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Einen Jugendaustausch hatte Munich Kyiv Queer bis dato nicht im Programm, jetzt wollen wir das jedes Jahr anbieten. Junge LGBTI-Aktivist*innen aus der Ukraine und Bayern treffen sich einmal in Saporischschja/Kyjiw und einmal in München zum Lernen, Arbeiten, Spaß haben. Themenfokus 2018: Die Pride-Bewegung in der Ukraine und Deutschland. Dafür kooperieren wir mit der regionalen NGO Gender Z. Den ersten Teil in der Ukraine haben die acht Teilnehmer*innen bereits absolviert. Über seine Erlebnisse bloggt Emil Schäfer. Meine Woche in der Ukraine war voller toller Erlebnisse und ich habe unglaublich viel mitgenommen, viel zu viel, um hier alles fest zu halten. Deshalb beschränke ich mich auf die Dinge, die ich am eindrücklichsten wahrgenommen habe. Der Wunsch, queere Aktivist*innen aus einem anderen Land kennen zu lernen und meinen Horizont zu erweitern, war meine Motivaton für die Reise in die Ukraine, trotzdem war ich in den Tagen vor dem Abflug ziemlich nervös: neues Land, neue Leute und nicht in der Lage einzuschätzen, ob und wie sie in der Öffentlichkeit auf queere Menschen reagieren.

Fremdes Land

Mein Unwohlsein hat sich dann aber sehr schnell gelegt, nachdem wir in Kyjiw angekommen waren und Katja Kudin uns am Flughafen abgeholt hat. Am Anfang hat sich die Stadt ziemlich fremd angefühlt, aber auf eine spannende Art. Alle diese riesigen Hochhäuser und dazwischen dann vergleichsweise kleine, alte Häuser, die schon mal bessere Tage gesehen haben, und im Kontrast dazu werden an jeder Ecke frische Blumen verkauft. Während des ersten Tags war ich mir nicht sicher, wie gut es mir gelingen wird, mit den anderen aus Saporischschsja zu reden, weil ich weder Russisch noch Ukrainisch kann und ein paar Leute nicht so geübt in Englisch waren. Aber als wir dann abends alle mit Bier an einem Spielplatz saßen, ging das ziemlich gut, mit einer Mischung aus verschiedenen Sprachen und durch Zitate von RuPaul’s Drag Race konnten wir uns super verständigen. Durch die Erzählungen verschiedener Leute vom KyivPride hatte ich einen gewissen Überblick dafür bekommen, wie die Veranstaltung in den letzten Jahren abgelaufen ist und wusste auch, dass dabei leider auch schon Menschen von gewaltbereiten Gegnern verletzt wurden.

Homophobia kills

An einem Nachmitag haben wir zusammen eine Dokumentation mit Aufnahmen von einem vergangenen KyivPride angeschaut und ich war sehr betroffen davon, dass Teile der Bevölkerung mit solchem Hass und solcher Brutalität versuchen, queeren Menschen zu verbieten, sie selbst zu sein. Da habe ich erst wirklich begriffen, wie mutig die Aktvist*innen sind, die wir kennengelernt haben. Nach dem Film hatten wir drei Frauen von der Organisaton Tergo zu Besuch, die mit Eltern von queeren Kindern arbeiten. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die persönliche Geschichte einer der drei Frauen, die sehr ehrlich darüber gesprochen hat, dass sie zunächst große Schwierigkeiten damit hatte, dass ihr Sohn schwul ist und wie ihr der Kontakt mit anderen Eltern bei Tergo geholfen hat, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie wirkte sehr ordentlich und eher konservativ, und was ich überraschend und sehr schön finde, ist, dass sich ihre Perspektive so stark verändert hat und sie inzwischen sogar selbst Aktivistin im LGBTI*-Bereich ist. Am Abend unseres freien Tags in Kyjiw sind wir dann mit dem Nachtzug nach Saporischschja gefahren. Ich hatte mir die lange Fahrt ziemlich anstrengend vorgestellt, aber ganz im Gegenteil, wir haben uns bis spätabends gut unterhalten und zu meiner Überraschung konnte ich in dem wackelnden, raternden Waggon prima schlafen.

Von Kyjiw nach Saporischschja

Bei unserer Ankunft sah Saporischschja in der Morgensonne wirklich schön aus, große Straßen mit sich ähnelnden Häusern, an denen ganz viele unterschiedliche, zusammengeschusterte Balkone hängen. Etwas mehr haben wir von der Stadt bei einer kleinen Bustour gesehen, das größte Interesse der Gruppe galt allerdings hier einem Regenbogen-Monument, wovon unsere Tourbegleiterin sichtlich verwirrt war. An den beiden Tagen in Saporischschja haben wir viel Zeit bei Gender Z verbracht, zum Beispiel damit, Schilder für den Rainbow Flashmob am IDAHOBIT zu malen. Abends ging’s dann mit allen gemeinsam zu einem ziemlich coolen Ort in der Nähe eines alten Observatoriums, wo man einen tollen Ausblick über den Dnipro und die Gegend hatte. Bei der Rückfahrt nach Kyjiw haben sich zwei Typen aus Saporischschja für eine Weile zu uns ins Abteil gesetzt, um mit uns zu quatschen und zu trinken. Der eine trug ein zu enges, unvorteilhafes, weißes Polohemd und braunkarierte Boxershorts, der andere hatte eine sehr gerade Körperhaltung und sehr korrektes Deutsch (Rammstein war seine Motivation, die Sprache zu lernen). Es endete damit, dass die beiden als Trinkspruch begeistert und aus vollem Hals „Budmo gay gay gay“ gerufen haben und wir anderen uns das Lachen verkneifen mussten.

Freund*innen fürs Leben

Neben all dem, was ich bei den Workshops und Vorträgen und dem ofziellen Programm gelernt habe, habe ich auch ganz viele neue Erfahrungen, die oft gar nicht so greifbar sind, mit nach Hause genommen. Dass unsere Gruppe in so kurzer Zeit so stark zusammengewachsen ist, hat mich überrascht und gefreut, und inzwischen habe ich alle in mein Herz geschlossen. Ich freue mich schon unglaublich darauf, dass die Gruppe zur Pride Week in München sein wird und wir noch mehr lernen und vor allem hoffentlich ganz viel Spaß haben werden! Zurück zur Übersicht