LGBTIQ* und der Krieg
Könnt Ihr Euch vorstellen, wie es für die LGBTIQ*-Community in der Ukraine ist, mitten im Krieg zu leben? Die Menschenrechtsorganisation Nash Svit, die regelmäßig Gewalt und Diskriminierung gegenüber queeren Menschen erfasst, berichtet in ihrem jüngsten Report über eine Gemeinschaft, die sich unermüdlich für andere einsetzt und gleichzeitig selbst mit den Realitäten des Krieges zu kämpfen hat.
In Zeiten des Aufruhrs setzen ukrainische LGBTIQ*-Organisationen Zeichen der Hoffnung. Von Kriegsbeginn an haben sie all ihre Energie in die Community gesteckt: Sie leisten Soforthilfe und bieten Zufluchtsorte für Geflüchtete aus den besetzten Gebieten. Viele dieser Organisationen, insbesondere im Osten und Süden der Ukraine, mussten sich mit ihren Teams in sicherere Regionen evakuieren und wurden dabei selbst zu Vertriebenen.
Politisch stand in diesem Jahr der Kampf für die eingetragene Lebenspartnerschaft im Mittelpunkt, die insbesondere von der NGO “Ukrainisches LGBTIQ*-Militär für gleiche Rechte” und anderen queeren Militärverbündeten vorangetrieben wird. Die Mission stößt immer wieder auf Widerstand homo- und transphober Gläubiger und Militärangehöriger, die versuchen, den Beitrag queerer Soldat:innen zu schmälern. Dabei kämpfen auch ihre Familien im Feld und sie haben das Recht auf Auskunft, wenn ihren Liebsten etwas zustößt. Das gesellschaftliche Klima veranlasst allerdings viele LGBTIQ* eher dazu, ihre Identität zu verbergen, insbesondere bei der Armee.
Die Haltung des ukrainischen Militärs gegenüber LGBTIQ* kann aber insgesamt als tolerabel bezeichnet werden, doch das Fehlen einer offiziellen Politik im Verteidigungs- und Innenministerium überlässt zu vieles dem Zufall. Immer wieder gibt es Fälle von Intoleranz und Gewalt.
Die Kraft der Menschlichkeit
Es gibt jedoch auch Lichtblicke. LGBTIQ*-Aktivist*innen in den Streitkräften berichten von einer weitgehend neutralen Haltung ihrer Kolleg*innen und Vorgesetzten. Und vergessen wir nicht die inspirierende Geschichte von Sarah Ashton-Cirillo, der einzig offenen trans* Frau in den Streitkräften. Sie ist eine amerikanische Freiwillige, die jetzt die offiziellen englischsprachigen Nachrichten der Territorialen Landesverteidigung moderiert! Gerade trans* Personen haben es allerdings besonders schwer, in diesen Tagen sicher zu leben.
Trotz aller Widrigkeiten bleibt die ukrainische LGBTIQ*-Community stark und geeint. Sie ist ein Beweis für die menschliche Widerstandsfähigkeit und die Kraft der Zwischenmenschlichkeit.
So könnt Ihr helfen:
EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer Menschen in der Ukraine, die Hilfe brauchen und nicht an queere Organisationen angebunden sind. Das ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr die Option „Geld an Familie & Freunde senden“ wählt. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken.
HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschand an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort wie „You are not alone“, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier
Fragen? www.MunichKyivQueer.org/helfen
In der Ukraine kämpfen viele trans* Menschen in der Armee. Sie wehren sich gegen den Aggressor, der ihr Leben bedroht. Sie setzen sich damit aber auch für Sichtbarkeit und Akzeptanz von LGBTIQ* ein – wie Antonina. Eine Geschichte zum Transgender Day of Visibility von unserem Korrespondenten Evgen Lesnoy.
Seit neun Jahren sind Antonina und Sascha ein Paar. Und seit sieben Monaten gemeinsam in der territorialen Verteidigungseinheit des ukrainischen Militärs aktiv. Antonina Romanowa ist eine non-binäre Person; ihr Pronomen ist “sie”. Vor vielen Jahren lernte Antonina, damals noch Anton, Sascha kennen. Erst später wurde sie sich ihrer Identität bewusst.
