund geben, der ein eigenes Haus hatte. Es war eine sehr schwierige Entscheidung, aber es ging nicht anders.

Dann wurde mein früherer Job frei und ich begann, zwei Jobs zu kombinieren und sieben Tage die Woche zu arbeiten. Alles wurde teurer, Lebensmittel, Miete. Deshalb begann ich eben, wieder als Sozialarbeiter für Alliance Global zu arbeiten und Tests auf HIV, Syphilis usw. durchzuführen.

Das war alles wirklich sehr schwierig. In der Küche, wo ich arbeitete, erfuhren die Leute von meiner sexuellen Orientierung, und ich wurde schwer schikaniert. Ich habe das einen Monat lang ertragen und dann gekündigt.

Bei meiner neuen Arbeitsstelle gab es kein solches Gekeife. Ich wurde unterstützt, wir hatten alle eine gute Arbeitsbeziehung. Aber es gab Missverständnisse mit dem Chef. Ich kündigte wieder und wechselte auf eine Stelle als Verwaltungsfachangestellter.

Schließlich lernte ich über eine App einen Mann kennen, der mir sehr gefiel. Eines Tages packte ich meine Sachen und fuhr nach Kyjiw, um ihn zu treffen. Und mir wurde klar, dass ich in die Hauptstadt ziehen wollte, um in seiner Nähe zu sein.

Eine neue Liebe, ein neues Leben

Ich hatte all meine Angelegenheiten in Lemberg geregelt und war dabei, wegzuziehen – ohne aber Geld zu haben: Ich hatte Schulden, keine Freunde außer IHM. Ich sah auf Facebook eine Anzeige für eine Wohnung und mietete mich irgendwo in Kyjiw ein. Ich wusste überhaupt nichts über meinen neuen Mitbewohner, er war ein völlig Fremder…

Ich war einen Monat lang arbeitslos, und die Begegnung mit dem Mann, der mich dazu gebracht hatte, Lwiw zu verlassen, war inspirierend. Ich fühlte mich sehr glücklich, glücklich und arbeitslos. Später fand ich allerding heraus, dass mein Mitbewohner keine Miete zahlte und ich für alles aufkommen sollte. Das war sehr unangenehm, und so beschloss ich, wieder auszuziehen.

Ich wurde krank. Schmerzen quälten meinen Körper: Es fiel mir schwer, zu sprechen. Es war mir unmöglich, allein aufzustehen. Zwei Wochen lang Schmerzen zu ertragen, war der Preis dafür, dass ich nicht rechtzeitig zum Arzt gegangen war. Es stellte sich heraus, dass ich eine akute Blinddarmentzündung hatte, die operiert werden musste.

Ich hatte unglaubliche Angst. Meine Freund*innen schickten mir Geld, die Kommunikation mit meiner Mutter schien sich zu verbessern. Vor allem aber kam der Mann, in den ich verliebt war, und unterstützte mich. Die Operation war erfolgreich! Wir kamen uns näher, ich fühlte mich umsorgt und unterstützt.

Ich fand wieder Arbeit. Allerdings erfuhren sie auch dort von meiner sexuellen Orientierung und das Mobbing begann erneut. Es kam zu einer Schlägerei vor den Augen von Kunden und Kolleginnen. Ich wurde provoziert und gedemütigt, und ein Mann fing an, mich zu schlagen, weil er sich vor mir ekelte. Ich habe es ertragen, weil ich Geld brauchte. Es war Winter, ich war allein, mein Gehalt war niedrig.

Die Trennung vom Freund

Und dann: Blockte mich mein Freund in den sozialen Medien. Die Person, in die ich mich verliebt, deretwegen ich meine Heimatstadt, meine Arbeit und meine Freund:innen verlassen, mit der ich abends Weintrauben gegessen und bis zum Morgen geplaudert hatte! Irgendetwas in mir zerbrach und eine Depression begann, die drei Monate andauerte. Später fand ich heraus, dass ER ein Escort war und dass sich viele Menschen bei IHM mit Syphilis angesteckt und dass er mich überhaupt in vielerlei Hinsicht betrogen hatte.

Ich kündigte. Die Depression, der Verlust meines Arbeitsplatzes, die Suche nach einem neuen, der Mangel an finanziellen Mitteln, alles, was ich zu dieser Zeit erlebte und fühlte, wurde durch einen Anruf meiner Mutter beendet. Sie erzählte mir, dass Andriy, mein Cousin, der bei der Territorialverteidung war und damals in der Nähe von Bakhmut Dienst tat, getötet worden war. Seine Frau und seine beiden kleinen Kinder blieben allein zurück.

Der Tod des Cousins

Ich packte meine Sachen und fuhr sofort nach Lwiw. Die Trauer der Angehörigen, die Sehnsucht nach dem Verstorbenen, der Schmerz brachen mir das Herz. Der Leichnam wurde eine Woche später gebracht. Es ist unmöglich, all das wiederzugeben, was ich damals fühlte, aber ich hatte keine Zeit für Depressionen. Die Beerdigung war hart.

Als ich von der Beerdigung nach Kyjiw zurückkehrte, machte das Unternehmen, für das ich arbeitete, dicht, weil es keinen Gewinn mehr machte. Ich hatte nur noch Tausend Griwna in der Tasche, und in ein paar Tagen sollte ich die Miete bezahlen. Und die Vermieterin hatte schon angekündigt, dass sie die Miete von 5000 auf 9000 Griwna erhöhen würde. Ich dachte daran, nach Lwiw zurückzukehren…

Der Neuanfang

Glücklicherweise kam ich an Geld, mietete ein Zimmer und bekam einen Job. Dort bin ich jetzt. Die Dinge beginnen, sich zu verbessern. Ich bin jetzt Manager in einem Café. Dass ich schwul bin, ist kein Problem. Meine Kolleg*innen unterstützen mich.

Ich liebe meinen Job wirklich. Wir haben eine Wohltätigkeitsveranstaltung mit der Drag Queen Diva Milk organisiert. Wir verwandelten das Café an diesem Abend in einen kleinen Club, unterhielten die Leute und sammelten Spenden für die Streitkräfte.

Ich habe ein tolles Unternehmen, das LGBTIQ*-Menschen gut behandelt und mich in allem unterstützt. Ich möchte mich in meiner Arbeit weiterentwickeln, interessante Veranstaltungen organisieren und weiterhin für die Streitkräfte spenden. Wir glauben an unseren Sieg.

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Wir helfen unsere Freund*innen und Partnern. Alle Gesuche aus der Community werden in Zusammenarbeit mit unseren queeren Partner-Organisationen in der Ukraine akribisch geprüft. Können sie selbst helfen, übernehmen sie. Übersteigen die Anfragen die (finanziellen und/oder materiellen) Möglichkeiten der LGBTIQ*-Organisationen, sind wir gefragt.

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