„Ich bin keine Verräter*in“

Les hat die Ukraine kurz nach Kriegsbeginn verlassen. Anfangs haben sie sich dafür geschämt, denn viele Landsleute fanden die Entscheidung gar nicht gut. Heute verstehen sie, dass nicht alle Menschen kämpfen können. Les leistet einen Beitrag im Ausland. Unsere Kolumnistin Iryna Hanenkova hat mit Les gesprochen.

Ich bin Les (they/it/their), 20 Jahre alt. Ich bin eine non-binäre, polyamore, sexuell freie Person aus Charkiw.

Seit dem Einmarsch in die Ukraine ist über ein Jahr vergangen. Ich bin ein paar Wochen nach Kriegsbeginn ins Ausland gegangen. Und Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie viele Leute mich als Verräter*in bezeichnet haben. Ich hätte meine Familie im Stich gelassen, schaute nur nach mir selber. Würde das Leben in Europa genießen.

Der Unterschied? In Europa knallt es nicht

P.S. Ein Spaß ist das hier nicht. Man muss fucking nochmal arbeiten, arbeiten und nochmal arbeiten.

Dabei hat sich fast nichts geändert, außer dass es hier nicht „knallt“.

Meine Kriegserfahrung beschränkt sich auf zwei Wochen, in denen ich in einem Keller gelebt habe. Nein, ich habe noch nie einen russischen Soldaten persönlich gesehen. Kann man das als Glück bezeichnen?

Wohl kaum, denn der Krieg hat jede*n auf irgendeine Weise getroffen. Sind meine, Eure Erlebnisse oder die von irgendjemandem sonst wichtiger als andere? Überhaupt nicht.

Ich habe mich entschieden, der Ukraine mit meinen Mitteln zu helfen. Ich spende, wenn ich Geld übrig habe, nehme an ehrenamtlichen Freiwilligenaktionen teil, unterstütze, wo es geht. Nicht alle Menschen sind Kämpfer*innen und das ist in Ordnung so.

Wir alle leisten unseren Beitrag

Es ist wie beim Fliegen: Erst setze ich mir doch selbst die Maske auf, dann dem Kind neben mir. Denn wenn ich mich selbst verliere, welches „Ich“ wird dann seinen kleinen „Beitrag“ zum lang ersehnten „Frieden“ beitragen?

So könnt Ihr helfen


EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer Menschen in der Ukraine, die Hilfe brauchen und nicht an queere Organisationen angebunden sind. Das ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr die Option „Geld an Familie & Freunde senden“ wählt. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken.

HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschand an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier

Fragen? www.MunichKyivQueer.org/helfen