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Die Münchner*innen sind wieder in Kyiw. Zum fünften Mal nun schon unterstützen wir, Lesben und Schwule aus der Münchner Community, unsere Freundinnen und Freunde vor Ort. Die haben in diesem Jahr einen wunderbaren Pride organisiert, mit einer Pride Week, die reich an bunten, kreativen und lehrreichen Events ist. Und einen Pride March, der so viel Unterstützung aus allen Schichten der Gesellschaft erfährt, dass man getrost von einer Zeitenwende sprechen kann. Im Fernsehen und in den U-Bahnen läuft eine Kampagne pro Pride, viele Politikerinnen und Politiker, Künstler*innen, Blogger, ja Soldaten stehen für Menschenrechte ein, die Gegner sind schwach. Wir Münchnerinnen und Münchner haben unseren Anteil an diesem Erfolg; wir beteiligen uns auch am Kulturprogramm. “Unsere persönliche Sicherheit dient der Entwicklung des Landes” lautet grob übersetzt die Botschaft des diesjährigen KyivPride. Oder anders: Alles wird gut!
Samstag – der letzte Tag vor dem Pride-March und die innerliche Spannung steigt leicht, wenn ich schon um 5 Uhr in der Früh wach werde. Als Langschläferin eine eher unübliche Zeit für mich. Heute schreibe ich nun meinen ersten Blog für Munich Kiev Queer, nachdem ich letztes Jahr zum allerersten Mal am KyivPride teilgenommen hatte. Die persönlichen Wahrnehmungen und Gedanken nun in der Kürze niederzuschreiben, empfinde ich als gar nicht so leicht, denn diese sind sehr zahlreich. Die ganze Woche vergleiche ich meine Erlebnisse von 2015 mit der aktuellen Situation und bin wahnsinnig beeindruckt, wieviel sich hier in der kurzen Zeit positiv verändert hat. Ich fühle mich als Frau und Lesbe sehr sicher, im Alleingang in Kyiw unterwegs zu sein und spüre die freundliche Atmosphäre und Aufmerksamkeit der Menschen. Ich liebe die vielseitige Architektur der Stadt und sehe ein großes Potential an Tourismus, wenn mehr Geld in die Infrastruktur und Städteplanung fließen könnte. Wie sehr wünsche ich mir, dass der Krieg im Osten beendet wird, die Menschen endlich in Frieden leben können und die notwendige Aufbauarbeit möglich wäre. Der Eurovision Song Contest wäre eine gute Chance für Kyiw.
Nun zum Tagesablauf, der wie immer gut organisiert ist. Mittags treffen wir uns mit Elena Kotlyarova und einer Kollegin aus der Stadtverwaltung im Shevchenko Park. Elena berichtet von den vielen Briefen, die den Bürgermeister Vitali Klitschko erreichen, um die Unterstützung des Pride im Hinblick der Sicherheit einzufordern. Offiziell hat Klitschko das auf dem letzten UN Treffen zu HIV / AIDS in New York mündlich zugesichert. Es gibt jetzt sogar Gerüchte, dass er selbst am Sonntag teilnehmen wird. Das kann Elena leider nicht bestätigen. Schade, denn er hätte damit ein sehr gutes Signal nach außen gesendet. Es wird wohl noch einige Jahre dauern. Zur Zeit gehe es ganz und alleine um die Schutzmaßnahmen von Minderheiten und nicht um LGBTQI-Rechte speziell. Eine höhere Aufmerksamkeit, berichtet Elena, fordere der Krieg im Osten, die Visaangelegenheiten, die angestrebte europäische Zugehörigkeit, die Probleme nach dem Maidan und die allgemeinen Menschenrechte. Schließlich schlägt sie uns vor, mit weiteren Veranstaltungen etwa kultureller Art mehr in die Öffentlichkeit zu treten.
Elena hat uns ein sehr realistisches Bild von der momentanen Situation der LGBTQI-Community in der ukrainischen Gesellschaft wiedergegeben und damit bin ich vorerst zufrieden aus dem Gespräch gegangen.