Sascha schreckte das nicht. Er musste sich lediglich daran gewöhnen, seinen Lieblingsmenschen nun in weiblicher Form anzusprechen. Bis zur Invasion arbeiteten beide fürs Theater. Gemeinsam entwickelten sie konzeptuelle Stücke, Performances.

Schon am dritten Tag nach Angriff der russischen Truppen meldeten sie sich in Kyjiw bei der Armee. Antonina sagt, da habe es keine große Wahl gegeben. Zitternd zu Hause sitzen und sich vor den russischen Raketen verstecken? Nicht für sie! Die beiden hatten sich vor dem 24. Februar 2022 kaum vorstellen können, jemals eine Waffe in der Hand zu halten. Wo doch gerade sie von ihren Nachbar:innen so oft für ihre offen gelebte “nicht-traditionelle” Liebe verhöhnt worden waren.
Beim Militär erfüllte sich für Antonina ein Traum
Als sie zur Territorialverteidigung kamen, beschlossen sie, ihre Gender-Identität und sexuelle Orientierung nicht zu verheimlichen. Jede:r Militärangehörige muss einen Rufnamen haben. Antoninas Traum ging in Erfüllung: Sie durfte sich mit Rufnamen Antonina nennen. In ihren Dokumenten steht bisher noch Anton, doch sie ist überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sich das ändert.
Zunächst wurden die zwei in Kyjiw stationiert und ausgebildet. Sie lernten, mit Waffen umzugehen, Schützengräben auszuheben und sich vor russischen Drohnen zu verstecken. Dann hat man sie an die südliche Front verlegt. Jetzt kämpfen Sascha und Antonina.
Die LGBTIQ*-Community unterstützt die beiden. Alle haben Geld für ihre Uniformen, Panzerwesten und andere im Krieg wichtige Dinge gesammelt.
Antonina freut sich sehr, im Süden zu kämpfen, denn sie kommt von der Krim. Nach deren Annexion musste sie ihr Zuhause verlassen. Sie träumt davon, einst mit der ukrainischen Flagge auf ihre geliebte Krim zurückzukehren. Ihr großer Wunsch ist, dass der Pride einmal an der Küste der okkupierten Halbinsel stattfinden kann.
Die Angst vor dem Verlust
Ihrer beider größte Angst? Dass die/der andere umkommen könnte. Dann stünde der/dem Überlebenden laut Gesetz keine staatliche Hilfe zu, denn bisher gibt es in der Ukraine keine gesetzliche Regelung dafür. Sie hoffen, ja erwarten, dass die Ukraine demnächst ein Gesetz über gleichgeschlechtliche Ehen erlassen wird. Tatsächlich diskutiert das Parlament bereits darüber.
So könnt Ihr helfen
EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer Menschen in der Ukraine, die Hilfe brauchen und nicht an queere Organisationen angebunden sind. Das ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr die Option “Geld an Familie & Freunde senden” wählt. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken.
HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschand an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier
Fragen? www.MunichKyivQueer.org/helfen
Iwan Gonzyk ist eine Diva, im Grunde aber einfach ein schwuler Mann. Nur, dass er manchmal gerne seine feminine Seite auslebt. Jetzt ist er Soldat. Unser Autor Evgen Lesnoy hat Iwan in seinem YouTube-Kanal interviewt. Auf der Grundlage des Video-Gesprächs ist dieser Text entstanden.
Iwan stammt aus der Region Cherson und zwar dem Teil, in dem gerade die russischen Besatzer ihr Unwesen treiben. Seine Eltern sind dort geblieben. Iwan selbst lebt schon seit einiger Zeit in Kyjiw.
Pole Dance auf High Heels
Unser Protagonist ist ausgebildeter Sanitäter. Er war bereits 2015 in der Armee, nahm an Kampfeinsätzen im besetzten Donbas teil.
Iwan ist ein kreativer Mensch: Er liebt das Tanzen und das Show-Business. Der gelernte Maskenbildner hat mit vielen ukrainischen Stars gearbeitet, die wir hier in Deutschland nicht kennen. Er hat selbst in Nachtclubs getanzt. Ein Mann beim Pole Dance auf Stöckelschuhen – was gibt es Schöneres!? Doch von dieser Welt musste er sich jetzt erstmal für eine Weile verabschieden.

