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OdesaBlog II: Odesa, verschließe deine Augen nicht!

31.08.2019 | cb — Keine Kommentare
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Treue Seelen, treue Freundschaft. Schon im fünften Jahr unterstützen wir den OdesaPride. Dieses Jahr sind besonders viele Leute aus München vor Ort, denn parallel findet das Chorfestival Q-Fest statt. Unser Projektchor Monadessa singt mit. Aus der Stadt am Schwarzen Meer berichtet Stefan Block.

Strahlendes Blau empfängt uns am nächsten Morgen – himmelbau, Kaiserwetter. Wir spazieren am Rathaus vorbei auf dem Hochufer Richtung Potemkinsche Treppe. Wie schön Odesa hier wieder ist. Kastanien säumen den breiten Fußweg, die Häuser sind perfekt renoviert.

Da fällt die kleine Demo fast nicht ins Auge, aber ein Blick lohnt sich; das sind „die anderen“. Die, die für traditionelle Familien sind, für Mann und Frau und gegen vieles von dem, was wir wollen. Wir spazieren an denen vorbei. Sollten wir uns zu erkennen geben? Aber es ist friedlich und irgendwie auch fast schon liebevoll gemacht, diese Demo. Auch diese Meinung ist in der Freiheit auf Meinungsäußerung enthalten. Wenn sie so friedlich formuliert ist. Aber können Menschenrechte eine Meinung sein?

Meinungs- und Gewaltfreiheit

Die Probe fürs Q-Fest zögert sich etwas raus. Vieles klappt nicht und muss überprüft werden. Unsere Gastgeber tun ihr Bestes und wir nutzen die Zeit, um die Texte nochmal zu wiederholen. Als es endlich los geht, ist nur noch wenig Zeit. Wie reißen alles mal an und hangeln uns so durch – das passt. Aber der gemeinsame Song mit den Ukrainer*innen ist eine Katastrophe.

Aber gut weiter zum nächsten Termin. Die Botschaft in Kyjiw hat einen Mitarbeiter zum Pride geschickt, der uns gerne etwas über das Land erzählt. Vom Donbass und den Brücken, die dort wieder gebaut werden, vom Präsidenten und dem ganz neu vereidigten Kabinett, von den freien Medien, von der LGBTI-Community hier. Kurz eine Stunde Ukraine intensiv.

Nach der zweiten Probe für heute sind alle fertig. Sie sollen sich auf den Abend vorbereiten – mental, physisch. Um 19 Uhr geht es zur Location. Wie schön alles hergerichtet ist und wie voll der Laden ist. Den Anfang macht der Chor aus Odesa. Wir werden durch ihren Gesang verzaubert. Die Kraft und die Sensibilität dieser nur sieben Personen. Wie gut sie aufeinander hören, wie gut sie miteinander harmonieren.

Licht und Schatten

Es folgen beachtliche Solo-Künstler, witzige Chöre und ein Poetry Slam auf Ukrainisch. Dann sind wir dran. Ganz am Schluss – als Highlight. Eine Ehre, aber werden wir dem gerecht?

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Es ist heiß dort oben und eng. Ich sehe unsere Dirigentin kaum. Text und Melodie laufen automatisch – jetzt gilt es zu schauen, dass man an den Lippen und Händen der Dirigentin hängt. Es klingt komisch. Aber das tut es immer auf einer Bühne im Freien. Besonders das ukrainische Lied kommt gut an. Ein Freudenschrei geht durch die Menge, als es erkannt wird.

Das letzte Lied des Abends ist vielleicht auch die Quintessenz: ein gemeinsames Lied von uns und den Odessit*innen. Ein großer Spaß, ein Loslassen und Loslegen. Zu einem Popsong einer bisexuellen Sängerin, der seine Premiere in der deutschen Botschaft in Kyjiw zum Pride 2018 hatte. Verschließe deine Augen nicht –

Ne chovaj o chej

Das Land ist schön, bunt und vielfältig, aber auch im Krieg und korrupt, liebevoll und abweisend – alles das ist die Ukraine. Diese Spannung macht sie liebenswert. Verschließe deine Augen nicht!

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