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LGBTI* in der Ukraine: Alte Probleme, neue Perspektiven
LGBTI* in der Ukraine: Alte Probleme, neue Perspektiven
Die LGBTI*-Community in der Ukraine ist sichtbarer denn je. Zu diesem Schluss kommt die NGO Nash Mir, die jedes Jahr die Situation sexueller Minderheiten im Land untersucht. Ihre neueste Erhebung bezieht sich auf 2019. So haben allein am KyivPride im vergangenen Jahr bis zu 8000 Menschen teilgenommen und beim ersten Pride in Charkiw waren um die 3000 Leute, was sogar die Erwartungen der Organisator*innen übertraf. Speziell der KyivPride war auch in Bezug auf die Zusammensetzung beispiellos: Zum ersten Mal liefen Vertreter*innen der Regierung mit und zwar vom Gesundheitsministerium. Außerdem zum ersten Mal dabei: eine Kolonne von LGBTI*-Veteranen, die gegen die russische Aggression im Osten kämpften, sowie eine Gruppe von Menschen mit Behinderung.
Die große Sichtbarkeit der LGBTI*-Community in der Ukraine lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Probleme sexueller Minderheiten und verlangt Lösungen dafür, was die Politiker des Landes nur noch schwer ignorieren können. Es sind die ukrainischen LGBTI*-Organisationen, die bislang den größten großen Beitrag dazu leisten; sie arbeiten eng mit den Regierungsbehörden zusammen, schulen Journalist*innen, Lehrer*innen, Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen im Umgang mit LGBTI* und helfen, die Lage etwas zu verbessern.
Hassverbrechen werden ignoriert
Gewalt durch rechtsradikale Gruppen ist nach wie das heikelste Thema für ukrainische LGBTI*-Organisationen und deren Aktivist*innen. Die Situation hat sich im Vergleich zu den Vorjahren nicht wesentlich verändert: Rechtsradikale haben ihre homo- und trans*-phoben Aggressionen nicht im Mindesten eingeschränkt, und die Behörden unternehmen leider keine Schritte, um dieses Problem wirksam anzugehen. Öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie die Prides werden zuverlässig von der Polizei geschütz. Wo keine Kameras auf sie gerichtet sind, verhält sich die Polizei allerdings in aller Regel sehr passiv. Hassverbrechen gegen LGBTI*-Personen werden nachlässig bis gar nicht untersucht, die Täter entziehen sich oft der Verantwortung.
Die Gesetzeslage für LGBTI* ist in der Ukraine seit Jahren unverändert. Der Aktionsplan für Menschenrechte, der sogar die Einführung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften sowie einen umfassenden Diskriminierungsschutz vorsah, ist nie umgesetzt worden. Bis heute sind Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Gender-Identität im Strafgesetzbuch nicht definiert.
Das politische Leben der Ukraine im Jahr 2019 drehte sich vor allem um den Wahlkampf, erst für die Präsidentschafts-, dann für die Parlamentswahlen. Fragen zur Situation von LGBTI* haben keine Rolle gespielt. Obwohl die neue Regierung unter Präsident Volodymyr Zelenskyi jünger und auch weniger religiös, moderner erscheint als die Vorgängerriege, hat dies bisher noch nicht dazu geführt, dass sie konkret auf die Forderungen der LGBTI*-Community eingegangen wären.
Der Einfluss der Kirchen nimmt ab
Die ukrainischen Kirchen waren auch 2019 erbitterte Gegner von LGBTI*, aber ihr Einfluss auf die Regierung hat deutlich abgenommen. Präsident Zelenskyi nimmt im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht an religiösen Zeremonien teil; die einstigen Lobbyisten der Kirchen haben ihre Positionen verloren.
Nash Mir dokumentierte darüber hinaus für 2019 exakt 369 Hassverbrechen, die durch Homophobie und Trans*-Phobie motiviert waren. Vertreter*innen der LGBTI*-Communitys großer Städte, in denen Lesben, Schwule, Bi, Trans* und Inter* am sichtbarsten sind wie in Kyjiw, Charkiw, Odesa und auch Cherson, litten am häufigsten darunter.
Quelle: Nash Mir, „Alte Probleme, neue Perspektiven„, 2020, Jahresbericht zur Situation von LGBTI* in der Ukraine
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