Wie LeTRa und Sub: Münchner Szene sammelt für Wiedereröffnung von Queer Homes in der Ukraine!
Münchens Lesben, Schwule, Bi, Trans* und Inter* (LSBTI) zeigen sich großzügig. Die Szene spendet über 7000 Euro für die Wiedereröffnung zweier Queer Homes in Odesa und Krywyj Rih, die die Gay Alliance Ukraine aus Münchens Partnerstadt Kyjiw betreibt. Munich Kyiv Queer setzt dafür ein eigenes Patenprogramm auf. Denn weitere Queer Homes sollen folgen.
Schweißbarometer: Fünf Tropfen – von fünf! Die Icons bekamen Interessierte in den vergangenen Tagen häufiger mal zu sehen,
wenn sie morgens in den Blog von Julia Schmitt klickten. Schmitt ist eine von elf Frauen rund um den Lesbenchor
Melodiva, die Anfang August zu einer Radtour von Lindau aus aufgebrochen waren. Den Bodensee-Königssee-Radweg entlang sind sie gefahren, vor allem aus Spaß am gemeinschaftlichen Radeln, aber auch um Geld für das
Queer Home in Krywyj Rih zu sammeln. Eine Biketour für den guten Zweck – und das bei der Hitze!
Krywyj Rih ist eine Industriestadt im Zentrum der Ukraine, die längste Stadt Europas, wie es heißt, gebaut rund um die vielen Eisenerzminen, der sie in der Sowjetzeit ihre wirtschaftliche Bedeutung verdankte.
Die Stadt wurde im Krieg zerstört, präsentiert sich heute grau und perspektivlos. Dabei hat sie durchaus Potenzial, zu einer Art Ruhrmetropole der Ukraine zu werden. Die Gegend gilt als äußerst homophob wie Homo- und Trans*-Phobie in der ganzen Ukraine bis heute verbreitet sind,
auch wenn sich die Situation dank der Pride-Bewegung in den vergangenen Jahren verbessert hat. Schon vor über einem Jahr musste die
Gay Alliance Ukraine aus Kyjiw ihr Queer Home in der Stadt schließen. Es ist, als es das Zentrum für die LSBTI-Community noch gab,
mehrere Male von Rechtsradikalen überfallen, ihr Leiter, der offen schwule Boris Z., schlimm verprügelt worden.
Mit Kilometergeld ans Ziel
Sieben dieser Kommunikations- und Kulturzentren hatte die Gay Alliance Ukraine in den vergangenen Jahren im ganzen Land etabliert. 2016/2017 war die Förderung aus dem Ausland (von SIDA) dafür ausgelaufen und die engagierten Aktivist*innen, die sich in den Queer Homes engagiert hatten, standen plötzlich auf der Straße. Dabei waren diese Begegnungsstätten eigentlich ein Erfolgsprojekt, weil sie so viele Menschen zu gemeinsamen, auch politischen Aktivitäten in ihrer Freizeit mobilisiert hatten, ehrenamtlich wohlgemerkt. So etwas gab es bis dato in der Ukraine gar nicht!
Umso wichtiger also, die hochmotivierten Aktivist*innen in ihre Zentren zurückzuholen. „Die brauchen schließlich einen Schutzraum“, sagt Julia Schmitt. „Das hat uns allen gleich eingeleuchtet, weil wir es so ja auch von hier kennen mit der Lesbenberatung
LeTRa oder dem Schwulenzentrum
Sub.“ Und nicht zuletzt benötigen die jungen ukrainischen LSBTI-Chöre aus der Ukraine die Queer Homes, um dort ungestört proben zu können. „
Einige von uns haben beim lesbisch-schwulen Chorfestival Various Voices im Mai in München den Chor Voice is my life aus Krywyj Rih gehört. Der Chor trat zum ersten Mal bei einem Chorfestival auf; die Begeisterung und das Engagement der Sänger*innen haben uns berührt.“
Melodiva rief deshalb kurzerhand zum solidarischen Kilometersponsoring auf. Wie das geht? Man verpflichtet sich, pro Kilometer, den die Radfahrerinnen zurücklegen, eine bestimmte Summe einzuzahlen. Manche geben einen Cent, andere aber auch einen Euro. So kamen am Ende über 3000 Euro zusammen.
Melodiva und ihre Mitstreiterinnen haben damit die Miete für das Queer Home im ersten Jahr eingesammelt (VIDEO).
