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München in Odessa. Zum zweiten Mal unterstützen wir, Lesben und Schwule aus der Münchner Community, Trans* und Bi*, unsere Freundinnen und Freunde vor Ort. Die wagen sich zum dritten Mal an den OdesaPride. Letztes Jahr ist er gelungen, davor war er verboten. Immer hat es Übergriffe auf LSBTI-Einrichtungen gegeben. 2017 aber haben die Veranstalter*innen Großes vor, denn im Vorfeld findet drei Tage lang das Creative Protest Festival statt, das die Gay Alliance Ukraine, der CSD München und Munich Kyiv Queer gemeinsam konzipiert haben. Mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Botschaft in Kyiw und des Münchner Kulturreferats übrigens. Münchens Oberbürgermeister hat an seinen Kollegen in der Schwarzmeerstadt sogar einen Brief geschrieben, in dem er um Unterstützung des Events und des Pride selbst bittet. Das Motto lautet: „Sicherheit, Gleichheit, Vielfalt! Odessa ist die Stadt der Zukunft.“
Als wir am Samstag in die Teefabrik kamen zu unseren Workshops, herrschte große Aufregung. Die rechtsextreme Partei Svoboda hatte zum Pride-Marsch am Sonntag zur gleichen Zeit am gleichen Ort eine Gegendemo angemeldet und es war völlig unklar, was das nun für unseren Marsch bedeuten würde. Anna Leonova, Chefin der Gay Alliance Ukraine in Kyiw und Cheforganisatorin des OdesaPride, hatte schon verschiedene Szenarien von möglichen Reaktionen unsererseits durchgespielt und war im Kontakt zu Behörden und Polizei.
Wir vier Münchner*inen haben angeboten, über unsere politischen Kontakte die Deutsche Botschaft in Kyiw und das Konsulat in Odessa zu informieren. Ich war sehr beeindruckt, wie verlässlich unsere Freund*innen alle Hebel in Bewegung gesetzt haben bis hin zur Information des Auswärtigen Amtes in Berlin. Am Ende hatten wir für uns Deutsche eine Notfalltelefonnummer im Konsulat in Odessa. Vor allem haben aber die Organisator*innen des Pride für Sicherheit gesorgt, wie der Marsch dann gezeigt hat.
Alle Workshops gingen natürlich mit Verspätung los. Die Teilnehmenden meiner Gruppe waren erstaunlich gelassen und fanden, dass die Störmanöver unserer Gegner zu erwarten gewesen seien. Und dann wurde es ein intensiver Workshop-Tag, während parallel die Sicherheitsvorbereitungen auf Hochtouren liefen. Ich hatte den Eindruck, dass wir all unsere Energie aufwenden mussten, um klar zu bleiben bei all den aufwühlenden Gefühlen in uns.
Am Ende des Tages waren wir müde und erschöpft. Mein Mann Wieland und ich sind vor dem Abschluss schon gegangen, um in Ruhe und entspannter Umgebung etwas zu trinken. In einem schönen Gartenrestaurant fanden wir Platz und just dort feierten sie auch gerade Hochzeit. Erledigt wie wir waren, haben wir neugierig Brautpaar und Gäste kamen fast alle als Paare und ganz offensichtlich gab es auch ein schwules Paar unter den Ankommenden. Das war so selbstverständlich für alle, während gleichzeitig der Pride-Marsch so bedroht schien.
Sonntag haben wir uns also in aller Früh aufgemacht zum Marsch, der sehr schön oberhalb der Potemkinschen Treppe angemeldet war. Aus Versehen landeten wir am falschen Ende, wo der Marsch eigentlich seinen Ausgang nehmen sollte. Da war auch schon eine Gruppe von vielleicht 20 Muskelmännern, die man alle in einen schwulen Porno hätte packen können. Als Gegendemonstranten wollten wir ihnen aber lieber nicht begegnen. Sie kamen erst mal nicht durch die Absperrung. Unsere Mitreisende Sibylle von Tiedemann, wie ich Sprecher*in der Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer, verstand, dass sie einen „Ausflug“ machen wollten.
Am anderen Ende das Boulevards trafen wir dann all unsere Freund*innen mit den vielen Katzenschildern, die in Naomi Lawrences‘ Creative Protest Workshop produziert worden waren. Katzen sind sehr präsent in Odessa und werden von den Bewohnern der Stadt geliebt. Wir fanden sie ein schönes Symbol für die Vielfalt und dass alle ihren Platz haben.
So ging der bunte, freundliche Zug dann los unter der Sonne und den Alleebäumen, mit Sprechchören, die Menschenrechte für LSBTI einforderten. Wir kamen bis zur Hälfte der geplanten Strecke, dann stoppte uns die Polizei, weil auf der anderen Seite die Gegendemonstranten waren, ziemlich sicher unsere „Ausflügler“. Die Veranstalter wollten nicht aufgeben und verhandelten mit der Polizei, die Demo wurde zur Sitzblockade. Sprechchöre, Ansprachen, Gesang – es war ein positiver, kreativer, phantasievoller, beharrlicher Auftritt für Menschenrechte.
Am Ende gab es eine salomonische Lösung. Wir hatten standgehalten und verließen durch eine Polizei-Schleuse das abgesperrte Gelände und kamen gesichert in unsere Busse. Wie ich es schon von einem Pride in Kyiw kannte, fuhren die Busse mit uns kreuz und quer durch die Stadt, um potenzielle Verfolger abzuschütteln. Am Ende kamen alle sicher durch den Tag. Wir Münchner*innen saßen erschöpft in einem Café in der Innenstadt, wo mir diese Androhung von Gewalt auf einmal ganz unwirklich vorkam. Alle Achtung vor den krainischen Organisator*innen und allen, die am Marsch teilgenommen haben!
[Uwe Hagenberg, Sprecher von Munich Kyiv Queer]
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