Als im Februar 2022 der große Krieg ausbrach, war Iwan klar, dass sein Land seine Dienste als Sanitäter jetzt erstmal dringender brauchte als eine Tänzerin an der Stange. Er packte seinen Rucksack, trat in die Armee ein und beschloss: Keine Geheimnisse mehr!
Die Offenheit mobilisiert Hilfe
Nichts mehr aus seinem Leben sollte vor irgendwem verborgen bleiben, schon gar nicht vor seinen Kamerad*innen! All die extravaganten Fotos und Videos auf Instagram waren ab sofort öffentlich zugänglich. In gewisser Weise war das sogar hilfreich.
All seine Follower, die mitbekamen, dass Iwan in den Kampf zog, sahen es jetzt auf Instagram und begannen, zu helfen.
Iwan organsiert Hilfe für Soldat*innen und die Menschen, die noch in den Städten nahe der Front wohnen. Er ist nicht mehr glamourös, sondern karitativ unterwegs, besorgte seinem Bataillon ein Auto, Waschmaschine und Mikrowelle. Über Medizin brauchen wir nicht zu reden.
Im Einsatz vor Bachmut
Aber Iwans Hauptaufgabe besteht jetzt eigentlich darin, Menschenleben zu retten. Mindestens dreimal pro Woche fährt er nach Bachmut, um dort verwundete Kämpfer*innen abzuholen.
Bachmut kennt man aus den Nachrichten! Seit einem halben Jahr versuchen die russischen Horden, die Stadt zu erobern.
Iwan führt auch einen Informationskrieg gegen Homo- und Transfeindlichkeit. Obwohl er in seinem Bataillon nicht direkt damit konfrontiert ist, muss er dennoch vieles erklären. Das archaische Verständnis von Familie und Liebe, insbesondere bei Menschen mit sowjetischer und postsowjetischer Erziehung, ist ein großes Problem.
Iwan sagt, dass er sich unter anderem deshalb geoutet hat, weil er sich wünscht, dass die Ukraine ein echtes europäisches Land wird, in dem Menschenrechte etwas zählen. Er sagt jetzt offen, dass er schwul ist und dass er im Krieg war, damit nach dem Sieg niemand sagen kann: Ihr LGBTIQ*-Leute wart nicht an der Front…
Russlands Staatsfeind: der schwule Mann
Im russischen Fernsehen wird er zur besten Sendezeit fast jede Woche als Hauptfeind vorgeführt. Wie kommt es, fragen die, dass sich ein Schwuler traut, sein Land zu verteidigen?
Einen Traum hat Iwan auch. Er möchte irgendwann einmal in zwei Ländern leben, der Ukraine auf der einen, in der Tschechischen Republik oder Spanien auf der anderen Seite. Er hat sich da noch nicht entschieden. Zuerst muss die Ukraine den Krieg gewinnen.
So könnt Ihr helfen
EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer Menschen in der Ukraine, die nicht an queere Organisationen angebunden sind. Das ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr die Option „Geld an Familie & Freunde senden“ wählt. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken. Wir helfen unsere Freund*innen und Partnern. Wir kennen sie persönlich und wir vermissen sie schmerzlich.
HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschand an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort wie dem KyivPride, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier
Fragen? www.MunichKyivQueer.org/helfen
UNTERKUNFT FÜR QUEERE GEFLÜCHTETE AUS DER UKRAINE „Home is where the heart is“, lautet ein englisches Sprichwort, aber ein Herz alleine schafft noch keinen Wohnraum. Wir kümmern uns deshalb gemeinsam um Unterkünfte für queere Menschen. Wir mieten je nach Verfügbarkeit Zwei-, Drei-, Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnungen an und vermieten sie an Bedürftige in Form von Wohngemeinschaften weiter. Noch hat unser Verein keine Förderung, deshalb sind wir auf Spenden angewiesen. Wir müssen zum Beispiel Mieten und Kautionen vorstrecken, bis das Jobcenter einspringt.
- Münchner Bank eG
- IBAN DE16 7019 0000 0003 1425 66
- Munich Queer Homes e.V.
Fragen? https://munichkyivqueer.org/munich-queer-homes/