Ein Spendenprogramm für die ukrainische LSBTI-Community
Die Betroffenen waren von der großzügigen Spende ziemlich gerührt, zumal ein Einzelspender aus München ja schon für das Queer Home in Odesa so viel Geld gegeben hatte,
das nun während des OdesaPride in der Woche vom 16. bis 19. August wiedereröffnet wurde.
„Wir haben vor, für alle Queer Homes in der Münchner Community eine Art Patenprogramm aufzusetzen“, sagt
Uwe Hagenberg, Sprecher von
Munich Kyiv Queer, der die Idee dazu hatte. Die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer koordiniert die Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen und Münchner LSBTI-Community seit vielen Jahren; über ihre Arbeit ist auch Melodiva in die deutsch-ukrainische Programmarbeit in Sachen LSBTI eingebunden. Uwe Hagenberg erklärt: „
Wir laden jedes Jahr Aktivist*innen aus der ganzen Ukraine nach München ein, um sie mit dem Ehrenamt in unserer Münchner Szene vertraut zu machen.“ Die meiste Arbeit in den vielen LSBTI-Organisationen Münchens stemmten ja Ehrenamtliche. „Es kann nur hilfreich sein, diese Erfahrungen zu teilen.“ So kam die Sache mit den Queer Homes erst auf.
Denn die eingeladenen Aktivist*innen hatten bei der Gelegenheit im April, als die besagten Ehrenamtler*innen-Workshops stattfanden, immer wieder betont, wie wichtig es für sie sei, Räume zu haben, in denen sie selbst ehrenamtliche Angebote machen können. Die Spannbreite reicht da von Beratungs-, Selbsthilfe- und Freizeitangeboten bis zur Vorbereitung politischer Aktionen. Wer spendet, so die Idee, sollte die Möglichkeit bekommen, ein Queer Home mit seinem Namen als Sponsor zu unterstützen. „Realistischerweise wollen wir aber erstmal zwei dieser Zentren fördern, Odesa und Krywyj Rih“, sagt Hagenberg. „Denn zwar liegen die Jahresmieten für so eine Location in der Ukraine im Vergleich nicht gerade hoch, aber in der Folgezeit sollen die Queer Homes ja auch noch offen haben.“ Mittelfristig dürfte die Finanzierung der Queer Homes wieder von den Ukrainer*innen und ihren Geldgeber*innen übernommen werden.
Heißer Herbst mit neuen Queer Homes
Dass nun gleich am Anfang so viel Geld zusammenkommen würde, hat Hagenberg und seine Mitstreiter*innen dann aber doch überrascht, zumal das Patenprogramm kaum angelaufen ist. „Es ist sehr wichtig für uns, den Wandel, der in diesem Land voll im Gange ist, aktiv voranzutreiben“, sagt
Olena Ganich, Programmdirektorin der Gay Alliance Ukraine. „Die Community in München unterstützt uns dabei; es ist ein Akt der Solidarität und Freundschaft. Dank des Münchner Patenprogramms haben die LSBTI-Communitys in zwei ukrainischen Städten nun wieder einen sicheren Ort, an dem sie sich treffen, gemeinsam an Aktionen arbeiten können, um die Menschenrechtssituation für Lesben, Schwule, Bi-, Trans*- und Inter*-Personen in der Ukraine zu verbessern. Dafür ein herzliches Dankeschön!“
Manche der Spender*innen wollen anonym bleiben. Die Frauen von Melodiva aber haben ihr Anliegen über ihren
Blog öffentlich gemacht, auch wenn sie dafür viel schwitzen mussten. „Wir hatten eine Menge Spaß“, sagt Julia Schmitt. Und sie sind überaus kreativ an die tägliche Schreibarbeit herangegangen, wie man lesen und sehen kann.
Das Geld wird nun von Munich Kyiv Queer zu treuen Händen in der Ukraine an die Gay Alliance Ukraine überreicht. Die Räume des ersten Queer Homes sind bereits in Betrieb, Krywyj Rih folgt. Und wer weiß – vielleicht kommen bald noch weitere Queer Homes hinzu. Die ersten Paten haben inklusive Melodiva über 7000 Euro gespendet, genug Geld für je eine Jahresmiete. Mal sehen, was sich unsere Münchner*innen noch so an Spendenaktionen einfallen lassen.
Wer Patin oder Pate werden, wer sich sonst irgendwie einbringen möchte, meldet sich bei Uwe – wir freuen uns über einen heißen Herbst!
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