Danach geht es weiter zur Elternorganisation TERGO, die von Bogdans Mutter Elena Globa ins Lebens gerufen wurde – Bogdan ist einer der großen Aktivisten der Ukraine. Hier treffen wir auf die Mütter von schwulen, lesbischen und trans* Kindern, die mit hohen Engagement und sehr viel spürbarer Liebe aktiv ihre volle Unterstützung geben. Offiziell gibt es zusätzlich zwei Väter und einen Großvater, die der Initiative angehören, allerdings an diesem Tag nicht anwesend sind. Elena moderiert die gesamte Diskussion und übersetzt gleichzeitig in englischer und ukrainischer Sprache. Für mich selbst ein unvorstellbares Talent.
Insgesamt ist diese Begegnung für mich sehr emotional , denn alle Frauen berichten von ihren Erlebnissen, die teilweise sehr schmerzhaft waren. Seit der Gründung der Initiative hat sich allerdings sehr viel verändert und alle Frauen strahlen einen starken Optimismus und Willen an Aktivismus aus. Aufgrund dessen würden gerne alle Mütter auf dem Pride mitlaufen wollen, allerdings entscheidet hier endgültig der aktuelle psychische Zustand in den einzelnen Fällen. Die Initiative hat für morgen die Entscheidung getroffen, zum ersten Mal mit einem eigenen Banner mitzulaufen. Das finde ich sehr mutig, denn das ist ein weiterer Schritt in die Öffentlichkeit.
Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit über Broschüren, Aufklärungsmaterialien, Radiosendungen und social networking ist generell die Strategie, die TERGO anwendet. Zur Zeit befindet sich eine eigene Fotoausstellung als Aufklärungsprojekt in der deutschen Botschaft in Kyiw.
Den größten Erfolg sehe ich allerdings in der Annäherung an das Schulministerium in diesem Jahr. So wurde ein erstes organisiertes Treffen mit Biologie- und Sozialpädagogen aus verschiedenen Regionen genehmigt, auf dem Mitglieder von TERGO über Homosexualität, Toleranz und persönliche Erfahrungen sprechen konnten. Am Ende fühle ich mich in dieser Gruppe sehr wohl und wäre gerne länger geblieben, um auch die eigenen Erfahrungen kommunizieren zu können. Vielleicht beim nächsten Mal?
Am späten Nachmittag zeigen sie im Pride House den Film „Parallelen: LGBT-Activismus in München and in Kyiv“ von Ania Shapiro. Leider kommen wir zu spät, sodass ich mir nun vornehme, das Video in München anzuschauen. Die darauffolgende Podiumsdiskussion, an der ebenso unsere Stadträtin Lydia Dietrich teilgenommen hatte, erschwerte sich leider aus technischen Gründen in der Übersetzung. Schade, ich hätte gerne dem Thema folgen wollen, aber ich konnte es nur in Teilstücken. Lydia meisterte jedoch diese Situation mit ihrer politischen Erfahrung. Chapeau!
Der Tag endete schließlich mit der Einladung in die Residenz des kanadischen Botschafters. Wir werden von dem sehr sympathischen Stellvertreter begrüßt, weil der Botschafter sich zur Zeit in Ottawa aufhält. Es werden circa 100 Diplomaten am Pride teilnehmen, insofern herrscht eine sehr positive und humorvolle Stimmung am Abend. Anwesend ist ebenso aus dem Europäischen Parlament Rebecca Harms von Bündnis 90/ Die Grünen, die ihre Teilnahme am Marsch bestätigt.
Ich bin froh, dass diese Empfänge eher als Austausch und zum Kennenlernen dienen. Mit einem leckeren Buffet, Sekt und Wein fühle ich mich in diesen Räumen sehr wohl. Ich komme mit Tatjana ins Gespräch, die in einem deutsch-ukrainischen Kulturaustauschprojekt involviert ist, das zwischen Berlin und sechs ukrainischen Städten besteht.
In dieser Nacht schlafe ich nicht mehr und die letzte E-Mail mit Anweisungen zum Pride-Marsch und seinen Sicherheitsmaßnahmen wird nach 1 Uhr versendet. Diese Situation kenne ich noch von 2015. Daran wird sich wohl niemals etwas ändern.
[Kerstin Dehne]
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