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#FundReise Tag 7 – Die Einladung

10.12.2022 | cb — Keine Kommentare
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Strom und Heizung mögen ausfallen. Sibylle setzt ihre Mission unbeirrt fort. Heute besucht sie die Gay Alliance Ukraine, eine der ältesten LGBTIQ*-Organisationen des Landes. Wir kennen sie und die zwei Frauen, die ihr vorstehen, seit vielen Jahren. Der Krieg hat sie verändert – wie die ganze Stadt. Sie haben eine Art Kriegspersönlichkeit bekommen.

Das ist der Blog von Sibylle von Tiedemann, Mitgründerin von Munich Kyiv Queer. Sie wollte nicht mehr zuschauen, was in der Ukraine passiert, und fuhr selbst hin. In Münchens Partnerstadt Kyjiw besucht sie seit einigen Tagen unsere Freund*innen und Partner, sie berichtet und sammelt Spenden.

Strom: 16 von 24 Stunden
Temperatur: minus 1 Grad, drinnen 19 (Ich habe großes Glück mit meiner Unterkunft)
Spendenbarometer: 4318,67 von 18.000 Euro
Besondere Vorkommnisse: Aus Fremd- wird Vertrautheit
Alle Blogbeiträge: Sibylles #FundReise nach Kyjiw mitten im Krieg


„Ich arbeite einfach die Aufgaben ab, die anstehen“, antwortet Anna Leonova auf meine Frage, woher sie die Kraft nimmt. Anna leitet seit einigen Jahren die Gay Alliance Ukraine, eine der großen LGBTIQ*-Organisationen im Land.

Im Januar schon hatte sie gemeinsam mit ihrer Partnerin Olena Hanich, ebenfalls Mitarbeiterin der Gay Alliance Ukraine, beschlossen, im Falle eines Krieges in der Ukraine zu bleiben. Trotz Warnungen ausländischer Diplomat*innen. Das ist mutig, aber auch gefährlich, sollte es zu einer Besatzung kommen, denn die beiden sind nicht nur als Ukrainerinnen bedroht, sondern auch und gerade als Lesben. In Russland sind offen lesbische Frauen nicht gerade beliebt.

Übergabe von Plätzchen, Powerbanks und Wärmflaschen in der Gay Alliance Ukraine. Anna Leonova (l.) und Olena Hanich (r.) nehmen sie dankbar entgegen. Foto: Sibylle von Tiedemann

Anna und Olena berichten von den ersten Stunden des Krieges. Als die eine schon Bescheid wusste, trank die andere noch in Ruhe ihren Morgen-Kaffee. Sie erinnern sich, wie sie sich im Büro der Gay Alliance Ukraine einrichteten, das zentrumsnah liegt und deshalb besser geschützt ist.

Schutzmaßnahmen für den Atomschlag

Sie erklären mir, wie die einen flohen, die anderen blieben – individuelle Entscheidungen, die sie nicht kommentieren wollen. Sie erzählen davon, wie in Kyjiw eine Zeitlang nur noch Alte zu sehen waren, die kriegsbedingt keine Rente mehr bekamen und nach Essen suchen mussten. Wie sie selbst im Badezimmer Schutzmaßnahmen vor einem Atomschlag trafen.

Und ich erinnere mich noch gut, wie ich von München aus schreckensstarr den Facebook-Messenger checkte, Facebook-Beiträge verfolgte.

Der Boulevard Kreschtschatyk am 5. März 2022. Menschenleer. Foto: Anna Leonova

Wir sitzen lange zusammen, fast drei Stunden, und die alte Vertrautheit kehrt zurück. Bei der Begrüßung sind mir beide noch sehr fremd vorgekommen. Ich kenne sie schon viele Jahre, sie haben bei mir gewohnt, wenn sie in München waren … der Krieg hat sie verändert. Das ist vom ersten Moment an spürbar.

Mit den Menschen ist es ähnlich wie mit der Stadt, denke ich mir. Auch Kyjiw hat eine „Kriegspersönlichkeit“, etwas Fremdes bekommen. Und gleichzeitig ist die Stadt vertraut wie früher.

Kyjiw im Krieg. Ich posiere vor einer Ausstellung mit russischen Panzern vor dem Michaels-Kloster. Foto: Sibylle von Tiedemann

Wir reden über den Krieg, die Geschichte, die Deutschen, die Ukrainer und die Russen. Und über Selenskyj. So richtig beliebt war er ja nicht und jetzt ist er genau der Richtige in diesem Krieg.

Zurück zur Gay Alliance Ukraine, deren Aufgaben sich seit Kriegsbeginn stark geändert haben. Die Organisation erreichen täglich sehr viele Anfragen mit Bitte um psychologische und/oder humanitäre Hilfe, die alle geprüft und beantwortet werden. Und so werde ich auch gleich zum Vorratsraum geführt, in dessen Regalen sich Lebensmittel stapeln.

