#FundReise Tag 1 – Plackereien
Sie will nicht mehr nur zuschauen. Sibylle, Mitgründerin von Munich Kyiv Queer, reist nach Kyjiw. Sie besucht unsere Freund*innen und Partner, berichtet und sammelt Spenden. Heute ist sie tatsächlich gefahren, mit 4 Kilo Plätzchen im Gepäck – ein Geschenk. Wie soll sie die über die 2000 Kilometer bloß transportieren?
Strom: 24 Stunden
Temperatur: Wechselbad der Gefühle
Spendenbarometer: 280 von 18.000 Euro
Besondere Vorkommnisse: Plätzchen
Alle Blogbeiträge: Sibylles #FundReise nach Kyjiw mitten im Krieg
Wenn du sie im Mund gegen den Gaumen drückst, schmelzen sie gleich weg“, wird mir im Untergiesinger Hinterhof versichert. „Schau, ich habe sie in Kartons verpackt und die Oberseite beschriftet. Du solltest sie nicht schütteln oder verkehrt rum transportieren.“
„Ah ja, äh klar, danke“, antworte ich cool.
„Kann es sein, dass ihr einen kleinen Vogel habt???“, denke ich insgeheim. Vor mir liegen mehr als 2.000 Kilometer Zugfahrt, ein Drittel davon durch Kriegsgebiet. Und ich soll auf oben und unten in meinem nicht gerade leicht bepackten Koffer achten?!
4240 Gramm Weihnachtsplätzchen
Was wie ein Drogendeal klingt, ist in Wahrheit eine zutiefst menschliche Geste. Damit ich nicht nur mit Powerbanks und Akku-Lampen in Kyjiw aufschlage, haben Taike und Oksana von Munich Kyiv Queer eine Backaktion gestartet. Man kann sagen: Die größte in der mittlerweile zehnjährigen Geschichte der Kontaktgruppe. 4.240 Gramm Plätzchen sind der stolze Ertrag.
Ich dagegen stehe vor meiner größten Packaktion. Und die wartet mit ganz eigenen Herausforderungen auf. Was mitnehmen in eine Region mit massivsten Heiz- und Stromproblemen? Leitend sind logischerweise nur zwei Fragen: Wärmt es? Spendet es Licht? Dann rein damit.
Sieht es schick aus?
Gleichzeitig stoße ich auf ganz kuriose Zusammenhänge. Wusstet ihr schon, dass alles, was Licht spendet, ein Gewichtsproblem darstellt und dazu noch zerbrechlich ist, während alles, was wärmt, ein Platzproblem ist, aber nicht zerbricht. Die Frage: „Sieht es schick aus?“ ist dagegen ein nachranginges Kriterium.
Mit auf die Reise gehen auch zwölf Exemplare von Fashy, der Wärmflasche, bei deren Namensgebung man nicht weiß, ob Unaufmerksamkeit, Rechtsextremismus oder Alkohol im Spiel war.
Noch neun Stunden vor Abreise tauchen neue Fragen auf: Haben auch die Züge in der Ukraine so massive Heizprobleme? Nicht ganz unwichtig, da ich am Sonntag fast 12 Stunden im Zug sitze. Wenn es planmäßig läuft.
Die ukrainischen Züge sind bekannt für ihre Wärme
Wie gut, dass man sich auch darüber mit Sergej Sumlenny wunderbar austauschen kann. Sergej war von 2015 bis 2021 Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kyjiw. Immer, wenn die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer in Kyjiw war, hat sie auch der Böll-Stiftung einen Besuch abgestattet. Diese Treffen waren immer sehr informativ und anregend, auch wenn es eher um Politik und weniger um Reisekleidung ging. Da Sergej im November seine alte Heimat besucht hat, konnte er mir für die #FundReise viele wertvolle Tipps geben. Danke, Sergej!
Heute morgen ging’s endlich los. Ich habe nicht nur 4.240 Gramm Plätzchen im Gepäck, sondern bin auch komplett durch den Wind. Es ist eben keine normale Reise. Erst bin ich fast 40 Minuten zu früh am Bahnhof, dann bestelle ich beim Fahrkartenkontrolleur einen Milchkaffee, auf dem Gang zum Klo stolpere ich über meine Schnürsenkel, zuletzt beschalle ich aus Versehen den Ruhewagen mit italienischer Popmusik aus San Remo. Aber davon abgesehen: Ich bin sicher in Berlin angekommen. Auch die Plätzchen. Alle.
Am Nachmittag bin ich bei Ange eingeladen. Ein mittlerweile traditioneller Besuch bei Berlinaufenthalten. Ange hat 2013 beim Lesbenfrühlingstreffen in München die Kunstausstellung mitorganisiert. Damals wurde das erste mal die ukrainische Lesbenausstellung „Kein Recht, sie selbst zu sein“ von Natalia Roj gezeigt. Insgesamt haben wir sechs Aktivistinnen aus der Ukraine eingeladen. Ich denke gerne an diese Zeit zurück.
Es geht nicht ums Küssen, sondern um das Recht, am Leben zu sein
Seit dem 24. Februar 2022 hat sich die Situation radikal verändert. Es geht nicht mehr darum, wer wen küssen darf. Es geht nicht mehr darum, was als Menschenrechts- und was als kriminologisches Problem gesehen wird. Es geht um das Recht, am Leben zu sein.
Können dabei 4.240 Gramm Plätzchen einen Unterschied machen? Wenn ich mir das Twitterbild von Selensky und Resnikow nach 85 Stunden Krieg anschaue (siehe Tag O), denke ich mir: Ja. 4.240 Gramm Plätzchen, die mit so viel Liebe gebacken und verpackt wurden, helfen ganz sicher.
Eure Spenden aber auch!
#FundReise #MunichKyivLove #18.000 Euro
Sibylle sammelt Spenden für
EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer die Menschen in der Ukraine, mit denen wir in den vergangenen zehn Jahren eng zusammengearbeitet haben. Das ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr die Option „Geld an einen Freund senden“ wählt. Kennwort #FundReise. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken. Wir helfen unsere Freund*innen und Partnern. Wir kennen sie persönlich und wir vermissen sie schmerzlich.
HILFE FÜR KRIEGSOPFER: KINDER, ALTE UND KRANKE MENSCHEN IN KYJIW UND UMGEBUNG Der Verein „Brücke nach Kiew“ unterstützt hilfsbedürftige Personen, insbesondere Kinder und kinderreiche Familien, finanziell schwache, gering verdienende und/oder auch Tschernobyl-geschädigte Personen in der Ukraine und hier insbesondere in Kyjiw – insbesondere über ein Pat*innen-Programm. Das Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe.
Empfänger: Brücke nach Kiew e.V.
Bank: Raiffeisenbank München Süd eG
IBAN: DE74 7016 9466 0000 0199 50
BIC: GENODEF1M03
Kennwort: #FundReise
Ab 200 Euro kann eine Spendenbescheinigung ausgestellt werden.
HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschland an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier
Mehr Informationen: www.MunichKyivQueer.org/helfen
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