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Bogdan und Artem finden Unterschlupf im Shelter

24.01.2023 | cb — Keine Kommentare
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Aufgeben war kein Option, als Bogdan und sein Freund Artem aus ihrer Wohnung ausziehen mussten. Sie hatten beide ihren Job verloren, konnten die Miete nicht mehr bezahlen. So zogen sie in einen Shelter der Gay Alliance Ukraine, der auch mit Spendengeldern der deutschen Community betrieben wird. Aufgeschrieben hat die Geschichte unser Kolumnist Evgen Lesnoy, Dokumentarfilmer, Journalist und Blogger.

Der 24. Februar 2022 hat das Leben der Ukrainer*innen in zwei Hälften geteilt. Sie rechnen mit einer Zeit vor und einer Zeit nach dem Krieg. Vor diesem ominösen Datum hat man Pläne gemacht, hoffte auf die Zukunft; das Leben hatte eine Bedeutung. Danach hat sich alles geändert. Dramatisch verändert.

Bogdan. Foto: Evgen Lesnoy

Bogdan wurde in Cherson geboren, an dem Ort, in den bereits eine Woche nach dem 24. Februar russische Soldaten eingedrungen waren. Die Stadt ist inzwischen befreit, wird aber jeden Tag beschossen. Seine Eltern blieben zunächst in den besetzten Gebieten im Süden der Ukraine; seine Mutter ist jetzt nach Polen ausgereist. Bogdan selbst lebt seit einiger Zeit in Krywyj Rih.

Nur zwei Tage vor Kriegsbeginn zog sein Freund Artem aus der Stadt Polohy in der Region Saporischschja zu ihm. Das Haus, in dem der Junge aufgewachsen ist, hat inzwischen eine russische Rakete getroffen. Nicht einmal die Wände blieben stehen. Seitdem hat er keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern. Er weiß nicht, ob sie noch am Leben sind.

An diesem unglücklichen 24. Februar also änderte sich alles. Die Besitzer des Restaurants, in dem Bogdan als Koch gearbeitet hat, und die Geschäftsführung flohen am selben Tag aus der Stadt. Die Löhne haben sie nicht mehr ausbezahlt. Bogdans Vermieter waren zunächst bereit, den beiden übergangsweise ihre Wohnung zu überlassen, aber das konnte so nicht bleiben.

Plötzlich waren sie obdachlos

So standen zwei junge Männer, zwei schwule, junge Männer, in einer Stadt, die zur Frontstadt geworden war, kurz davor, auf die Straße gesetzt zu werden. Und so kam es dann auch.

In der ersten Zeit kochte Bogdan das Mittagessen für die Kämpfer der örtlichen Territorialverteidigung. Aber bald wurde das Wohnungsproblem virulent: Sie mussten raus.

Bogdan (2.v.l.) im Schutzraum. Foto: Evgen Lesnoy

Doch ist die Welt nicht ohne gute Menschen. Organisationen der LGBTIQ*-Community kamen den beiden zu Hilfe. Bogdan rief seine Freund*innen bei einer dieser Organisationen, der Gay Alliance Ukraine, an. Sie boten ihnen eine Unterkunft in einem Shelter für queere Menschen an, die wie sie des Kriegs wegen ohne Wohnung und Geld dastanden.

Natürlich haben sie dort keine separate Wohnung für sich, nichtmal ein Zimmer. Sie teilen sich einen Raum mit mehreren Leuten. Aber wenigstens gibt es ein warmes Bett und Essen. Die Unterkunft wurde von Aktivist*innen der Gay Alliance Ukraine und der queeren lokalen Organisation Protego organisiert.

Gemüse aus dem eigenen Garten

Jetzt ist der erste Schock überwunden. Sie leben und können der LGBTIQ*-Community, den Ukrainer*innen und der Ukraine nützlich zu sein. Auch die Wirtschaft kam nach und nach wieder in Schwung: Cafés und Restaurants machten wieder auf.

Bogdan hat es geschafft, eine Stelle als Hilfskoch aufzutun. Sein Freund Artem konnte zwar keine Arbeit finden. Aber sie sitzen nicht untätig rum. Gemeinsam mit den Bewohner*innen des Shelters begannen sie im Frühjahr mit dem Gemüseanbau im Garten. Obwohl viele der Jungen aus der Stadt kommen und zum ersten Mal Boden bearbeiteten, gelang es ihnen, etwas Gemüse zu pflanzen.

Leider hat nicht alles überlebt. Der massive Raketenbeschuss ging auch an Krywyj Rih nicht spurlos vorüber. Eine Rakete schlug in einen Damm am Fluss Inhulets ein und überschwemmte das Gartengrundstück. Leider wurde ein Teil der Ernte vernichtet.

Die Jungs leben noch immer im Shelter. Auf engstem Raum, aber das ist ja keine Schande. Nach dem Sieg wird es wieder Komfort und eine europäische Zukunft für die Ukraine geben. Jetzt geht es vor allem darum, die russischen Besatzer aus dem Heimatland zu vertreiben. 

Ein Dankeschön nach Deutschland

Bogdan arbeitet und kocht weiterhin fürs ukrainische Militär. Artem ist als Freiwilliger aktiv und hilft sowohl der ukrainischen Armee wie der Zivilbevölkerung auf jede erdenkliche Art und Weise.

Müde vom Tag. Foto: Evgen Lesnoy

P.S: Bogdan und Artem haben uns gebeten, Munch Kyiv Queer, den Organisationen ECOM und KyivPride ein großes Dankeschön auszurichten. Dank ihrer Spenden gibt es diese Unterkunft für LGBTIQ* hier, in der sie leben.

So könnt Ihr helfen


EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer Menschen in der Ukraine, die nicht wie Bogdan und Artem an queere Organisationen angebunden sind. Das ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr die Option „Geld an Familie & Freunde senden“ wählt. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken. Wir helfen unsere Freund*innen und Partnern. Wir kennen sie persönlich und wir vermissen sie schmerzlich.

HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschand an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort wie dem KyivPride, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier

Fragen? www.MunichKyivQueer.org/helfen

UNTERKUNFT FÜR QUEERE GEFLÜCHTETE AUS DER UKRAINE „Home is where the heart is“, lautet ein englisches Sprichwort, aber ein Herz alleine schafft noch keinen Wohnraum. Wir kümmern uns deshalb gemeinsam um Unterkünfte für queere Menschen. Wir mieten je nach Verfügbarkeit Zwei-, Drei-, Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnungen an und vermieten sie an Bedürftige in Form von Wohngemeinschaften weiter. Noch hat unser Verein keine Förderung, deshalb sind wir auf Spenden angewiesen. Wir müssen zum Beispiel Mieten und Kautionen vorstrecken, bis das Jobcenter einspringt.

  • Münchner Bank eG
  • IBAN DE16 7019 0000 0003 1425 66
  • Munich Queer Homes e.V.

Fragen? https://munichkyivqueer.org/munich-queer-homes/

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