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Pride in Kyiw abgesagt – die Polizei begründet das mit dem Krieg im Osten. Klitschko nennt das „undemokratisch“ – zeigt aber Verständnis…
Die Enttäuschung steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Der Pride findet nicht statt – definitiv nicht. Ein Jahr lang haben 20 Leute diesen einen, großen Tag vorbereitet. Aber die Polizei macht nicht mit. Es ist Krieg in der Ukraine und die Sicherheitskräfte haben offenbar nicht genügend Leute in Kyiw. Viele sind im Osten des Landes. In der Hauptstadt sind außerdem Tausende von Waffen im Umlauf, die während der Revolution verloren gegangen sind. Niemand weiß so genau, wo die sind, wer sie hat. Die Polizei hat Schiss vor den vielen Radikalen, die die Maidan-Bewegung ausgespuckt hat. Von ihnen blockieren heute noch einige den Hauptplatz der ukrainischen Hauptstadt.
Die Absage überrascht die Pride-Macher*innen nicht wirklich. Es war klar, dass eine Demo von Lesben, Schwulen und Transgendern in diesen Tagen ein gefundenes Fressen für gewaltbereite Kräfte wäre, die nur darauf warten, ihren ganz Hass an denen auszulassen, die nicht in ihr Weltbild einer weißen, heterosexuellen, traditionellen Familienwerten verpflichteten Ukraine passen. Es ist eine radikale Minderheit, um die es hier geht, aber sie ist zum Einsatz bereit. Die Staatsgewalt hat diesen Leuten nichts entgegenzusetzen.
„Es ist für uns immer die falsche Zeit, auf die Straße zu gehen“, sagt Olena Schevchenko, Co-Chairman des KyivPride. „2012 waren unsere Gegner zu gewalttätig, 2013 hieß es, die Gesellschaft sei noch nicht bereit für GayPrides, in diesem Jahr ist Krieg. Wir aber sagen, es ist immer Zeit, für Menschenrechte zu kämpfen.“
Vitali Klitschko, Bürgermeister der Stadt Kyiw, sieht das übrigens ähnlich. Er wisse, dass es undemokratisch sei, Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zu verwehren. Aber er äußert Verständnis für die Sicherheitsbedenken der Polizei.
Die Organisator*innen sind trotzdem sauer. Spontan beschließen sie, eine Pressekonferenz einzuberufen. Hinter einem Banner mit der Aufschrift „Minderheitenrechte sind Menschenrechte“ beziehen sie alle Position; ihre Münder haben sie mit blauem Kunststoffklebeband zugepappt. Die Botschaft ist klar: Wir haben in diesem Land kein Recht zu sein! Die eilends eingeladene Presse schießt ein paar Fotos, einige Fernsehsender sind hier. Auch die Münchner*innen geben Interviews.
Wirklich beruhigen kann die PR-Aktion die Menge nicht. Etwa 100 Leute sind hier, deutlich mehr als noch im Vorjahr. Wie schön wäre es gewesen, sie alle auf der Straße zu sehen. In ihrer Wut beschließen einige, am Samstag einen Flashmob zu machen, ohne Anmeldung, ohne Polizeischutz, mitten in der Stadt. Die Veranstalter*innen versuchen, ihnen die Idee auszureden. Zu gefährlich, und auch überhaupt keine PR sei zu erwarten ohne geladene Presse, dafür jede Menge Prügel. Die Argumente überzeugen sie nicht.
In der Zwischenzeit hat auch Lydia Dietrich die Nachricht vom abgesagten Pride erreicht. Sie ist gerade auf dem Weg zum Flughafen und beschließt, trotzdem zu nach Kyiw zu fliegen. „Die Absage ist bitter, aber vielleicht auch aus Sicherheitsgründen vernünftig. Dennoch werde ich als Vertretung des Oberbürgermeisters in Kyiw sein und unsere Freund*innen in ihrem Kampf für Menschenrechte unterstützen. Die Parade ist abgesagt, das Engagement nicht.“ In Kyiw soll eine Pressekonferenz mit ihr stattfinden; auch mit dem Stadtrat wird die Grünen-Politikerin sprechen.
Die Pride Week geht weiter. Am Freitagabend diskutieren Lesben, Schwule und Transgender zur Geschichte der LGBT-Bewegung in der Ukraine. Eine Ausstellung dazu wird in wenigen Tagen auch in München hängen – am Marienplatz, mitten in der Stadt. Dahin wird Kyiw eines Tages hoffentlich auch kommen.
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