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KyivPride 2018: Größte Münchner Delegation aller Zeiten!

10.06.2018 | cb — Keine Kommentare
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Stadträtin Lydia Dietrich führt dieses Jahr 25 Leute in die Partnerstadt zum CSD. So bunt war die Truppe aus der Lesben, Schwulen, Bi*-, Trans*- und Inter* (LSBTI)-Community noch nie. Die Stadt am Dnjepr lockt erstmals auch viele Neulinge an.

Die einen suchen familiäre Wurzeln, manche haben ein Faible für Osteuropa, andere sind einfach neugierig – die meisten der 25 Münchner*innen, die dieses Jahr zum ersten Mal in Münchens Partnerstadt Kyjiw zum CSD fahren, wollen sich aber auf jeden Fall solidarisch mit der ukrainischen LSBTI-Community zeigen. „Ich wollte mir das jetzt endlich mal selbst ansehen“, sagt Birgit Hermann, die in München eben noch mit zig anderen das lesbischwule und trans*-Chorfestival Various Voices organisiert hat. Unter den knapp 100 Chören waren auch vier aus der Ukraine. Hermann war es mit ihrer Projektgruppe, die die Zusammenarbeit mit den Ukrainer*innen vor vier Jahren aufgebaut hat. In der Ukraine freilich war Birgit Hermann schon mal. In Odesa haben sie und ihre Mitstreiter*innen den Partnerchor Qwerty Queer besucht. Aber der Pride in der Hauptstadt – der fehlt ihr jetzt noch. Sie fühlt sich gut vorbereitet, obwohl man ja immer wieder schlimme Dinge aus Kyjiw höre, wenn es um den CSD dort gehe.

Und das stimmt. Anders als in München muss die Veranstaltung, an der im vergangenen Jahr 3500 Menschen teilgenommen haben, um für gleiche Rechte zu demonstrieren, von einem massiven Polizeiaufgebot geschützt werden. 5000 Beamt*innen waren dafür abgestellt. Zum Vergleich: In München laufen beim CSD im Juli jedes Jahr Zehntausende mit, und Polizei sieht man nur sporadisch rumstehen.

Ignoranz trifft auf Hass

Homo- oder trans*sexuell zu sein, ist in der Ukraine ein echtes Problem. Die meisten Menschen lässt das Thema zwar kalt, aber Vorurteile haben doch viele. Diese Menschen soll der KyivPride erreichen. Die Lage hat sich in den vergangenen Jahren – auch rechtlich – durchaus verbessert. Leider machen aber immer wieder Rechtsradikale und religiöse Eiferer Jagd insbesondere auf schwule Männer. Rechte Gruppen sind da in letzter Zeit sehr aktiv geworden. Sie sprengen Events der Community, überfallen Menschen, schüren Hass, was sich dann im Alltag für die Betroffenen auswirkt. Im Parlament, in Gesellschaft und Politik spielen die Rechten – anders als in Deutschland – zwar keine Rolle, auf der Straße indes sind sie sehr präsent. Daher die viele Polizei.

In den vergangenen Jahren ist der KyivPride immer größer und sichtbarer geworden. Passiert ist trotz der massiven Proteste nie etwas. Nur im Nachgang sind – schlimm genug – vereinzelt Teilnehmer*innen angegriffen worden. Während der Pride Week davor mit ihren vielen kulturellen Veranstaltungen, zu denen auch München dieses Jahr wieder beiträgt vom 8. bis 17. Juni, war es sowieso immer ruhig. Die Polizei schützt Veranstaltungsorte wie das Pride House. Hermann weiß also, was auf sie zukommt. Im Münchner Schwulenzentrum Sub hat die den Pride koordinierende Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer, die Münchens Szene- und Pride-Kooperation mit Kyjiw trägt, sie und die übrigen 24 Delegationsmitglieder über die Sicherheitsrisiken aufgeklärt und über das anstehende Programm informiert, das heuer unter dem Motto „Sichtbarkeit“ steht. „Das wird spannend“, sagt Hermann.

So viele Neue – und Lydia Dietrich ist zum letzten Mal dabei

Es ist das erste Mal, dass so viele Neulinge nach Kyjiw mitfahren. Viele sind in der Münchner Community engagiert, wie Hermann bei Various Voices; darüber hinaus spielt sie im Rainbow Sound Orchestra Munich. Überhaupt haben sich viele Sänger*innen überzeugen lassen – offenbar haben die ukrainischen Gastchöre bei Various Voices Eindruck gemacht. So reist Sabrina Kroll an vom Regenbogenchor München, Julia Schmitt vom Lesbenensemble Melodiva. Und Martin Gerrits vom Schwulenchor Philhomoniker, der schon im vergangenen Jahr beim CSD am Dnjepr dabei war. Dann fahren aber auch Männer aus dem Münchner Schwulenzentrum Sub mit wie Vilmos Veress, der im Vorstand des Vereins sitzt, vom Forum Homosexualität und Geschichte München Linda Strehl und natürlich die Mitglieder von Munich Kyiv Queer mit ihrer Sprecherin Sibylle von Tiedemann und Sprecher Uwe Hagenberg sowie einige Privatleute wie Claudia Sussmann vom Frauentherapiezentrum. Oder Dieter Kißling, der sich privat ehrenamtlich im Sub engagiert und hauptberuflich bei Siemens arbeitet. Er schätzt seinen Arbeitgeber dafür, dass er so weltoffen ist und die „UN Global LGBTI Standards of Conduct for Business“ unterstützt. Das möchte er gerne auch in der Ukraine einmal als positives Beispiel weitergeben. „Irgendwer muss schließlich den Anfang machen.“

Wie in jedem Jahr führt Stadträtin Lydia Dietrich wieder die Truppe an. Sie vertritt Oberbürgermeister Dieter Reiter allerdings zum letzten Mal. Denn Dietrich verlässt nach über 20 Jahren zum 30. Juni den Stadtrat. Für sie ist die Reise nach Kyjiw deshalb auch ein runder Abschied. Lydia Dietrich wird der Kyjiw-Arbeit Münchens sicher auch in Zukunft erhalten bleiben, die sie schließlich einst selbst ins Leben gerufen hat. Ohne ihr Engagement hätte es den ersten CSD in Münchens Partnerstadt 2013 vielleicht gar nicht gegeben. „Es ist immer wieder großartig zu sehen und zu erleben, wie sehr sich die Münchner Community für Menschenrechte in Kyjiw und der Ukraine engagiert. Es ist viel passiert, es hat sich viel zum Positiven verändert, aber den gesellschaftlichen Diskriminierungen und den Hass-Attacken gerade von Rechtsradikalen muss noch viel entgegengesetzt werden. Dies geschieht am besten durch selbstbewusstes Eintreten für LSBTI-Menschenrechte.“

Trotzdem steht es allen Münchner*innen frei, ob sie dann am Sonntag, 17. Juni, tatsächlich am Pride-Marsch teilnehmen. Auch Birgit Hermann will spontan entscheiden. „Ich fühle mich zwar wie gesagt vorbereitet“, sagt sie. Aber wenn sie am Tag davor kein gutes Gefühl habe, würde sie doch lieber im Hotel bleiben. Wer könnte es ihr verdenken.

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