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Jubiläum: Stadt München unterstützt KyivPride zum fünften Mal!

11.05.2016 | cb — Keine Kommentare
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Trotz des eingeschlagenen EU-Kurses wachsen Homo- und Transphobie in der Ukraine. Im Kampf um Menschenrechte will die Kyiwer Community deshalb auch in diesem Jahr wieder für gleiche Rechte auf die Straße gehen. Die Partnerstadt München unterstützt sie dabei. Vom 6. bis 13. Juni lädt das International Forum KyivPride 2016 die gesamte LSBTI-Community des Landes nach Kyiw ein. Eine Woche lang gibt es politische, kulturelle und fachwissenschaftliche Veranstaltungen. Für Sonntag, den 12. Juni, ist die große, öffentliche Demonstration geplant. Die Landeshauptstadt erklärt sich solidarisch.

Stadträtin Lydia Dietrich (Bündnis 90/Die Grünen) fährt mit nach Kiew – und zwar einmal mehr in Vertretung von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). „Nach fünf Jahren großen Engagements seitens unserer Kyiwer Freundinnen und Freunde und der Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer erhoffe ich bei meiner nun fünften Teilnahme am Marsch der Gleichheit in Kiew einen friedlichen und menschenrechtswürdigen Verlauf. Ich erwarte zudem endlich eine deutliche Positionierung der Stadtspitze in Kyiw, die sich bisher ignorant bis ablehnend gegenüber LSBTI-Menschenrechtsaktivist*innen in ihrer Stadt verhalten hat.“
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Tatsächlich könnte in diesem Jahr vieles anders werden, denn die Stadtverwaltung in Kyiw verhält sich kooperativer als sonst. Die Organisierenden möchten ihren Marsch im offenen Format abhalten, sodass jede und jeder einfach dazukommen kann, ohne sich vorher zu registrieren. Die Polizei sollte die Veranstaltung dennoch von allen Seiten her schützen, und auch Zu- und Abgänge kontrollieren. Soweit die Idee.

Den Marsch der Gleichheit stellen die Veranstaltenden 2016 unter das Motto Sicherheit („Безпека людини – розвиток країни“, etwa: „Die Sicherheit der Menschen dient der Entwicklung des Landes“). Das Leben eines Menschen zu schützen, seine Gesundheit und Würde zu wahren, sei das wichtigste Gut der Verfassung. „In der Ukraine aber herrscht Krieg“, sagt Stanislav Mishchenko, der für den KyivPride spricht. „Und unsere Staatsautoritäten erlauben sich, ihre Pflicht zu vernachlässigen. In unserer Gesellschaft wird Gewalt verherrlicht, die Positionen radikalisieren und verhärten sich, wir werden manipuliert. In dieser Atmosphäre der Angst wollen wir ein Zeichen setzen. Denn keine Gruppe hat das Recht, ihre Interessen über Menschenrechte zu setzen und unsere Demokratie durch aggressives Verhalten zu beschädigen.“ Im vergangenen Jahr ist genau das passiert. Eine Gruppe Rechtsradikaler hat den Marsch der Gleichheit, an dem neben Lydia Dietrich auch viele Aktivistinnen und Aktivisten aus München teilgenommen haben, im Juni 2015 mit Messern, Schraubenziehern und präparierten Feuerwerkskörpern attackiert. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, zum Teil schwer.
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Die Veranstalterinnen und Veranstalter des KyivPride haben vom 6. bis inklusive 13. Juni ein umfangreiches Rahmenprogramm (Pride Week) für die LSBTI-Community organisiert mit Workshops für Aktivist*innen, Empfängen, mit Debatten, Filmen und Partys, zu der auch die Münchner Delegation ihren Teil beiträgt. Sie bringt zwei Ausstellungen nach Kiew mit – und zwar Martina Schradis Comicserie „Ach, so ist das?!“, die in humorvoller Weise das Leben und die Alltagsprobleme von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen schildert. Außerdem präsentieren die deutschen Gäste die Fotoausstellung „Suburbia, me!“ von Ivan Kisil über das Dasein eines ungeouteten schwulen Lehrers in der Kyiwer Vorstadt.

Die Filmemacher Lorenz Kloska und Alexander Vinogradov zeigen in Kyiw ihren Dokumentarfilm „Rein ins Leben“, der das Leben von Lesben, Schwulen und Transgender in der Ukraine zeigt. Er hatte in München bereits Premiere. Und schließlich präsentieren wir in Kyiw erstmals auch die Online-Videokampagne „Parallelen – LSBTI-Aktivismus in Kyiw und München“, die die Berliner Menschenrechtsaktivistin Ania Shapiro auf- und umgesetzt hat. Sie stellt das Wirken von Pionieren der Lesben- und Schwulenbewegung in München der Arbeit von Aktivist*innen in Kyiw heute gegenüber, um zu zeigen, dass sich der Kampf für eine bessere Zukunft lohnt. Die Deutsche Botschaft richtet in diesem Jahr den Empfang zur Eröffnung der Pride Week aus.

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Die ukrainische LSBTI-Community setzt ihren Kampf trotz der erschwerten politischen Bedingungen im Land fort. Jahrzehnte lang hat der Staat die sexuellen Minderheiten im Land ignoriert, sogar versucht, wie in Russland ihre „Propaganda“ gesetzlich zu unterbinden. In jüngster Zeit entdeckt die Regierung ihr Herz für Lesben, Schwule und Transgender. Das Parlament hat auf Initiative der Regierungskoalition Ende 2015 einen Diskriminierungsschutz für sexuelle Minderheiten am Arbeitsplatz gesetzlich verankert. Menschenrechtsaktivist*innen werten dies als Wendepunkt in der traditionell homophoben Politik des ehemaligen Sowjetstaates. Bis 2020, so sieht es ein Aktionsplan der Regierung vor, sollen in der Ukraine sogar gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften eingeführt werden.

Doch darf nicht vergessen werden, dass diese LSBTI-freundliche Politik vor allem pragmatische Gründe hat. Zum einen macht die Europäische Union Druck, von der sich die Ukraine finanzielle Hilfen, visafreies Reisen und im Zuge der Assoziierung eine weitere Annäherung erhofft. Zum anderen will sich die Regierung in Kiew von Russland abgrenzen, das Teile des Landes besetzt hat. In der Bevölkerung allerdings verfängt die neue Politik nicht, Homo- und Transphobie nehmen zu, wie Studien zeigen.

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