Prideblog: Druck aus München
Klitschko mag nicht. Der neue Bürgermeister von Kyiw,
Vitali Klitschko, will den Pride offenbar nicht in seiner Stadt. Klitschko, Hoffnungsträger der ukrainischen LGBT-Community, tut wenig, bislang nichts dafür, dass die Politparade des
KyivPride am Samstag stattfinden kann. Es gibt keine klare Ansage. „Die Vorzeichen sind noch schlechter als im vergangenen Jahr“, sagt
Volodymyr Naumenko, den alle nur Vova nennen. Er ist für die Sicherheit verantwortlich. Seit einem Jahr organisiert er zusammen mit
Amnesty International und der Kyiwer Polizei die Politparade – soweit das eben möglich ist in Zeiten von Revolution und Krieg. Und jetzt, drei Tage vor dem Ereignis, stellt sich der Stadtrat quer, die Polizei freilich auch.
Nicht ungewöhnlich, könnte man meinen. Schon 2013 hat der Stadtrat nicht eben frohlockt, als es darum ging, mitten in der Stadt einen Gay-Pride zu genehmigen. Man hat ihn schließlich aus dem Zentrum verbannt, aber an anderer Stelle erlaubt. Das war noch unter Präsident
Janukowitsch. 150 registrierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind schließlich beim KyivPride 2013 mitgelaufen – neben einigen Hunderten Polizisten und fast ebenso vielen Fans auf der anderen Seite, den Nationalisten und Orthodoxen.
Was kann man da tun? Vova ist frustriert. „Morgen sind wir im Stadtrat und erklären denen das Ganze nochmal“, sagt er entschlossen. Vielleicht hilft ihm dabei ja auch ein Brief aus München. Oberbürgermeister
Dieter Reiter (SPD) hat dem Kollegen Klitschko einen Brief geschrieben. Mit Unterstützung der Stadt Kyiw habe der KyivPride 2013 ja erfreulicherweise stattfinden können, so Reiter. Er hoffe, so der OB weiter, dass es auch 2014 wieder zu einem friedlichen Veranstaltungsverlauf komme.
Lydia Dietrich (Bündnis 90/Die Grünen) ist vor Ort, sie vertritt Reiter offiziell. Der Kyiwer Stadtrat hat ihr denn auch versprochen, auf ihre Sicherheit zu achten – ihre ganz persönliche wohlgemerkt!
Es ist alles schwieriger geworden in diesen Tagen – für die ganze Ukraine, die LGBT-Community im Speziellen. „Jetzt haben wir neben den Rechten auch noch die russischen Separatisten im Land, die sich an der russischen Gesetzgebung orientieren“, sagt
Bogdan Globa von
Fulcrum. Unsere Münchner Delegation hat die LGBT-Organisation heute besucht. Globa gilt gemeinhin nicht als Pride-Liebhaber. In diesem Jahr macht er aber mit, wenn auch nur halb-offiziell. Sein neuer Kollege Sven aus Deutschland zum Beispiel wird während der LGBT-Konferenz, die im Rahmen der Pride Week tagsüber stattfindet, einen Vortrag halten zur Eltern-Initiative, die Fulcrum zusammen mit der
GIZ ins Leben gerufen hat. Globas Mutter ist im ganzen Land unterwegs, um Vorträge zu halten und aufzuklären. Dass ihr Sohn homosexuell ist, hat sie lange Jahre schwer beschäftigt. Heute geht sie für Bogdan auf die Straße, spricht über Homophobie, Vorurteile, ihre Ängste – und erreicht damit die Herzen.
Helen Globa ist eine tapfere Frau.
Bogdan Globa ist politisch sehr aktiv. Er war der erste Homosexuelle im Land, der sich im Parlament geoutet hat. Seitdem tritt er immer wieder in Talks-Show und TV-Debatten auf, macht mit spektakulären PR-Aktionen auf seine Anliegen aufmerksam. Jüngst wollte er einer neugegründeten Partei beitreten, den Christdemokraten: Die wollten ihn aber nicht. Auf
Facebook hat er den Skandal weidlich ausgeschlachtet. „Vielleicht hat er es da etwas übertrieben“, sagen manche. Er habe ja den gesamten Politbetrieb gegen sich aufgebracht.
Immerhin aber kämpft er; inzwischen ist er die Gallionsfigur der Bewegung, jedenfalls in den Medien. Auch er glaubt, dass unter Janukowitsch schon vieles erreicht war, was jetzt neu erkämpft werden muss. Noch immer instrumentalisierten beide Seiten, ob Rechte oder Linke, ob Ukrainer oder Russen, das Thema
LGBT für ihre Zwecke. Doch gibt er zu, dass es zur Assoziierung des Landes mit der
EU keinen Alternative gibt. Die Haltung vieler Menschen nach dem
EuroMaidan sei liberaler geworden, offener, entspannter.
Darin liegt die große Chance für die Zukunft, aber auch für die kommenden Tage. Der
KyivPride hat in diesem Jahr vielmehr Unterstützer aus der Community und der Gesellschaft als noch im vergangenen Jahr. Das ist erfreulich. Selbst die orthodoxen Kirchen sprechen nicht mehr von „Schwuchteln“ in ihrer ablehnenden Haltung dem Pride gegenüber. Sie anerkennen das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, halten Homosexualität aber freilich nach wie vor für unmoralisch. Vova wäre denn auch sehr enttäuscht, würde es gerade dieses Jahr nicht klappen, den Pride abzuhalten. Er wäre nicht der Einzige.
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