Aktionen

Premiere: Anders als die Andern

18.08.2021 | cb — Keine Kommentare
0
Filmszene aus „Anders als die Andern“. Rechte: Filmmuseum München

„Anders als die Andern“ ist als erster Film, der das Thema Homosexualität direkt thematisiert, in die Filmgeschichte eingegangen. Er ist aber auch einer der Filme, der die heftigsten Zensur- und Verbotsreaktionen auslöste, und der heute nur noch sehr fragmentarisch erhalten geblieben ist. Wir zeigen ihn in der rekonstruierten, restaurierten deutschen Fassung am Freitag vor dem Pride March in einem kleinen Kino in Kyjiw. Die Veranstaltung findet in ukrainischer Sprache statt.

Bewegte Zuschauer*innen

Der Film beschreibt das Leben eines – von Schauspieler Conrad Veidt gespielten – homosexuellen Violinvirtuosen, der wegen seiner Beziehung zu einem anderen Mann in die Fänge eines Erpressers gerät und am Ende verzweifelt Selbstmord begeht – ein Schicksal, dem in Berlin damals jährlich mehrere Hundert Homosexuelle zum Opfer fielen. 

„Anders als die Andern“ wurde im Mai 1919 mit großem Erfolg in Berlin uraufgeführt und war dort monatelang in den Kinos zu sehen. Die Reaktionen waren durchaus geteilt: Während viele Zuschauer*innen von dem gezeigten Schicksal emotional tief bewegt das Kino verließen, formierten sich Gegner*innen, die zum Boykott des Films aufriefen und die die Vorstellungen zu stören versuchten. Zunehmend mischten sich antisemitische Angriffe gegen den Regisseur Richard Oswald und dessen Berater, den Sexualforscher Magnus Hirschfeld, in die Ablehnung des Films. Ende 1920 wurde der Film vollständig verboten. 

Filmszene aus „Anders als die Andern“. Rechte: Filmmuseum München

Als Oswalds Filmkonzern Mitte der 1920er Jahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, konnte Magnus Hirschfeld die Rechte an „Anders als die Andern“ übernehmen, der wegen seines anhaltenden Verbots keinen größeren wirtschaftlichen Wert mehr hatte. Er baute ihn in einer stark gekürzten und umgeschnittenen Form als letzte Episode in einen abendfüllenden Film ein. „Gesetze der Liebe“ erläutert in Form eines wissenschaftlichen Vortrags ausgehend von Beobachtungen im Tier- und Pflanzenreich die geschlechtliche Fortpflanzung und das Dritte Geschlecht.

Trickreicher Hirschfeld

Im letzten Kapitel wird dann unter dem Titel „Schuldlos geächtet! Die Tragödie eines Homosexuellen“ der Kampf gegen den § 175 behandelt. Der Filmzensur entging nicht, dass es sich hierbei um eine umgeschnittene Fassung von „Anders als die Andern“ handelte. Sie verbot kurzerhand das letzte Kapitel.

Doch Hirschfeld wusste sich zu wehren: Er begleitete die Aufführungen der gekürzten Fassung von „Gesetze der Liebe“ kurzerhand persönlich und ergänzte ihn mit einem Vortrag, in dem er die verbotenen Teile „im stehenden Lichtbild“ zeigte. Erst 1932 wurde der nahezu vollständige Film „Gesetze der Liebe“ mit wenigen Schnitten und teilweise stark veränderten Zwischentiteln freigegeben, allerdings nur zur Vorführung vor bestimmten Personenkreisen und zwar vor Ärzten, Medizinbeflissenen und in geschlossenen Veranstaltungen von Behörden und staatlich anerkannten wissenschaftlichen Instituten“.

Filmszene aus „Anders als die Andern“. Rechte: Filmmuseum München

Außerhalb Deutschlands lassen sich Ende der 1920er Jahre Aufführungen der vollständigen Fassung von „Gesetze der Liebe“ nachweisen, so zum Beispiel in der Tschechoslowakei. Überliefert ist heute als einziges erhaltenes Material unter dem Titel ЗАКОНИ КОХАННЯ eine Fassung mit ukrainischen Zwischentiteln, die leichte Kürzungen und an manchen Stellen veränderte Zwischentitel aufweist.

Restaurierte Version von 2020

Zunächst war nur die Existenz der letzten Rollen des Materials bekannt, die die Kurzfassung von „Anders als die Andern“ enthielten. Sie dienten als Grundlage für eine 1998 im Filmmuseum München bearbeitete Version von „Schuldlos geächtet“, die auf Arte ausgestrahlt und auf Video veröffentlicht wurde. 2004 gelang dem Filmmuseum mithilfe von Fotos und erklärenden Zwischentiteln auf der Grundlage einer detaillierten Filmbeschreibung in Magnus Hirschfelds „Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen“ die Rekonstruktion der verlorenen Premierenfassung von „Anders als die Andern“ mit ihrer komplexen Rückblendenstruktur.

In Zusammenarbeit mit James Steakley entstand auch eine englische Version der Rekonstruktion „Different from the Others“, die 2006 in den USA auf DVD veröffentlicht wurde. In Deutschland erschienen die deutsche und die englische Version sowie „Schuldlos geächtet“ in der Edition Filmmuseum. 2013 erstellte das UCLA Film & Television Archive im Rahmen des Outfest Legacy Project eine englische Version des Films, die der Restaurierung des Filmmuseums München weitgehend folgte. Lediglich die Anzahl der Zwischentitel wurde erhöht und in Hirschfelds Vortrag im Film wurden als einzige „Neuerung“ Bilder eingefügt, die dieser 1919 noch gar nicht verwendet haben konnte.

Filmszene aus „Anders als die Andern“. Rechte: Filmmuseum München

Zum hundertjährigen Jubiläum der Uraufführung von „Anders als die Andern“ konnte das Filmmuseum München 2019 schließlich eine in der Bildqualität deutlich verbesserte digitale Überarbeitung seiner Rekonstruktion von 2004 anfertigen, in die ganz kurze Filmsequenzen aus den neu aufgefundenen ersten Rollen von ЗАКОНИ КОХАННЯ eingefügt werden konnten. Die Rekonstruktion der ursprünglichen Fassung des Gesamtfilms „Gesetze der Liebe“ gelang 2020, nachdem Bilder der von der Zensur verbotenen Filmteile in den Publikationen von Magnus Hirschfeld gefunden und in die Rekonstruktion eingearbeitet werden konnten.

Wann: 17. September 2021, 18 Uhr
Wo: KyivPride, Anmeldung hier
Kontakt: conrad@MunichKyivQueer.org
Veranstaltende: KyivPride, Filmmuseum München, Munich Kyiv Queer, CSD München, Kulturreferat der Stadt München

Kommentare sind geschlossen.