PRIDE WEEK Munich Kyiv Queer demonstriert auf dem CSD gegen homophobe Russland-Politik
In München trägt Putin rosa. Russlands Präsident steht in der Kritik. Bild: Conrad Breyer
München, 13. Juli 2013 – Keine Drag Queen, sondern ein Panzer. „In München trägt Putin rosa“, titelte der
Münchner Merkur am Montag nach dem CSD. „Ein riesen Erfolg“, sagt
Naomi Lawrence. Die Münchner Künstlerin hatte für die CSD-Parade vergangenen Samstag einen Radl-Panzer aus Pappmaché gefertigt, sich selbst in eine pinke Putin-Uniform („
Die hässliche Fratze des Wladimir Putin„) gezwängt und war dann vier Stunden in größter Hitze durch München gefahren.
„Die Isolationshaft in der überhitzten Figur hat sich gelohnt“, sagt Lawrence.
Süddeutsche Zeitung und
Münchner Merkur haben das Thema in ihren Blättern aufgegriffen; das Publikum am Straßenrand – laut den Veranstaltenden immerhin 80.000 Besucherinnen und Besucher – war begeistert. Immer wieder brandete spontan Applaus auf, kamen Buh-Rufe oder Gelächter, wenn die Kontaktgruppe
Munich Kyiv Queer mit ihren Plakaten und dem Panzer vorbeikam, den sie in ihrer Mitte begleitete.
Nicht wenige Zuschauerinnen und Zuschauer sind einfach mitgelaufen. Die Kontaktgruppe hatte im Vorfeld Flyer („Lauf mit – 200 Meter für gleiche Rechte überall!“) verteilt, um sich mit verfolgten Lesben, Schwulen und Transgender in aller Welt solidarisch zu zeigen, vor allem natürlich mit Homo-, Bi- und Transsexuellen in der Ukraine und Russland.
Mit Sprüchen wie „Lieber ein warmer Bruder als ein kalter Krieger“, „Make love not law“, „Diskriminierung verbieten, nicht Information“ und „Putin: Es gibt keine Diskriminierung in Russland … und die Erde ist eine Scheibe“ protestierten die Mitfrauen und -glieder der Gruppe gegen die homophobe Politik der
Putin-Regierung und warnten zugleich die Ukraine davor, dem russischen Vorbild zu folgen („Ukraine, lass Dir keinen Bären aufbinden!“).
Herr P. wartet nicht gern. Am Stachus stockte der Zug. An der Paradenspitze hatte sich eine Regenbogenflagge in den Tram-Oberleitungen verfangen. Bild: Thomas Kaiser.
Die
Duma, das russische Parlament, hatte in dritter Lesung vor Kurzem ein Gesetz verabschiedet, das so genannte Gay-Propaganda verbietet. Seitdem hat sich das Klima gegen Lesben, Schwule und Transgender in Russland deutlich verschärft. Übergriffe häufen sich, sogar Mordfälle sind zu verzeichnen.
Auch in der Ukraine liegt ein solches Gesetz vor. Das Parlament hat bislang aber darauf verzichtet, es nach der ersten Lesung weiterzuverfolgen. Zuletzt hieß es auch,
Viktor Janukowitsch, Ukraines Präsident (Partei der Regionen), würde ein solches Gesetz ohnehin nicht unterschreiben. Die Ukraine will im Herbst ein Assoziierungsabkommen mit der EU abschließen; Diskriminierung von Lesben und Schwulen würde dafür nur hinderlich sein. Auch der KyivPride konnte in diesem Jahr zum ersten Mal stattfinden.
Auch Reinhard Bauer lief bei Munich Kyiv Queer mit. Der SPD-Stadtrat war, wie Sibylle von Tiedemann, Teil der Münchner Delegation beim KyivPride. Bild: Conrad Breyer
„Wir wollten ja mal verhindern, dass immer nur die bezaubernden Drag Queens die Titelseiten der Zeitungen zieren“, sagt Lawrence. Und in der Tat: Der Münchner
CSD war in diesem Jahr generell deutlich politischer als in den Vorjahren. Zum Motto „Wir wählen: Gleiche Rechte und Akzeptanz“ passten die vielen Podiumsdiskussionen mit Politiker*innen aller Parteien; viele der Laufgruppen und Wagen unter den 57 teilnehmenden Organisationen hatten sich politische Slogans zu eigen gemacht, die meist deutlich kreativer waren als die Sprüche der Gewählten auf der CSD-Bühne.
„Ich steh auf Gleichberechtigung“ war da zu lesen, „Angst fressen Seele auf“ oder auch „Schüchtern, aber geil“. An die 7000 Leute waren beim Marsch mitgelaufen. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren begeistert. „Das war der schönste CSD meines Lebens“ war nicht selten zu hören.
Am Marienplatz hatte die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer ihren eigenen Infostand aufgebaut. Vor 12 Uhr und zwischen 15 Uhr und 19 Uhr kamen die Kyiw-Freundinnen und -Freunde so ins Gespräch mit etlichen interessierten Münchnerinnen und Münchnern. Nicht alle wollten zuhören, sondern schlicht Souvenirs erwerben. „Warum auch nicht“, sagt
Sibylle von Tiedemann, Mitfrau der Kontaktgruppe. „Wir haben auch von Spenden etwas“.
Unter anderem mit den von Naomi Lawrence gestalteten Buttons und Postkarten konnte die Kontaktgruppe an diesem Nachmittag rund 180 Euro einnehmen, die nun den
Projekten und Aktionen der Szene-Kooperation zugute kommen. Die Merchandising-Artikel schmückt das Maskottchen der Gruppe,
MucKi (Munich-Kyiv).
Dima P., Sibylle von Tiedemann und Barbara Lux bauen den Infostand auf. Zahlreiche Flyer informieren über die Arbeit der Kontaktgruppe. Im Hintergrund: eine Ausstellung zum KyivPride 2013. Bild: Conrad Breyer
In der Pride Week haben sich viele Menschen spendabel gezeigt und Geld für die Arbeit von Munich Kiev Queer gegeben. So kamen über die Kollekte des CSD-Gottesdienstes knapp 1000 Euro zusammen; der MLC hat im Sub Geld gesammelt und ein Privatmann, Walter N., hat auf seinem CSD-Warm-up, zu dem er jedes Jahr all seine Freunde einlädt, über 500 Euro eingenommen. Last but not least hat Horst Middelhoff, in der Kontaktgruppe vor allem fürs Grafische zuständig, 500 Euro rein gegeben.
„Wir danken allen Spenderinnen und Spendern für ihre Großzügigkeit, ihr Engagement und ihre Liebe zu unserer Arbeit“, sagt
Conrad Breyer von der Kontaktgruppe. „Das ist keineswegs selbstverständlich, zeigt aber, dass Solidarität und Verantwortung die Münchner Szene nach wie vor prägen. Das berührt uns alle sehr. Wir können so etwas von dem zurückgeben, für das wir einst selbst gekämpft haben.“
Naomi Lawrence musste nach vier Stunden Fahrt durch die Innenstadt übrigens dringend duschen. Der Pappmaché-Panzer durfte noch eine Weile Dienst am Infostand tun, danach wurde er zerschnitten und entsorgt. Putins hohler Kopf kommt beim Hans-Sachs-Straßenfest wieder zum Einsatz. So macht die Kyiw-Kontaktgruppe Politik.
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