Die Gay Alliance Ukraine hat ein Paket mit aufeinander abgestimmten Produkten zusammengestellt, das etwa zwei Wochen reicht – wenn eigene Vorräte vorhanden sind – und umgerechnet 25 Euro kostet. „Mit dem Thunfisch und den Nudeln kann man ein Mittagessen kochen“, erläutert mir Anna. „Haferflocken und Milch ergeben ein Frühstück“, ergänzt sie.

25 Euro pro Paket sind nicht viel

Ich kann nicht anders und beginne gleich zu rechnen: Wenn aufgrund dieses Blog-Beitrags zur #FundReise 1.000 Euro Spenden reinkämen, könnte die Gay Alliance Ukraine damit 40 LGBTIQ* für zwei Wochen unterstützen. Wäre schon schön. Spendet hier

Es gibt zwar alles in den Läden, aber es ist sehr teuer und von schlechter Qualität. Sie kaufen daher vieles in Polen, in den Grenzstädten Przemysl und Chelm.

Preissteigerungen bei einem Kaffeestand. Foto: Sibylle von Tiedemann

Die Gay Alliance Ukraine sitzt nicht nur in Kyjiw, sondern ist auch in Odesa und Winnyzja aktiv, versorgt dort Menschen. Ein großes Problem sind die Mitgliederverluste. Am 24. Februar waren es noch 500, aktuell sind es 200. Und die große Zahl an Ehrenamtlichen, die das Herz der Organisation waren, und jetzt weg sind.

„Ich habe meine Gay Alliance Ukraine verloren. Das, was wir jahrelang aufgebaut haben, gibt es nicht mehr“, sagt Anna traurig. Und erzählt gleich weiter. Sie sind erst vor einem Monat in dieses neue, deutlich größere Büro gezogen, renovieren es, wollen wieder ein Queer Home aufbauen.

Wir sind herzlich eingeladen

Die Queer Homes waren die Kultur- und Kommunikationszentren der Organisation, die die Gay Alliance Ukraine vor dem Krieg in vielen Städten der Ukraine betrieb. Munich Kyiv Queer hat sie mithilfe eines Patenprogramms über Jahre finanziell mit unterstützt.

Und so führen sie mich am Schluss in den großen Gruppenraum mit der Bühne.

Anna Leonova und Olena Ganich laden die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer nach dem Krieg ein. Foto: Sibylle von Tiedemann

„Wir laden die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer ein, uns nach Kriegsende zu besuchen“, sagen Anna und Olena zuversichtlich.

„Der Sekt geht auf uns“, erwidere ich.

#FundReise #MunichKyivLove #18.000 Euro

Sibylle sammelt Spenden für


EINZELFALLHILFE Munich Kyiv Queer unterstützt mit einer eigenen, privaten Spendenaktion über www.paypal.me/ConradBreyer die Menschen in der Ukraine, mit denen wir in den vergangenen zehn Jahren eng zusammengearbeitet haben. Das ist direkt, schnell und gebührenfrei, wenn Ihr die Option „Geld an einen Freund senden“ wählt. Kennwort #FundReise. Wer kein PayPal hat, kann alternativ an das Privatkonto von Conrad Breyer, IBAN: DE42701500000021121454, Geld schicken. Wir helfen unsere Freund*innen und Partnern. Wir kennen sie persönlich und wir vermissen sie schmerzlich.

HILFE FÜR KRIEGSOPFER: KINDER, ALTE UND KRANKE MENSCHEN IN KYJIW UND UMGEBUNG Der Verein „Brücke nach Kiew“ unterstützt hilfsbedürftige Personen, insbesondere Kinder und kinderreiche Familien, finanziell schwache, gering verdienende und/oder auch Tschernobyl-geschädigte Personen in der Ukraine und hier insbesondere in Kyjiw – insbesondere über ein Pat*innen-Programm. Das Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe.

Empfänger: Brücke nach Kiew e.V.
Bank: Raiffeisenbank München Süd eG
IBAN: DE74 7016 9466 0000 0199 50
BIC: GENODEF1M03
Kennwort: #FundReise

Ab 200 Euro kann eine Spendenbescheinigung ausgestellt werden.

HILFE FÜR LGBTIQ*-ORGANISATIONEN Wir haben zum Schutz von LGBTIQ* aus der Ukraine das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine mitgegründet. Ihm gehören um die 40 LGBTIQ*-Organisationen in Deutschand an. Sie alle haben ganz unterschiedliche Kontakte in die Ukraine und sind bestens vernetzt mit Menschenrechtsorganisationen vor Ort, die Gelder für die Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen brauchen. Spendet hier

Mehr Informationen: www.MunichKyivQueer.org/helfen

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