Das Aufklärungsprojekt München zu Gast bei TERGO in Kyjiw
Zum Fünfjährigen hatte die Kyjiwer Elterninitiative Tergo das Aufklärungsprojekt München zum Vortrag eingeladen. Auf der Jubiläumskonferenz der Eltern lesbischer, schwuler, bi-, trans*- und inter*-sexueller Kinder aus ganz Osteuropa sprach Sabine Exner-Krikorian, Vorstand des Aufklärungsprojekts München, über Konzepte und Methoden für Schulklassen und Fachkräfteschulungen ihres Vereins.
Am 21. September 2018, während sich München für die Wiesn herausputzte, durfte ich meine Koffer packen und mich für das
Aufklärungsprojekt München e.V. auf den Weg in die Ukraine machen. So herrschte am Münchner Flughafen auch fröhliche Hektik: Während die einen versuchten, so schnell wie möglich die Münchner Innenstadt zu erreichen und sich ihrer Bier- und Wiesn-Lust hinzugeben, versuchten die anderen, München so schnell wie möglich zu verlassen, um gerade diesem Wiesn-Ansturm zu entfliehen.
Nach einem etwa zweieinhalbstündigen Flug kam ich am Flughafen Borispyl/Kyjiw an und erhielt mit nur einem strengen Blick der Kontrolleurin mein Visum in den Reisepass gestempelt. Ich war angekommen: Kyjiw, Ukraine.
Maryna Shevtsova und
Anna Medko von
TERGO warteten bereits auf mich und hießen mich herzlich willkommen. Maryna brachte mich glücklicherweise direkt zum Hotel. Sie schleuste mich sicher vom Bus über eine Haltestelle zwischen zwei Autobahnbrücken zur U-Bahn und schließlich nach Podil, dem ältesten Stadtteil von Kyjiw. Hier im Hotel Amaranth war ich untergebracht und hier fand auch die Konferenz zum fünfjährigen Bestehen von TERGO statt.
Stadtführung zu den Schauplätzen des KyivPride
Nach einem wunderbaren ersten ukrainischen Abendessen durfte ich am nächsten Vormittag eine Stadtführung mit
Sven Stabroth, dem ehemaligen Projektleiter von TERG, genießen. Der Rundgang begann jedoch erstmal mit einer kleinen Verirrung meinerseits. Wie ich schnell feststellen musste, gab es in Podil nicht unbedingt Straßenschilder und auch waren nicht immer die Straßennamen an den Hauswänden zu finden – ganz abgesehen von der kyrillischen Schrift, die ich mit meinen rudimentären Russischkenntnissen nur einigermaßen entziffern konnte.
Aber die Hilfsbereitschaft einiger Ukrainer*innen brachte mich schließlich vorbei an einer kleinen jüdischen Gemeinde, vorbei an einem Kino und verschiedenen Cafés in die gesuchte Straße zu Sven, der dort zusammen mit seiner Mutter auf mich wartete. Sie war für ein paar Tage zu Besuch. Wir starteten unseren Rundgang entlang des Dnipr, spazierten am Ufer entlang, an der Kunstgalerie
Art Pritschal vorbei, in der der diesjährige
KyivPride stattgefunden hatte. Über eine lange Treppe stiegen wir von der Unter- in die Oberstadt Kyjiws hinauf.
Vom Europäischen Platz gelangten wir durch den
Chreschtschatyk-Park zum Denkmal der Völkerfreundschaft. Von dort gingen wir weiter und erreichten schließlich nach einer kurzen Passkontrolle das Präsidialamt der Ukraine mit dem berühmten „Haus mit den Chimären“ vom „Gaudi von Kyjiw“ gegenüber. Schließlich beendeten wir unseren Rundgang auf der zentralsten Straße Kyjiws, der Chreschtschatyk. Gesäumt von vielen verschiedenen Läden vermischt sich in dieser Straße das Einkaufserlebnis und der geschäftige Alltagstrubel mit historischen und aktuellen gesellschaftspolitischen Ereignissen. Am Unabhängigkeitsplatz, Majdan Nesaleschnosti, stiegen wir in die Metro ein und ein eindrucksvoller Vormittag, der mir die Geschichte Kyjiws und seine Menschen näher gebracht hatte, ging zu Ende.
Endlich geht es los – meine Rede
Am Nachmittag war es dann für mich soweit, das Aufklärungsprojekt München im Rahmen der TERGO-Konferenz vorzustellen. Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte ich bereits beim Frühstück und Mittagessen kennengelernt und erste Eindrücke über ihre Erfahrungen als Eltern homosexueller Kinder sowie von Psychologinnen und Psychologen homosexueller Menschen gesammelt. Die Sprachbarrieren im Vortrag wurden durch Maryna überwunden, die meinen englischen Vortrag auf Russisch übersetzte, so dass alle Teilnehmenden dem Gesagten folgen konnten.
Besonders überrascht waren sie zu hören, dass unsere Methode „Zum ersten Mal verliebt“ in den Schulklassen und bei den Führungskräfteschulungen das gleiche Bild ergab, dass nämlich ein selbstverständlicher und gleichwertiger Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen in familiären und sozialen Kreisen nicht unbedingt gegeben ist – auch nicht in einem als liberal geltenden Deutschland. Die Verhältnisse und Situationen von LSBTIQ* waren auch beim anschließenden Empfang immer wieder Thema in unseren Gesprächen. So lernte ich nicht nur die Kontexte und Umgangsformen bspw. in Georgien oder Russland kennen, sondern hörte auch, wie sehr Akzeptanz und Toleranz sexueller Pluralität als europäische Werte gutgeheißen werden und Vertreter*innen nicht-europäischer Länder für diese Ideen und Werte einstehen wollen. Und ich sehe, wie diese Werte besonders in Zeiten, in der um Demokratie und Meinungen gestritten wird, auch in europäischen Ländern sichtbar und im Gespräch bleiben müssen.
Ich möchte mich sehr herzlich bei
Munich Kyiv Queer und TERGO bedanken, dass Sie diese Kooperation und das Aufklärungsprojekt München e.V. für einen Austausch nach Kyjiw eingeladen haben. Ebenso danke ich meinem Verein für die Unterstützung und das Vertrauen, uns hier zu präsentieren. Ein spezieller Dank an Maryna, die sich so gut um mich gekümmert hat und immer erreichbar war. Danke an Sven und seine Mutter, für die so eindrucksvolle Stadtführung in Kyjiw. Und ein ganz besonderes Danke an all die Teilnehmer*innen aus Georgien, Moldawien, Ukraine, Russland, Armenien etc., die ich kennen lernen durfte und für diesen so bereichernden multieuropäischen Blick auf die Lebenswelten von LSBTIQ*-Menschen.
[Sabine Exner-Krikorian, Aufklärungsprojekt München e.V.]
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