OutBlog: Die Rechten blockieren, Party zum Comingout-Tag fällt aus
Zum Internationalen Coming-Out-Tag finden in Charkiw, im Osten der Ukraine, eine ganze Reihe von LSBTI-Events statt. Das PrideHub organisiert Partys, Debatten etc. Munich Kyiv Queer ist dabei. Nicht ohne zuvor einen Abstecher nach Kyjiw zu machen. Dort treffen wir unsere Freunde von Tochka Opori. Schließlich haben wir nächstes Jahr zum 30-Jährigen der Städtepartnerschaft Kyjiw – München Großes vor. Aber dann klingelt plötzlich Zoryans Telefon. Von Conrad Breyer
Der Abend verspricht abwechslungsreich zu werden. Denk ich mir. Niemand da. Ich setze mich an den letzten freien Tisch im
Ostannya Barykada, diesem ukrainischen Geheimrestaurant unter dem Maidan, das längst nicht mehr so geheim ist. Die Touristen haben den Laden erobert, in dem alles ukrainisch ist vom Wodka bis zur Musik. Das OB, wie die Kyjiwer sagen, ist Aufstand des Geschmacks gegen die Russifizierung des Landes, eine Art gastronomischer Maidan. Heute strömen Massen von Amis in das Lokal, meist ältere Herrschaften. Zwar muss man am Eingang immer noch ein Passwort („Wie lautete die Parole?“) aufsagen, um reinzukommen, aber wer den Türsteher ordentlich bequatscht, erhält am Ende doch Zugang. Tolle Marketingstrategie.
Nach einer halben Stunde kommt
Tymur Levchuk, Chef der LSBTI-Organsation
Tochka Opori. Er entschuldigt sich und lächelt verschmitzt, wie es seine Art ist. Wer könnte da schon böse sein. Er kommt direkt vom Medientraining.
Stas Mishchenko, mein Mann, und
Zoryan Kis, wiederum Tymurs Mann, aber sitzen noch immer im Skype-Call, mit dem sich der europaweit verstreute
KyivPride-Vorstand zusammenruft, dem beide angehören. Dann sprechen wir zwei eben.
Schöner über Schwule reden
Ein Bier, bitte. Tymur ist ganz redselig heute, er spricht so fließend und schön Englisch wie nie. Es hat ihn früher offenbar gehemmt, dass er nicht ganz sicher mit seiner Fremdsprache war. Ich hab ihn eher still in Erinnerung. Er ist das Gegenteil: Es ist spannend, ihm zu zuhören. Er hat so viel zu erzählen von der Politik im Land, seiner Arbeit bei Tochka Opori, die er, nachdem sein Ex-Chef sich ins Asyl nach Amerika aufgemacht hatte, erstmal wieder aufrichten musste. Und er spricht auch vom Leben als vergleichsweise prominentes schwules Paar in einer homophoben Gesellschaft. Nach einem Auftritt im Fernsehen zum Beispiel meidet Tymur oft wochenlang öffentliche Verkehrsmittel und nimmt lieber das Taxi.
In seinem LSBTI-Medientraining („Wie man über sexuelle Minderheiten berichtet“) eben hatte er kurioserweise einen homophoben Journalisten sitzen, also: Der war Teilnehmer. Tochka Opori lädt immer alle zu Events ein, die kommen wollen. Tymur findet es wichtig, auch mit „unseren Gegnern“ zu sprechen. Am Ende fänden sich immer Punkte, an die sie anknüpfen könnten. Das Sicherheitsthema zum Beispiel. „Auch LSBTI wollen in Sicherheit leben.“ Der besagte Journalist hat das Training am Ende des Tages denn wohl auch gelobt. „Keine Gay-Propaganda, nur journalistische Standards“, hat er gesagt. Tymur lacht.
Als Zoryan und Stas kommen, können wir endlich bestellen. Unser Appetit auf die Speisen des Hauses ist riesig. Aber dann klingelt Zoryans Telefon.
Anna Sharyhina ist dran, Chefin des Community-Centers
PrideHub in Charkiw, ein Projekt der LSBTI-Organisation
Sphera. Dorthin wollen Stanislav und ich morgen fahren. In der zweitgrößten Stadt der Ukraine findet gerade das Coming-Out-Fest statt aus Anlass des internationalen Coming-Out-Tages. Rechtsradikale blockieren den Eingang zum Veranstaltungsort. Dort sollte schon seit drei Stunden die Eröffnungsparty laufen. Die Polizei ist vor Ort, lässt die Rechten aber gewähren. Ein unglaublicher Vorgang, aber nicht ungewöhnlich bei solch lokalen Events. Hatte die Polizei beim
KyivPride im Juni die Störer noch verscheucht, auseinandergetrieben oder abtransportiert, steht sie hier nur rum. Sind ja auch keine ausländischen Beobachter da. So sorgt die Staatsgewalt lediglich dafür, dass niemand zu Schaden kommt. Anna ist wütend, sie schäumt. Man kann es durchs Telefon hören. Was tun? Die Deutsche Botschaft einschalten? Erstmal abwarten, heißt es. Also gut.
30 Jahre München – Kyjiw, 7 Jahre Szenekooperation
Morgen sind Stanislav und ich ja selbst in der Stadt, um an einer Podiumsdebatte zum Thema Sichtbarkeit von LSBTI teilzunehmen. Mal, sehen, wie uns geschieht.
Eine Sache aber müssen wir noch besprechen: Tochka Opori will wie wir zum 30-Jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen München und Kyjiw etwas machen. Auch München soll mit von der Partie sein. Munich Kyiv Queer sollte eine Ausstellung zur Kooperation im LSBTI-Bereich beitragen, außerdem könnten wir im kommenden Jahr Menschen nach Kyjiw bitten, die die Bewegung in den vergangenen Jahrzehnten unterstützt haben. Sie könnten ihre Erfahrungen aus Deutschland teilen. Keine schlechte Idee, wie wir finden.
Jetzt aber widmen wir uns erstmal ganz Borschtsch, Vareniki und Ziegenkeule, dazu gibt es selbst gebrautes Bier. Niemand soll uns jetzt stören, wenn wir den neuesten Tratsch austauschen wollen. Dann klingelt wieder das Telefon.
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